Der Neustart der transatlantischen Beziehungen wird nur gelingen, wenn die Städte involviert sind. Von Thomas Westphal und William Peduto

Internationale Kooperationen und vertrauensvolle Zusammenarbeit sind die Eckpfeiler, um die Grundwerte unserer Demokratie zu verteidigen und für anstehende Herausforderungen gerüstet zu sein.

Kooperation von Städten bei gemeinsamen Herausforderungen

Dortmund und Pittsburgh sind zwei „Post-Industrial-Cities“, die ähnliche und tiefgreifende Veränderungen erlebt haben. Beide Städte lagen in den 1980er und 1990er Jahren tief am Boden, nachdem sie durch den Strukturwandel, den Verlust von Prosperität und den Niedergang der Kohle- und Stahlproduktion getroffen worden waren, was zu einem Höchststand der Arbeitslosigkeit mit 18,2 Prozent in beiden Städten führte.

Heute liegt die Arbeitslosenquote bei 11,5 Prozent in Dortmund und 6,3 Prozent in Pittsburgh. Wir müssen diese rückgängige Entwicklung fortsetzen, trotz der Herausforderungen durch zusätzliche Arbeitslosigkeit und den Verlust der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit, die die Pandemie mit sich bringt. Die Herausforderungen, denen wir uns in den letzten Jahren stellen mussten und die heute nichts an Bedeutung verloren haben, können wir nur über Kooperation und Zusammenarbeit lösen, um voranzukommen.

Zusammenarbeit auf lokaler Ebene als verbindendes Element

Die Amtseinführung von Joseph Biden zum 46. Präsident der USA gibt Hoffnung, dass Spaltung, antidemokratische Tendenzen und Demagogie nicht weiter Nährboden für das Auseinanderdriften von Gesellschaften sind. Die neue US-Administration und die demokratischen Mehrheiten im US-Senat und Abgeordnetenhaus werden sich intensiv mit dieser Spaltung der amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Diese Spaltung ist auch in Deutschland und Europa zu spüren, denn der Stachel des Frustes und der Aggression steckt tief in Teilen der Gesellschaft. Dieser Stachel, den die Nationen spüren, muss entfernt werden, und die Herausforderungen, die wir national und global erleben, lassen sich oft am besten durch ein breites Engagement, weitsichtige Politik und Zusammenarbeit auf lokaler Ebene lösen.

Die Kommunalpolitik im Brennglas globaler Trends

Als Vertreter von Kommunen haben wir sowohl die Möglichkeit als auch die Verantwortung, direkt mit den Bewohnern unserer Städte zusammenzuarbeiten, um ihnen zuzuhören, sie zu verstehen und integrative Strategien zu entwickeln, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Unsere Bürger befinden sich in einem kritischen globalen Moment der Not und möchten direkt von ihren lokalen Vertretern in städtischen und ländlichen Gemeinden angesprochen werden.

Kommunalpolitik bietet die Möglichkeit, sich direkt einzubringen und Handlungen der Stadtspitzen zu bewerten, was für Bürgermeister ein Fluch und ein Segen zugleich sein kann. Uns verbinden die ähnlichen Herausforderungen, denen wir täglich in den Städten rund um den Globus begegnen, um unsere Gesellschaften immer weiter zu entwickeln: Pandemiebekämpfung, Migration, Digitalisierung, Mobilitätswende, Arbeitslosigkeit, Strukturwandel und Klimaschutz. Eine Liste, die sich beliebig erweitern ließe.

Zwischen Globalem und Lokalem: OBM als „Glokalisten“

Die lokale Ebene als Stabilisator globaler Verbindungen: Darauf weist Glokalist OBM William Peduto hin. (Quelle: Stadt Pittsburgh)

Die lokale Ebene als Stabilisator globaler Verbindungen: Darauf weist Glokalist OBM William Peduto hin. (Quelle: Stadt Pittsburgh)

Oberbürgermeister tauschen sich dazu weltweit aus. Sie adaptieren Ideen, probieren aus, setzen um und stellen ihre Arbeit permanent auf den Prüfstand. Eine Rückmeldung seitens der Stadtbevölkerung wird uns unmittelbar vermittelt – das kann auch beim Verlassen des Büros direkt vor der Rathaustür sein.

Oberbürgermeister weltweit haben langjährige Kontakte untereinander, da sie ein Geist des „Vor-Ort-Machens“ verbindet. Die Verbindung von Städten untereinander bleibt bestehen, wenn die Kommunikation zwischen zwei Staaten abreißt. Sie ist belastbar, gerade wenn demokratische Grundwerte mit Füßen getreten werden.

Die Städtediplomatie schafft belastbare Strukturen

Wenn das transatlantische Verhältnis wieder auf festen Füßen stehen soll, muss die US-amerikanische und deutsche Außenpolitik sich unter Zuhilfenahme der Städte ein weiteres Instrument in den Werkzeugkoffer der Diplomatie legen: die globale Städtediplomatie. Sie wird für die künftige Transformation und Ausrichtung der Außenpolitik unverzichtbar sein.

Die Regierungen beider Länder müssen daher umgehend die Chance nutzen, auf belastbare Strukturen der Städte und Netzwerke in den USA und Deutschland zurückzugreifen. Über die über 200 Städtepartnerschaften zwischen Deutschland und den USA hinaus, bedeutet die Zusammenarbeit auch die Einbindung all der vielzähligen gemeinsamen Projekte zwischen Städten im Bereich der Wirtschaft und der Wissenschaft, der Bildung, des Sport und der Kultur – und zwar immer mit einer Priorisierung der globalen Herausforderungen, die die Lokalregierungen weltweit miteinander verbinden.

Ein neues deutsch-amerikanisches Oberbürgermeisterforum

OBM Thomas Westphal aus Dortmund (Quelle: Stadt Dortmund)

Regt ein deutsch-amerikanisches Oberbürgermeisterforum zum transatlantischen Austausch an: Glokalist OBM Thomas Westphal aus Dortmund. (Quelle: Stadt Dortmund)

Wir sollten die Chance in diesem Jahr nutzen, ein dauerhaftes Format zu entwickeln, Oberhäupter der Städte in den politischen Prozess gemeinsam mit den Regierungen beider Länder zu integrieren: ein Deutsch-Amerikanisches Oberbürgermeisterforum, das sich den Themen Pandemiebekämpfung, nachhaltige Stadtentwicklung, wirtschaftliche Entwicklung und Klimaschutz widmet. Es ist besonders nützlich, da die USA dem Pariser Klimaabkommen wieder beigetreten sind und wir uns dringend mit Fragen zur Vorbereitung der Weltklimakonferenz im November in Glasgow 2021 befassen müssen.

Internationale Kooperationen sind wichtiger denn je, und wenn es eine Chance zur Reform der vor über 75 Jahren gegründeten Vereinten Nationen geben soll, kann diese nur mit den Städten gemeinsam ergriffen werden. Auch die Verwaltungsebene in Dortmund und Pittsburgh hat bereits personelle Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Zukunft der Städtediplomatie ergriffen: Wir haben Resilienzmanager installiert, Chief Innovation und Information Offices aufgebaut und unsere Teams für internationale Beziehungen erweitert.

Die Stärke der Städte muss die der Nationen sein

Pittsburgh und Dortmund verbindet eine Mentalität, um immer wieder gut aus Krisen herauszukommen. Wir gehen Herausforderungen an, wir sind pragmatisch, und wir beziehen unsere Historie und unser Erbe bewusst in die zukünftige, nachhaltige Stadtentwicklung ein. Das alles machen wir gemeinsam mit den Menschen. Wir sind Städte der Vielfalt, der Zuwanderung und der Demokratie. Wir wollen, dass Vielfalt gedeiht. Wir sind beide Städte der Nachbarschaften und Nachbarn – wir kennen einander in der Stadt, wir vertrauen uns, wir helfen uns. Wir sind solidarisch. Das ist die Stärke von Städten, und das muss auch die von Nationen sein.

Heute sind wir starke Wissenschaftsstandorte mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, lebendigen Startup-Szenen und Weltmarktführern aus verschiedenen Branchen und Expertisen in Zukunftstechnologien. Die Menschen kommen gerne zu uns und sind von der Lebensqualität in unseren Städten überzeugt.

Wir sind daher in der Pflicht, den Weg der Stärkung von Diplomatie, der Freundschaft und der Nachbarschaft über den Atlantik zu gehen. Gemeinsam bewahren wir den Gedanken der Demokratie. Wir sind internationale Großstädte der Nachbarn.

Die Autoren

Thomas Westphal ist seit 2020 OBM der Stadt Dortmund.
William Peduto ist seit 2014 OBM der Stadt Pittsburgh, USA.

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