„Fünf nach zwölf“ – dort stünden die Innenstädte in der Coronakrise. Bildhaft beschreibt der Präsident des niedersächsischen Städtetags, OBM Ulrich Mädge aus Lüneburg, die immer prekärer werdende Situation von Stadt- und Ortszentren. Demnach fordert der kommunale Spitzenverband vom Land Niedersachsen – dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgend – ein „Sofortprogramm in Höhe von mindestens 70 Millionen Euro zur Stärkung der Innenstädte“.
Mädge: „Müssen in unsere Innenstädte investieren“
Nach einem Innenstadtgipfel, den der Verband mit der IHK Niedersachsen sowie Wirtschaftsminister Bernd Althusmann und Bauminister Olaf Lies veranstaltete, gaben die Akteure am Dienstag eine gemeinsame virtuelle Pressekonferenz. Dabei stellte der Städtetag in dem Tenor „Sofortprogramm Innenstadt – Jetzt“ ein Positionspapier mit konkreten Vorschlägen für eine schnelle Unterstützung der Innenstädte vor. Das Papier, das der OBM-Zeitung vorliegt, trägt den Titel „2021 – Schicksalsjahr der Innenstädte“.
Darin fordert der Städtetag neue Instrumente für Kommunen, um auf die Transformation ihrer Zentren stärker gestaltend einwirken zu können. „Die Umgestaltung der Innenstädte kostet Zeit und Geld“, so Mädge. Zeit habe man nicht, mit Geld müssten Bund und Land die Kommunen unterstützen. „Wir müssen in unsere Innenstädte investieren.“
Zugriff auf Schlüsselimmobilien in Innenstadtlagen
Konkret fordert der Städtetag die Aufstockung von Landes- und Bundesprogrammen. Als Instrument, das den Zugriff auf Innenstadtimmobilien erleichtern soll, schlägt er unter anderem einen Grundstücksfonds mit einem Volumen von rund 100 Millionen Euro vor. Daraus sollten Kommunen Grundstücke zur Entwicklung erwerben, entwickeln und zielgerichtet vermarkten können. Dies solle einen „schnellen und unkomplizierten Zwischenerwerb“ ermöglichen, heißt es in dem Papier.
Grundsätzlich gelte es, Maßnahmen und entsprechende Planungen von Kommunen zu fördern, die darauf abzielen, in Innenstadtlagen die Verfügungsgewalt über vom Leerstand bedrohte Schlüsselimmobilien zu erlangen. Dabei führt das Papier auch die Förderung von Zentrums- oder Innenstadtmanagern auf. Diese sollen lokale Interessenlagen, Bedarfe und Rahmenbedingungen wie das Mietniveau zwischen Vermietern, Gründern, Unternehmern oder Mietern und Anwohnern koordinieren.
Digitalisierung, flexible Öffnungszeiten, Lieferverkehr
Darüber hinaus fordert das Positionspapier das Land dazu auf, die Digitalisierung in Städten zu unterstützen – in diesem Zusammenhang insbesondere die des Einzelhandels. Ebenso spricht sich der Städtetag für flexiblere Öffnungszeiten des Einzelhandels aus – auch, was Sonntagsöffnungen betrifft. Den Gewerbetreibenden müsse angesichts der Pandemie die Gelegenheit gegeben werden, sich gegenüber dem allzeit verfügbaren Onlinehandel zu positionieren, so Mädge. „Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, den Innenstädten einen Schub zu geben.“
Zudem fokussiert das Papier innerstädtische Lieferverkehre und plädiert für eine Förderung kommunaler Modellprojekte wie Microhubs, die auf eine Verkehrsreduktion abzielen. Im Spannungsfeld zwischen stationärem Handel und dem Onlinehandel regt der Städtetag außerdem, ähnlich der Forderung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, eine Produktversandsteuer an.
Land hilft wohl im „zweistelligen Millionenbereich“
Beim gemeinsamen Pressegespräch zeigten sich die Landesminister auf der Linie der Kommunen. „Die Lage der Innenstädte ist brisant und ist durch Corona noch mal brisanter geworden“, so Althusmann. Es bedürfe gemeinsamer Anstrengungen aller Akteure, die „Weichen für die Innenstädte der Zukunft zu stellen“. Die liege in einem stärkere Nutzungsmix, der neben dem Einzelhandel, Gastronomie und Kultur außerdem Raum für Aspekte wie Freizeit, Wohnen, Arbeiten und soziale Interaktion in den Zentren öffne.
Dafür sagte der Minister eine Unterstützung der Landesregierung zu. Konkret beziffern konnte er diese jedoch nicht. Althusmann sprach vom „zweistelligen Millionenbereich“.