„Die Bundesregierung plant nicht, der Klage Tschechiens beizutreten.“ Dies teilt das Umweltministerium auf eine Nachfrage der OBM-Zeitung bei der Bundesregierung hinsichtlich des Streits um den Tagebau Turow mit. Polen möchte den Tagebau erweitern. Sowohl die deutsche Stadt Zittau als auch die tschechische Region Liberec haben darüber Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Die Tschechische Republik zieht diesbezüglich sogar vor den Europäischen Gerichtshof. Der Bund hätte bis heute Zeit, sich als sogenannter Streithelfer der tschechischen Klage anzuschließen.
Hilfe für Tschechien gegen Polen wäre „harter Schritt unter Nachbarn“
In dem Streit geht es um die möglichen Auswirkungen des Braunkohleabbaus auf die Region. Nach Lesart der Stadt Zittau sind wichtige Beteiligungs- und Abwägungsprozesse – konkret die Umweltverträglichkeitsprüfung – von polnischer Seite nicht oder nur unzureichend durchgeführt worden. Daher forderte OBM Thomas Zenker die polnische Seite dazu auf, entsprechend nachzusteuern, und bat die Bundesregierung und den Freistaat Sachsen diesbezüglich um Hilfe.
„Die Bundesregierung hat ein großes Interesse daran, dass im Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten alle Seiten die völkerrechtlichen Regeln und auch die umweltrelevanten EU-rechtlichen Vorgaben einhalten“, heißt es dazu nun aus dem Umweltministerium. Dies diene dem Schutz der Menschen in den Grenzregionen vor schädlichen Umweltauswirkungen. „Dafür setzen wir uns im direkten Austausch mit unseren Nachbarn immer wieder ein, auch in diesem Fall.“
Allerdings sei Frage nach der Umweltverträglichkeit im Fall Turow „bereits Gegenstand eines von der EU-Kommission betriebenen Vertragsverletzungsverfahrens“, so der Ministeriumssprecher gegenüber der OBM-Zeitung. Dabei gelte es zu beachten, „dass eine Klage oder Streithilfe gegen einen anderen EU-Mitgliedstaat als ausgesprochen harter Schritt unter Nachbarn gilt und daher nur höchst selten in Betracht kommt“. Daher plane man nicht, im Kontext der tschechischen Klage aktiv zu werden.
Umweltverträglichkeitsprüfung im Fall Turow: „unvollständige Unterlagen“
Das Bundesministerium weist außerdem darauf hin, dass auf deutscher Seite die Zuständigkeit für grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfungen jeweils die Behörde hat, die für ein gleichartiges Vorhaben in Deutschland zuständig wäre. Im Fall Turow sind dies sächsische Landesbehörden.
Von dort habe es Stellungnahmen und Einwendungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben, etwa hinsichtlich der Auswirkungen auf Grundwasser, Hydrologie und Trinkwasserversorgung oder „zu den fehlenden Aussagen zur Planung der Dichtwände“, so der Ministeriumssprecher. Darin sei auch formuliert worden, „dass die Unterlagen unvollständig sind und die Auswirkungen nicht abschließend beurteilt werden können“.
Bedenken „in bilateralen Gesprächen“ mit Polen formuliert
Das Bundesumweltministerium habe „die Bedenken der deutschen Seite gegenüber Polen unter anderem in bilateralen Gesprächen und im Rahmen der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder deutlich gemacht“.
Auf Nachfrage der OBM-Zeitung beim Freistaat Sachsen gibt auch das Land an, in der Sache derzeit nicht weiter aktiv werden zu wollen.