Es stellen sich europapolitische Weichen für die Städte: Seit dem 1. Juli 2020 übernimmt die Bundesrepublik Deutschland für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäische Union. In dieser Zeit wird auch eine Neufassung der 2007 verabschiedeten „Leipzig-Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ erwartet. Dies bedeutet – neben aktuellen Themen Europas wie der Coronakrise, die sich auch auf der kommunalen Ebene abspielen – eine zusätzliche Betroffenheit der Städte. Was erwarten die deutschen OBM von der EU-Ratspräsidentschaft? Für welche Anliegen der Städte erhoffen sie sich eine besondere Berücksichtigung? Und vor welchen allgemeinen Herausforderungen steht Europa aus Ihrer Sicht? Dies fragt sie die OBM-Zeitung. An dieser Stelle spricht OBM Dirk Hilbert aus Dresden.
OBM Dirk Hilbert: Finanzielle Basis schaffen
„Für mich beziehungsweise für uns Kommunen in Europa ist es gegenwärtig besonders wichtig, dass die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen von 2021 bis 2027 in der Phase der deutschen EU-Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden“, formuliert Dirk Hilbert, OBM aus Dresden, seine europapolitischen Erwartungen an die Bundesregierung. Ein verlässlicher Finanzrahmen sei die Basis dafür, „dass die neuen Förderprogramme pünktlich starten können“.
Dies habe Auswirkungen auf die Städte, etwa im Bereich der Strukturfonds EFRE und ESF. „Um laufende Projekte erfolgreich zu Ende führen und neue Projekte entwickeln zu können, brauchen wir gerade in der jetzigen Haushaltssituation Planungssicherheit“, unterstreicht Hilbert.
Rezession, Gesundheits- und Klimakrise: „Gemeinsame Antworten!“
Dabei blickt er auch auf die Coronakrise. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hofft er angesichts der Krise, „dass sie Europa wieder ein Stück näher zusammenbringt, um gemeinsame Antworten auf die gegenwärtigen Herausforderungen – Rezession, Gesundheits- und Klimakrise – zu finden“. Es gelte, „die Zukunft Europas und die unserer Städte nachhaltig und sicher zu gestalten“.
Aus Sicht der Städte sei es dabei vonnöten, die „angeschlagene Wirtschaft wieder in Gang zu bringen und Potential für Erneuerung in der gegenwärtigen Gesundheits-, Wirtschafts- und Klimakrise zu finden“. Die Auswirkungen der Coronapandemie müssten Anlass sein, über strukturelle Neuerungen und gegebenenfalls Veränderungen im institutionellen Gefüge der EU nachzudenken. „Aus meiner Sicht müssen wir die Krise noch viel mehr nutzen, um daraus zu lernen und neue Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln“, so Hilbert.
Hilbert fordert Solidarität unter den EU-Mitgliedsstaaten
Der Oberbürgermeister unterstreicht die Relevanz, die Entscheidungen auf europäischer Ebene für die Kommunen entfalten. „Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir bei Herausforderungen und Themen, die wir auf kommunaler und nationaler Ebene nicht allein klären können, wie beim Klimaschutz oder der Frage der Migration, eine starke EU haben und mit einer Stimme reden.“ Die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten sei „eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein gutes Gelingen“.
Dabei müssten die EU und ihre Organisationen wehrhaft sein gegen Zersetzungstendenzen und Desinformation. „Das Narrativ, dass die EU nichts tut und nicht hilft, kann sehr gefährlich sein“, warnt Hilbert. Es gelte, den europäischen Gedanken als Grundlage für ein friedliches, freizügiges und demokratisch-liberales Europa im Bewusstsein der Menschen zu stärken. „Die EU wird sich mit Fragen der Information und Desinformation besonders auseinandersetzen müssen.“
Entwicklungspolitik während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Darüber hinaus erhofft sich Hilbert von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft nicht zuletzt „wirksame Impulse für eine kluge, gemeinsame europäische Entwicklungspolitik“. Dabei betont er die „glokale“ Rolle der Städte im Sinne einer Global City und ihre wachsende Relevanz für globale Herausforderungen. „Wir dürfen neben unseren eigenen Themen nicht den Blick für die Welt verlieren – für das, was außerhalb unserer eigenen Kommunen und außerhalb Europas geschieht.“
Exemplarisch lenkt Hilbert den Blick nach Afrika und auf die Partnerschaft zwischen Dresden und Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo. Diese mit Leben zu füllen und den zivilgesellschaftlichen Austausch zu fördern, stehe aktuell auf der Agenda seiner Stadtpolitik. Es gehe darum, gegenseitig voneinander zu lernen und sich gemeinsame Perspektiven zu erarbeiten.
„Dresden hat in den vergangenen Wochen und Monaten sehr viel Hilfe aus aller Welt erfahren. Wir haben beispielsweise für unsere Pflegeeinrichtungen Masken aus Vietnam erhalten sowie Mund-Nase-Bedeckungen aus China. Aber auch unsere Hilfe ist gefragt, und deshalb wollen wir unserer Partnerstadt Brazzaville in dieser Krise ebenfalls helfen“, erklärt Hilbert.
Konkret wolle man die kongolesische Partnerstadt auf zwei Wegen unterstützen: „Zum einen ist die Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm geplant, zum anderen wird es eine Sachmittelspende geben. Dafür ist eine Gesamtsumme von 80.000 Euro reserviert.“
Oberbürgermeister zur Deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Hier spricht OBM Dominik Sauerteig aus Coburg.
Hier spricht OBM Manuel Just aus Weinheim.
Hier spricht OBM Michael Ebling aus Mainz.
Hier spricht OBM Ashok Sridharan aus Bonn.
Hier spricht OBM Toni Vetrano aus Kehl.
Hier spricht OBM Octavian Ursu aus Görlitz.
Hier spricht OBM Peter Kurz aus Mannheim.
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