Die sächsische Stadt Chemnitz ist Kulturhauptstadt Europas 2025. Dies gab die Wettbewerbsjury heute offiziell bekannt. Die Kulturstiftung der Länder hatte das Auswahlverfahren im Auftrag der Kultusministerkonferenz durchgeführt. Die Juryentscheidung gilt als Empfehlung, auf deren Grundlage die Kulturministerkonferenz in Abstimmung mit der Kulturbeauftragten der Bundesregierung eine Stadt zur „Kulturhauptstadt Europas 2025“ ernennt. Deutschland und Slowenien bestimmen für 2025 jeweils eine europäische Kulturhauptstadt. Die Entscheidung über die slowenische Stadt wird im Dezember erwartet.
Scheidende OBM Ludwig: „ein bisschen viel Adrenalin“
Für die scheidende Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, die bis morgen im Amt ist, ist die Juryentscheidung eine Krönung ihrer Amtszeit. In einer ersten Reaktion zeigte sie sich „glücklich und überwältigt“ mit „ein bisschen viel Adrenalin“. In Chemnitz habe die Bewerbung in den vergangenen Monaten die Rolle eines Motors für die Stadtentwicklung angenommen. „Anfangs haben viele Chemnitzer gezweifelt, dass das eine gute Idee ist.“
Insbesondere die Ereignisse im August 2018, als Chemnitz von rechtsextremen Ausschreitungen erschüttert wurde, hätten „zum Teil sehr weh getan“. Die Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt habe hier allerdings einen mutigen Kontrapunkt gesetzt. „Wir wollen zeigen, dass wir so viel mehr sind als die Bilder, die 2018 um die Welt gegangen sind.“ Die gesamte Stadtgesellschaft habe sich entsprechend engagiert. Damit begünstige der Erfolg nicht nur die urbane Transformation, sondern habe auch für die Stadtmentalität einen besonders hohen Stellenwert.
Das Konzept, mit dem sich Chemnitz um den Titel beworben hat, sehe einen Einbezug der Region vor. Es verfolge einen breiten, partizipativen Kulturbegriff „zwischen kultureller Spitzenleistung und Autodidakten“, so Ludwig. Die Oberbürgermeisterin spricht von einem umfassenden „Stadtentwicklungsprojekt“. Für den neuen Oberbürgermeister Sven Schulze bedeutet die Auszeichnung ein „Geschenk“ und eine Möglichkeit für die Stadt, „aus dem Schatten und ins Licht zu treten“.
Stadtentwicklung im Zeichen der Kultur
Die europäische Jury entschied in der finalen Runde zwischen Chemnitz, Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg. Ursprünglich hatten sich außerdem auch Dresden, Gera und Zittau als europäische Kulturhauptstadt beworben. Zuletzt bestimmte Deutschland 2010 die Kulturhauptstadt, damals in der Region Ruhr mit dem repräsentativem Fokus auf Essen. 1999 war Weimar europäische Kulturhauptstadt, 1988 Berlin.
Der Titel wird seit 1985 von der EU vergeben. Er soll auf den Reichtum und die kulturelle Vielfalt in Europa sowie gemeinsame Errungenschaften aufmerksam machen. Zudem sorgt die Programmgestaltung vor Ort für Impulse der Stadtentwicklung und -erneuerung. Darüber hinaus wirkt er belebend auf den Tourismus und prägt das internationale Profil der jeweiligen Stadt. Bei der Präsentation der Gewinnerstadt sprach Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, von einem „Weg der Stadtentwicklung durch die Kultur und für die Kultur“ – bereits in der Bewerbungsphase.
Bekanntgabe im Zeichen der Coronakrise
Dabei stand die Wettbewerbsphase im Zeichen der Coronakrise. Unter anderem präsentierten sich die Städte mit virtuellen Stadtrundgängen und in digitalen Diskussionsrunden der Jury. Die Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Gewinnerstadt fand ebenfalls via Livestream digital statt. Dass parallel in Berlin bei einer Demonstration Kulturschaffende und Vertreter der Veranstaltungsbranche auf die für sie besonders hohen Belastungen durch die Coronakrise aufmerksam machten, wurde ebenfalls thematisiert.