Die Ereignisse im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sorgen für bewegte Reaktionen unter deutschen Bürgermeistern. Die Stadtoberhäupter weisen das Bundesinnenministerium abermals auf die prekäre Lage der Flüchtlinge in Griechenland hin und untermauern die Ziele der Initiative „Seebrücke“, denen sich zahlreiche Städte verschrieben haben. Einige Städte erklären sich bereit, Flüchtlinge aufzunehmen – und bieten auch freiwillig zusätzliche Kapazitäten an, die über die offiziellen Zuweisungszahlen hinausgehen.
Stuttgart fordert Innenministerium zum Handeln auf
Das griechische Flüchtlingslager wurde durch einen Brand fast vollständig zerstört. „Nach allem was wir über die Brände und die Situation der Flüchtlinge wissen, herrscht auf Lesbos höchste Not. Ich fordere daher den Bundesinnenminister auf, den Menschen schnell und unmittelbar zu helfen“, appelliert Oberbürgermeister Fritz Kuhn aus Stuttgart an Minister Horst Seehofer. „Auch Stuttgart wird sich daran beteiligen, wenn der Bund angesichts der verheerenden Lage auf Lesbos Flüchtlinge von der Insel rettet und nach Deutschland holt.“
Berlin übt als Land Druck aufs Innenministerium aus

Michael Müller (Quelle: Senatskanzlei Berlin/Lena Giovanazzi)
Michael Müller, der Regierende Bürgermeister aus Berlin, zeigt sich angesichts der Ereignisse in Griechenland „zutiefst erschüttert“. Er spricht von einer „humanitären Katastrophe, vor der niemand länger die Augen verschließen darf“. Das Land Berlin habe stets auf die eigene Bereitschaft, Geflüchtete aufzunehmen, hingewiesen. „Es ist für mich unverständlich, wieso der Bund es den Städten, die sich dazu bereit erklärt haben, nicht möglich macht, schnelle und solidarische Hilfe zu leisten.“ Müller bezeichnet es als „unsere Pflicht, Menschen in Not zu helfen“.
Das Land Berlin habe ein eigenes Landesaufnahmeprogramm auflegen wollen, dies habe der Bund allerdings untersagt. Müller: „Wir stehen weiter bereit und werden in der kommenden Woche erneut eine Bundesratsinitiative auf den Weg bringen, damit wir für ein eigenes Landesaufnahmeprogramm nicht mehr die Zustimmung des Innenministeriums benötigen.“
Münster fordert europäische Solidarität ein

OBM Markus Lewe (Quelle: Stadt Münster/Britta Roski)
OBM Markus Lewe aus Münster appelliert an die europäische Solidarität. „Wenn wir Europa ernst nehmen, können wir nicht so tun, als ginge uns das alles nichts an.“ Lewe erneuert das Angebot der Stadt Münster, Geflüchtete in Not auch über die landesweite Verteilquote für die Aufnahme Schutzsuchender hinaus aufzunehmen. Lewe: „Unser entsprechendes Angebot an den Bund und das Land gilt. Wir stehen bereit.“
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei bekannt, „dass die Flüchtlingssituation für den griechischen Staat ohnehin schon eine große Herausforderung ist“, so Lewe. „Da die Lage sich mit dem Großbrand jetzt erneut zuspitzt, ist mit unkontrollierten Wanderbewegungen zahlreicher Menschen in desolaten Lebenssituationen zu rechnen, die dringend Hilfe brauchen.“
Marburg fordert schnelle Lösung vom Bund und Land

OBM Thomas Spies aus Marburg (Quelle: Stadt Marburg)
Für OBM Thomas Spies aus Marburg sind die „schrecklichen Bilder von dem Brand in Moria“ eine „humanitäre Katastrophe und eine Schande für den Friedensnobelpreisträger EU“. Die Stadt sei weiterhin dazu bereit, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Bereits 2018 hatte die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, 200 Geflüchtete von den griechischen Inseln zusätzlich aufzunehmen. Spies: „Es ist an den Verantwortlichen von Bund und Land, schneller eine Lösung zu finden, als der Winter in Lesbos ankommt! Wir sind bereit, dazu unseren Beitrag zu leisten.“
Generell trete Marburg als Gründungsmitglied des Bündnisses „Städte Sichere Häfen“ für eine gemeinsame bundesdeutsche und europäische Lösung ein, die es Kommunen erlauben würde, die zugewiesenen und darüber hinaus zusätzliche Aufnahmen zu finanzieren. „Wir würden in Marburg mehr Geflüchtete aufnehmen, denn hier gibt es eine breite ehrenamtliche Unterstützung und ein positives, offenes Klima in der Stadt“ sagt Spies.
Stimmen aus Landau, Tübingen und Freiburg
Weitere Wortmeldungen kommen unter anderem aus Landau, Tübingen und Freiburg. Angesichts der Evakuierung von 12.000 Menschen in Griechenland erinnert OBM Thomas Hirsch aus Landau an die ohnehin prekäre Situation der Flüchtlinge in griechischen Lagern. Er verweist auf den Aufruf der Initiative Seebrücke und des Bündnisses Städte Sicherer Häfen, die sich seit Monaten für die Aufnahme von Flüchtlingen bereit zeigen. Diesbezüglich sei nun eine besondere Dringlichkeit geboten.
Auch die Stadt Freiburg schließt sich als Teil des Bündnisses Sicherer Häfen dem Appell an. „Ich appelliere an die Bundesregierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Verteilung der Flüchtlinge in Europa zu lösen“, sagt OBM Martin Horn.
„Wir haben nach einem Jahr fast ohne neue Zugänge sowohl personell als auch von der Unterbringung die Möglichkeit, Griechenland schnell zu helfen, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“, sagt OBM Boris Palmer aus Tübingen. „Die Entscheidung liegt beim Bund. Ich schließe mich Winfried Kretschmanns heutigem Appell an. Es wäre uneingeschränkt zu begrüßen, wenn die Bundesregierung jetzt ihr Aufnahmekontingent weiter aufstockt, um möglichst vielen Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern zu helfen.“