Mike Schubert, OBM der Stadt Potsdam, und Leoluca Orlando, OBM von Palermo, haben am Wochenende hinsichtlich der europäischen Migrationspolitik ein internationales Netzwerk der Städte angelegt. Um Kommunen und Zivilgesellschaft miteinander zu vernetzen, fand am 25. und 26. Juni die hybride Konferenz „From the Sea to the City – eine Konferenz der Städte für ein einladendes Europa“ in Palermo statt. Im Zuge der Veranstaltung wurde das Statement zu „Safe Harbours in Europe“ verabschiedet.
Neues Städtenetzwerk „International Alliance of Safe Harbours“
Schubert und Orlando gelten als dessen Architekten. Die Erklärung richtet sich an die nationalen Regierungen sowie die europäische Ebene. Sie formuliert Forderungen hinsichtlich der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik. Mit ihr wurde das Städtenetzwerk „International Alliance of Safe Harbours“ ins Leben gerufen. Darin vernetzen sich auf europäischer Ebene Städte im Sinne „Sicherer Häfen“. Das neue Netzwerk haben 33 Städte aus sieben Ländern gegründet.
Zu den wesentlichen Forderungen der Erklärung zählen laut Potsdamer Pressemitteilung die Wahrung des Rechts auf Asyl in jedem europäischen Staat, Aufnahmekontingente für die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen in den Kommunen, eine direkte Finanzierung der Aufnahme in den Städten durch die Europäische Union an die Kommunen, legale Einwanderungswege für eine pragmatische Einwanderungspolitik sowie eine gerechte Lastenverteilung zwischen den Staaten der EU. Der Text der Erklärung ist hier zu finden.
Multilevel-Governance: Kommunen als wichtige Akteure
Ein Streitpunkt in Deutschland zwischen Städten und dem Bund war zuletzt die freiwillige Bereitschaft von Kommunen, zusätzlich Flüchtlinge aufzunehmen. Dies wurde von der Bundesregierung per se nicht zugelassen. „Mit dem neuen Netzwerk der Städte, das als Teil des Verteilungsmechanismus in Europa anerkannt werden sollte, wollen wir für eine zügige Entlastung der Städte entlang des Mittelmeers sorgen“, sagt Schubert.
Darüber hinaus zielt die Erklärung auf eine Entkriminalisierung von Flüchtlingen und ihren Helfern ab. Eine Gesetzgebung, die in erster Linie auf Abschreckung setze, sei nicht vereinbar mit den humanitären Werten Europas und stelle Menschen auf der Flucht unter Generalverdacht, heißt es in der Erklärung. Hinsichtlich der Migration bedürfe eines Systemwechsels in Europa. Zudem plädiert die Erklärung im Sinne der Multilevel-Governance dafür, die kommunale Ebene in wichtige, sie betreffende Entscheidungen stärker einzubeziehen.
Schubert: Signal für „solidarisches und humanes Europa“
Die Basiserklärung wird von folgenden Städten getragen: Palermo, Amsterdam, Athen, Barcelona, Marseille, Villeurbanne, Bergamo, Lampedusa, Pozzallo, Reggio Calabria und Tirana. Aus Deutschland haben die Städte Potsdam, Trier, Kiel, München, Heidelberg, Gütersloh, Rottenburg, Flensburg, Göttingen, Braunschweig, Greifswald, Mannheim, Leipzig, Northeim, Dormagen, Münster, Jülich, Bonn, Marburg, Dortmund, Darmstadt und Würzburg unterschrieben. Potsdam koordiniert das anstehende erste Arbeitstreffen der Allianz.
Die Erklärung und die Gründung des Netzwerks seien ein „Signal für Europa“, sagt Schubert. Beides stehe für ein „solidarisches und humanes Europa“, so der Oberbürgermeister. „Der moralische Pragmatismus, also Schwächere zu unterstützen und Solidarität zu leben, ist klar als Bollwerk gegen die populistische Rechte und die Nationalisten mit ihrem identitären, ethnisch oder sogar rassisch aufgeladenen völkischen Duktus vom Europa der Völker zu verstehen.“
Städtediplomatie für die Situation von Flüchtlingen in Europa
Auch OBM Markus Lewe aus Münster unterstützt die Initiative. „Wir wollen als Kommunen in Europa Hand in Hand daran arbeiten, geflüchteten Menschen in Notsituationen schneller, direkter und unbürokratischer helfen zu können“, fasst Lewe die Intention zusammen.
Er beschreibt die Erklärung als ein Stück Städtediplomatie: Sie sei eine Botschaft an europäische Institutionen, an andere Städte und an die Zivilgesellschaft im Namen der europäischen Bürgermeister, die sich für eine aktivere Rolle der Städte in der europäischen Migrationspolitik einsetzen. Städte hätten Platz für Schutzsuchende, aber keinen Sitz am Verhandlungstisch – das mahnten die unterzeichnenden Bürgermeister an.
Potsdam als koordinierende Kraft der „Sicheren Häfen“
Potsdam hat sich nach einem Beschluss des Lokalparlaments im Dezember 2018 zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Die Stadt war im Sommer 2019 gemeinsam mit zwölf anderen Kommunen ein Gründungsmitglied des Bündnisses „Städte Sicherer Häfen“. Dem haben sich mittlerweile 88 Kommunen angeschlossen, Potsdam koordiniert das Bündnis.
Mehr als 230 Kommunen haben sich bislang außerdem zum „Sicheren Hafen“ und damit solidarisch mit der „Initiative Seebrücke“ und der zivilen Seenotrettung erklärt.