Der Einbezug der Kommunen in die Pläne, mit denen EU-Mitgliedsstaaten europäische Coronamilliarden abrufen wollen, bleibt ein Kritikpunkt.

Auch in Deutschland erweist sich die Beteiligung der kommunalen Ebene am Aufbau- und Resilienzplan (Recovery and Resilience Plan, RRP) als fraglich. Dies ergibt eine Nachfrage der OBM-Zeitung bei den kommunalen Spitzenverbänden vom 11. März. Darauf geantwortet haben bislang der Deutsche Landkreistag sowie der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Zuletzt hatte das europäische Städtenetzwerk Eurocities darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Städte in den meisten Ländern Europas bei der Aufstellung der nationalen Wiederaufbaupläne nicht adäquat berücksichtigt fühlen. Derweil sieht die Bundesregierung die Belange der Kommunen in ihrem RRP berücksichtigt.

[Update vom 8. April: Helmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, ordnet das Thema aus Sicht des Städtetags hier in einem Gastbeitrag ein.]

Städte wollen Wiederaufbaupläne mitgestalten

Für die Verteilung der europäischen Coronahilfen an die EU-Mitgliedsstaaten sind die nationalen Pläne grundlegend. Diese müssen bis Ende April bei der Europäischen Kommission eingereicht sein. Die Pläne erklären, wofür die Länder die Mittel verwenden wollen. Das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ umfasst ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Neben der Krisenbewältigung sollen die Mittel auch der gesellschaftlichen Transformation und der Umsetzung der EU-Nachhaltigkeitsziele dienen.

Bereits im vergangenen Jahr forderten 16 deutsche Großstädte von der Bundesregierung einen stärkeren Einbezug in die Entwicklung des nationalen RRP. Mittlerweile liegt der deutsche RRP im Entwurf vor. Die Kritik, dass bei der Arbeit daran die kommunale Ebene, auf der sich wichtige Weichenstellungen für die Zukunft konkret auswirken, nicht aktiv eingebunden worden sei, herrscht offenbar weiterhin vor, wie Sprecher kommunaler Spitzenverbände der OBM-Zeitung mitteilen.

DStGB: „Einbindung der Städte und Gemeinden unerlässlich“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) begrüßt grundsätzlich das europäische Aufbauprogramm zur Bewältigung der Coronakrise. „Die thematischen Schwerpunkte des im Entwurf befindlichen Deutschen Aufbau- und Resilienzplans setzen zwar die richtigen Akzente“, teilt ein DStGB-Sprecher mit. Aber: „Es bedarf jedoch einer stärkeren Berücksichtigung der kommunalen Ebene.“

Etwa müsse sichergestellt sein, dass die Mittel für den Klimaschutz in wesentlichen Teilen auch für kommunale Maßnahmen zur Verfügung stehen. „Eine formale Anhörung der kommunalen Ebene fand im Rahmen der Erstellung des Plans bislang nicht statt. Die Einbindung der Städte und Gemeinden ist für die Umsetzung einer erfolgreichen Strukturpolitik jedoch unerlässlich“, heißt es vom DStGB.

Landkreistag: RRP dient „bereits beschlossenen Maßnahmen“

In ähnlichem Tenor antwortet der Deutsche Landkreistag. Bislang habe „keine Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände“ hinsichtlich des deutschen RRP stattgefunden. „Wir stellen fest, dass ein wesentlicher Teil der Mittel zur Umsetzung oder Ergänzung bereits beschlossener Maßnahmen vorgesehen wird und die Mittel in vielen Bereichen der kommunalen Ebene zumindest nicht unmittelbar zugutekommen dürften.“

Der Landkreistag drängt auf eine Einbeziehung der Kommunen in die Erstellung des Plans. Das Europabüro des Landkreistags habe sich „gegenüber der Kommission dafür ausgesprochen, dass diese die Bundesregierung im Rahmen der anstehenden Beratungen zu einer Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände auffordert“.

Finanzministerium: „Belange der Kommunen einbezogen“

Eine Nachfrage der OBM-Zeitung bei der Bundesregierung verweist das Bundespresseamt ans Bundesfinanzministerium. Der Schwerpunkt des deutschen RRP liege „auf der Bewältigung der beiden großen Herausforderungen unserer Zeit, dem Klimawandel und der digitalen Transformation“, teilt ein Ministeriumssprecher mit. Der online abrufbare Entwurf des Deutschen Aufbau- und Resilienzplans sehe dafür „erhebliche Mittel“ vor und gehe dabei „sogar noch deutlich über die europäischen Vorgaben hinaus“.

In die Entwicklung des Plans seien unter anderem die Bundesländer einbezogen worden. Wo deren Zuständigkeit berührt sei, erfolge „eine inhaltliche Abstimmung sowohl bei der Projektentwicklung als auch bei der Umsetzung der im Plan genannten Maßnahmen“, so der Ministeriumssprecher. „In vielen Einzelprojekten“ finde „eine Abstimmung der Maßnahmen mit den Kommunen“ statt. Insofern seien „die Belange der Kommunen bei der Gestaltung des Plans einbezogen“.

Die Kritik, dass im deutschen Plan Maßnahmen enthalten sein könnten, die ohnehin beschlossen waren, weist das Ministerium zurück. Deutschland habe „sehr früh“, bereits im Juni 2020, sein Konjunktur- und Zukunftspaket vorgestellt. Dass es „zu inhaltlichen Überschneidungen mit dem EU-Aufbauplan“ kommen könnte, sei klar gewesen. Zudem fördere die europäische Aufbau- und Resilienzfaszilität ausdrücklich Maßnahmen und Vorhaben ab Februar 2020.

Bundesverfassungsgericht stoppt Ratifizierungsprozess

Derweil hakt es im Ratifizierungsprozess, was das Gesetz, mit dem die Bundesrepublik dem europäischen Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ zustimmt, betrifft. Das Bundesverfassungsgericht hat am vergangenen Freitag, 26. März, angeordnet, dass der Bundespräsident das Gesetz vorerst nicht ausfertigen darf. Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde des „Bündnisses Bürgerwille“ gegen den Eigenmittelbeschluss der EU.

Das Bündnis um Sprecher Bernd Lucke bezweifelt die Finanzierung des EU-Wiederaufbauprogramms gegen die Coronakrise. Dabei greift es insbesondere die geplante Schuldenaufnahme durch die EU als „eine Art Eurobonds, für die Deutschland gesamtschuldnerisch haften würde“ an. Die Schuldenfinanzierung sei ein „krasser Vertragsbruch“, heißt es auf der Webseite des Bündnisses. Die EU sei „vertraglich verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen“. Bis zu seiner Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde hält das Gericht den Ratifizierungsprozess an. Bundestag und Bundesrat hatten dem Gesetz kurz zuvor schon zugestimmt.

[Update vom 26. April: Das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag des Bündnisses zurückgewiesen. Dies teilte das Gericht am Mittwoch, 21. April, mit. „Zwar ist der gegen das deutsche Zustimmungsgesetz gerichtete Antrag im Hauptsacheverfahren weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet“, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. Doch bei „summarischer Prüfung“ lasse sich „eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Verstoß“ gegen das Grundgesetz nicht feststellen. „Die deshalb gebotene Folgenabwägung“ falle zugunsten des Gesetzes aus, urteilt das Gericht, „weil die Nachteile, die sich ergeben, wenn die einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, sich das ERatG später jedoch als verfassungswidrig erweisen sollte, weniger schwer wiegen als die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde sich später jedoch als unbegründet herausstellen sollte“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Freitag, 23. April, das Gesetz, mit dem die Bundesrepublik dem europäischen Wiederaufbauprogramm „Next Generation EU“ zustimmt, ausgefertigt. Damit steht seinem Inkrafttreten nichts mehr im Weg.]

Entwurf des deutschen RRP online abrufbar

Der Entwurf des deutschen Wiederaufbauplans ist hier online abrufbar: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_E/2020-12-16-deutscher-aufbau-und-resilienzplan/1-Regierungsentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=2.

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