Der Brexit sorgt auch auf der kommunalen Ebene für Belastungen. Aber die Städtediplomatie kann Verbindendes erhalten. Von Helmut Dedy.

Aus Begegnung entsteht Verständnis – dieser Kern der europäischen Idee lebt auch nach dem Brexit weiter. Die Städte in Deutschland halten an den gewachsenen Beziehungen zu ihren britischen Partnerstädten fest. Nach dem Brexit kommt es mehr denn je darauf an, das friedliche Miteinander der Menschen zu fördern: durch weiteren Austausch von Experten aus Verwaltungen oder Ehrenamtlichen aus Kommunalparlamenten, mit offiziellen Delegationsreisen, Schüleraustauschen, gemeinsamen Sportveranstaltungen, durch die Zusammenarbeit im Kunst- und Kulturbereich oder in der Wissenschaft.

Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union verändert die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich sehr. Umso wichtiger aber wird das Engagement für weiterhin starke Partnerschaften zwischen den Städten beider Länder.

Die Folgen des Brexits für die Städte und Städtepartnerschaften

Seit dem 1. Januar 2021 ist Großbritannien nun kein Mitglied der Europäischen Union mehr. Für alle überzeugten Europäer ist dies eine traurige Wegmarke. Die europäischen Verträge und Abkommen, Gesetze und Förderprogramme gelten nicht mehr für das Vereinigte Königreich. Die Einigung auf ein gemeinsames Abkommen, das schließlich nach endlosem Ringen am 24. Dezember 2020 zustande kam, ist deshalb von großer Bedeutung. Das Abkommen ermöglicht eine neue Form der Zusammenarbeit und federt die erheblichen Folgen des Brexits für Wirtschaft und Gesellschaft etwas ab.

Die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich sind mit dem Austritt der Briten dennoch belastet. Das betrifft nicht zuletzt auch die Kommunen stark. Etwa 420 Städtepartnerschaften werden zwischen deutschen und britischen Kommunen gepflegt, die ältesten bereits seit 1947.

Etwa 420 Städtepartnerschaften mit britischen Kommunen

Durch die Städtepartnerschaften kommen Bürger beider Länder direkt und unkompliziert in Kontakt. In den Partnerschaften können die Menschen sich kennenlernen, austauschen und Freundschaften schließen. Hier wird die europäische Idee mit Leben gefüllt und weiterentwickelt. In den Städtepartnerschaften engagieren sich die Menschen für eine gemeinsame Zukunft – hier schlägt das Herz der europäischen Gemeinschaft.

Die Städte in Deutschland und Großbritannien sind auch im Bereich der Kunst, der Kultur und dem Breiten- und Profisport eng miteinander verbunden. Der rege Austausch von Künstlern, Kunstproduktionen und -werken prägt die Kunst- und Kulturlandschaft wechselseitig. Die freie künstlerische Entfaltung ist jedoch besonders stark auf die Freizügigkeit der Kunst- und Kulturschaffenden angewiesen.

Brexit schafft neue Hürden für deutsch-britischen Austausch

Der Brexit droht, das freie Wirken in diesen Bereichen zukünftig erheblich einzuschränken und den Austausch zu erschweren. Nach wie vor sind viele Fragen unbeantwortet. Ausländerrechtliche Fragen müssen ebenso neu geklärt werden wie steuerliche Regelungen. In vielen Bereichen sind steigende Kosten und ein größerer Verwaltungsaufwand bereits zu erkennen. Das betrifft etwa den Transport- und Leihverkehr zwischen Museen und wird auch den bisher regen Austausch der Zoos und botanischen Gärten treffen.

Einige Hürden konnten durch das vorläufig geltende Handelsabkommen verhindert werden. Andere Hindernisse für die kommunale Zusammenarbeit zeichnen sich aber schon ab. Gravierend wird sein, dass europäische Förderprogramme zukünftig wegfallen. Das wird nicht nur die Finanzierung städtepartnerschaftlicher Begegnungen erheblich erschweren. Ohne etwa die Förderung des Erasmus-Programms werden es junge Erwachsene aus finanzschwachen Familien viel schwerer haben, an Austauschprogrammen teilzunehmen. Die nun geltende Reisepasspflicht erschwert die Einreise und damit den deutsch-britischen Austausch zusätzlich.

Zuversicht trotz Brexit: Die Stunde der Städtediplomatie

Aber ich bin zuversichtlich. Trotz der neuen Regelungen werden die Partnerschaften zwischen britischen und deutschen Kommunen nicht abreißen. Die Städte werden weiter miteinander kooperieren und Freundschaften und Kontakte pflegen. Der Wille zu einem beständigen Austausch und zu gemeinsamen Aktivitäten ist auf beiden Seiten stark.

Wenn die Beziehungen auf nationaler Ebene schwierig werden, schlägt die Stunde städtischer Diplomatie (urban diplomacy). In den fast 1.500 Seiten des Handels- und Kooperationsabkommens spielt die lokale Ebene kaum eine Rolle. In zukünftigen Verhandlungen darüber, wie gegenseitige Beziehungen zukünftig ausgestaltet sein sollen, müssen die Städte daher stärker beteiligt und ihre Expertise gehört werden. Vor Ort werden Beziehungen gelebt, hier prägen sich Partnerschaften, und hier zeigt sich, was für ein britisch-deutsches Miteinander wichtig ist.

Mit dem Brexit haben sich die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und den Ländern der Europäischen Union schon jetzt stark verändert. Die Verbundenheit der Menschen aber wird bleiben und sich weiterentwickeln. Denn auch wenn Großbritannien und die Länder der Europäische Union in vielen Bereichen unterschiedliche Wege einschlagen, wünschen sich viele Menschen, dass die partnerschaftlichen Beziehungen fortbestehen.

Städte als Vorreiter für Europa: Hier lebt die europäische Idee

Die Städte in Deutschland werden diese Partnerschaften weiterhin aktiv gestalten und so die Freundschaft zwischen den Kommunen und den Menschen beider Länder stärken. Seit der Gründung erster Städtepartnerschaften in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg beweisen die Städte, dass sie eine Vorreiterrolle einnehmen, wenn es darum geht zu versöhnen, Konflikte zu überwinden und das Miteinander zu stärken.

Durch Austausch und Verständigung im Kleinen schaffen sie Frieden im Großen. In den Städten lebt die europäische Idee eines gemeinsamen Europas. Gegen diese Idee wendet sich der Brexit. Und dennoch kann die Zukunft Europas eine gemeinsame Zukunft sein. Dafür brauchen wir die Partnerschaften zwischen britischen und europäischen Städten mehr denn je.

Der Autor

Helmut Dedy ist Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.

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