Europastadt

Europastadt: Wie Europa sich in Städten abspielt

Die Städte sind der Kitt Europas. In ihnen zeigen sich die Errungenschaften der europäischen Integration genauso wie gemeinsame Herausforderungen.

Europahymne in Karlsruhe (Quelle: Stadt Karlsruhe/SAM)

Die deutschen Städte sprechen sich für ein starkes Europa aus. Vor Ort, in den Städten, ist Europa konkret erlebbar. In der Stadtgesellschaft ist Europa mehr als eine abstrakte geografische Kategorie. Hier treffen Menschen verschiedener Nationen aufeinander. In Städten gehört der europäische Gedanke zu einer weltoffenen, friedvollen Haltung. Ein geeintes, handlungsfähiges Europa stärkt also auch den Zusammenhalt in den Städten.

Die „Europastadt“ als Profilmerkmal

So führen mache Städte den Begriff der „Europastadt“ als Beiname. Der Begriff der „Europastadt“ bringt ihre europäische Verwurzelung und ihr Bekenntnis zur internationalen Verständigung zum Ausdruck. Die „Europastadt“ Karlsruhe setzte beispielsweise 2020 ein Zeichen für Europa, indem die Bürger von Balkonen aus die Europahymne sangen (Foto oben).

Manche Städte nutzen das Prädikat „Europastadt“ auch, um damit auf ihr europäisches Profil und ihre Relevanz als Global City hinzuweisen. Dies trifft etwa auf die Stadt Frankfurt am Main zu, die Gründungsmitglied des Städtenetzwerks Eurocities ist und die wichtige europäische Institutionen wie die Europäische Zentralbank beheimatet.

Städte als verbindende Elemente für eine europäische Identität

Aus urbaner Perspektive liegt dem europäischen Gedanken ein Verständnis des interkommunalen, grenzüberschreitenden Erfahrungsaustauschs zugrunde. Angesichts der Globalisierung sind Städte zunehmend miteinander verflochten. Sie geben eigene Erfahrungen weiter und lernen von den Erfahrungen anderer bei der Lösung gemeinsamer, globaler Probleme. Auf diese Weise wächst der Stellenwert internationaler Städtediplomatie. Städte gewinnen im Sinne der Multilevel-Governance, also im Verhältnis zu übergeordneten Ebenen, an Gewicht. Dies auch und vor allem im europäischen Kontext.

Für die europäische Integration können Städte eine ihre Stadtgesellschaften miteinander verbindende Funktion übernehmen. Beispielsweise über Städtepartnerschaften sorgen sie für einen Austausch und das Vernetzen regionaler Gesellschaften zu einer europäischen Identität. Hier ist der interkommunale, grenzüberschreitende Austausch vielerorts längst selbstverständlich, während es auf nationalstaatlichen Ebenen bisweilen Verständigungshemmnisse gibt.

Eine strukturelle Basis für den Dialog zwischen europäischen Kommunen spiegelt sich sogar auf der Ebene des Städtebaus.

Die „Europäische Stadt“ als strukturelle Basis

Die „Europäische Stadt“ zeichnet sich durch gemeinsame, typische städtebauliche Merkmale aus. Dazu gehören etwa ein historisch und kulturell aufgeladener Stadtkern sowie ein urbanes Wachstum in dessen Peripherie. Dem Bild der europäischen Stadt liegt die Eigenschaft der Stadt als Machtzentrum oder logistischer Knotenpunkt zugrunde. Daran schließen sich Phänomene wie die industrielle Prägung des Stadtraums, die Bildung von Wohnstädten sowie Zersiedelungs-, Schrumpfungs-, Wachstums- oder Transformationsprozesse an. Die Ausprägung von Stadt-Umland-Bezügen sind entscheidende Faktoren für die Entwicklungsdynamiken in urbanen Zentren.

Nicht nur strukturell und historisch bieten die europäischen Städte mannigfaltige Verbindungsachsen zueinander. Auch inhaltlich beschäftigen sie sich mit ähnlichen Herausforderungen. In den Städten spielen sich gesellschaftliche Trends und Progression ab. Hier geht es um die Entwicklung zur Smart City und um Digitalisierung, um die Gestaltung einer modernen Mobilität und um Verkehr, um Anstrengungen für Nachhaltigkeit und gegen den Klimawandel, um Migration und um Integration. Für die Lösung dieser Herausforderungen bietet sich ein gemeinsamer Kontext – etwa der europäische Rahmen mit seinen auch organisatorisch und administrativ angelegten Strukturen – besonders an.

Grenzregionen machen die Errungenschaften Europas offensichtlich

Die Vorteile des geeinten Europa und offener Grenzen lassen sich vor allem in Grenzregionen wie Saarbrücken, Kehl oder Görlitz erkennen. Hier sind grenzüberschreitende Strukturen längst geübte Praxis. Dies gilt, obwohl nationalstaatlich unterschiedliche Gesetzeslagen manche Entwicklung, beispielsweise im Bereich eines grenzüberschreitenden ÖPNV, bisweilen verzögern. Doch die wechselseitigen Bezüge sind oft so stark, dass grenzüberschreitende Wirtschaftsräume dort schon selbstverständlich sind. Hier, in den Städten, ist der sinnstiftende Wert des europäischen Gedankens konkret greifbar.

Antieuropäische Tendenzen belasten die Städte

Umso stärker streiten Städte für Europa. In ihnen zeigt sich dabei aber zugleich, wie brüchig das europäische Konstrukt sein kann und wie belastend antieuropäische Tendenzen wirken können. Etwa erschwert der Brexit, also der Austritt Großbritanniens aus der EU, die Kooperation deutscher und britischer Städte. Dies gilt nicht nur für die Ebene der Verwaltung und der offiziellen Kanäle, sondern wirkt auch in die jeweilige Stadtgesellschaft hinein und auf die Zusammenarbeit von Unternehmen in Deutschland und Großbritannien.

Aktuelle Beiträge zum Thema Europastadt

Iryna Shum, Stephan Keller (Quelle: Landeshauptstadt Düsseldorf/Ingo Lammert)Städte können Ukraine bei EU-Annäherung helfen 20.06.2022 - Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum über deutsche Kommunen im Ukrainekonflikt, Städtediplomatie und die EU-Annäherung der Ukraine. weiterlesen
Pretzell, Kurz, Würzner, Schmidt-Lamontain; v.l. (Quelle: Stadt Mannheim)„Was wir am meisten brauchen, ist Freiheit“ 12.05.2022 - Mannheim und Heidelberg sind für die „EU Cities Mission“ ausgewählt. Auf dem Weg zur Klimaneutralität kooperieren die Städte nun intensiver. weiterlesen
Dresden Blick von der Frauenkirche (Quelle: Sebastian Weingart/DML-BY/Dresden Marketing GmbH/Landeshauptstadt Dresden)Neun deutsche Städte gehen auf „EU Cities Mission“ 29.04.2022 - Die „EU Cities Mission“ sucht Modellstädte, die bis 2030 klimaneutral werden. Neun deutsche Städte sind nun dafür ausgewählt. weiterlesen
Dieter Reiter (links) und Peter Hanke (Quelle: Landeshauptstadt München/Michael Nagy)Energieversorgung: München und Wien kooperieren 10.03.2022 - Die Städte München und Wien wollen enger in Sachen Energie kooperieren. Sie zielen auf eine autarke, klimaneutrale Energieversorgung ab. weiterlesen
Brüder Grimm (Quelle: Stadt Hanau/Hanauer Geschichtsverein 1844)Kaminsky schlägt Brüder Grimm als Euro-Motiv vor 08.03.2022 - Die Europäische Zentralbank sucht neue Motive für Euro-Banknoten. Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky hat eine Idee: die Brüder Grimm. weiterlesen
OBM Mike Schubert (Quelle Landeshauptstadt Potsdam/Karoline Wolf)Städtebündnis will seine Arbeitsstrukturen anpassen 18.02.2022 - Im „Bündnis Städte Sicherer Häfen“ sind 117 Kommunen. Aufgrund von Mitgliederzuwachs und neuen Anforderungen will es sich neu organisieren. weiterlesen
OBM Markus Lewe im Videogespräch (Quelle: Stadt Münster)Städtediplomatie in der Ukrainekrise 11.02.2022 - Münsters OBM Lewe sichert der russischen Partnerstadt Rjasan Verbundenheit zu. Als Städtetagpräsident ruft er zur Städtediplomatie auf. weiterlesen
Isar in München (Quelle: Landeshauptstadt München/Presseamt/Nagy)Europa sucht 100 klimaneutrale Städte 08.02.2022 - Die EU will die Klimaneutralität bis 2030 auf lokaler Ebene voranbringen. Dafür sucht sie 100 Modellstädte. Einige deutsche bewerben sich. weiterlesen
Frans Timmermans (links), Martin Horn (Quelle: Stadt Freiburg/Patrick Seeger)Kommunen als Treiber europäischer Klimaziele 25.01.2022 - Europäische Bürgermeister sprechen mit EU-Kommissionsvize Frans Timmermans über die Rolle der Kommunen für die Erreichung der Klimaziele. weiterlesen
Küstenkraftwerk Kiel (Quelle: Stadtwerke Kiel AG/Carsten Bernot)VKU: EU-Taxonomie für Gaskraftwerke zu streng 14.01.2022 - Stadtwerke nutzen Gaskraftwerke zunehmend als Brückentechnologie. Doch die wenigsten Kraftwerke dürften als nachhaltige Finanzanlage gelten. weiterlesen