In die deutsche G7-Präsidentschaft bringen sich die Städte der sieben Industrienationen ein. OBM Kurz spricht über die Ziele der „Urban 7“.

Im Kontext der G7 formiert sich ein Städtebündnis – die U7, Urban7. Während der deutschen G7-Präsidentschaft in diesem Jahr möchte das Städtebündnis die urbane Perspektive in den G7-Prozess einbringen. Motoren dafür sind der Deutsche Städtetag, das Global Parliament of Mayors und das Nachhaltigkeitsnetzwerk ICLEI. Anfang Mai kommen die U7 zum sogenannten Urban Summit zusammen. Peter Kurz, Oberbürgermeister von Mannheim, ist aus Sicht des Städtetags und als Vorsitzender des Global Parliament of Mayors ein wesentlicher Aktivposten für die Organisation der U7-Aktivitäten. Mit welchen Themen sich die U7 beschäftigen und worauf die U7-Initiative abzielt, erklärt er im Interview mit #stadtvonmorgen. Zur G7-Gruppe, den sieben großen Industrienationen, gehören Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, das Vereinigte Königreich und die USA.

U7 bringen urbane Perspektive in G7-Prozess ein

#stadtvonmorgen: Herr Dr. Kurz, warum U7 bei G7? Was hat es mit dem Format auf sich?

Peter Kurz: Das Format geht auf eine Initiative der UK Core Cities, ein Zusammenschluss der größten britischen Städte außerhalb Londons, zurück. Parallel zum G7-Gipfel im vergangenen Jahr haben sie ein U7-Treffen aus Perspektive der Städte aus den G7-Nationen organisiert. Dort haben die Städte – darunter verschiedene Akteure wie internationale Städtenetzwerke oder nationale Städteorganisationen – eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Damit einher gehen der Appell und die klare Vision, die Rolle der Städte insbesondere beim Wiederaufbau nach der Coronakrise zu stärken sowie die Zusammenarbeit zwischen der kommunalen Ebene und den G7-Nationen zu untermauern. Die Intention war, den U7-Prozess fortzusetzen. Diesen Ball haben wir aufgenommen.

#stadtvonmorgen: Was bedeutet „Wir“?

Peter Kurz: Zunächst ist – da Deutschland derzeit die G7-Präsidentschaft innehat – der Deutsche Städtetag Gastgeber der U7-Aktivitäten. Der kommunale Spitzenverband nimmt im Kontext der U7 eine ähnliche Rolle wie die Bundesregierung als Gastgeberin des G7-Prozesses ein. In diesem Zusammenhang kommt mir eine koordinierende Aufgabe zu. Gleichzeitig bin ich als Vorsitzender des Global Parliament of Mayors in die Organisation der U7-Aktivitäten eingebunden. Zudem zählt das Nachhaltigkeitsnetzwerk ICLEI zu denjenigen, die die Vorbereitungen in besonderer Weise tragen. Darüber hinaus bedeutet „Wir“ natürlich alle Akteure, internationalen Netzwerke und nationalen Städteorganisationen, die am diesjährigen U7-Treffen teilnehmen und sich in Vorbereitung darauf untereinander abstimmen. Darunter sind ausdrücklich auch Städtenetzwerke mit Bezug zum globalen Süden, um dessen Anliegen eine Stimme zu geben.

Transformative Kraft von Städten für globale Aufgaben

#stadtvonmorgen: Worauf zielen die U7 ab?

Peter Kurz: Wir haben zwei Dinge bereits erreicht. Erstens thematisiert die deutsche G7-Präsidentschaft wie keine zuvor die bedeutende Rolle der transformativen Kraft, die von den Städten ausgeht. Sie erkennt ausdrücklich die Relevanz der lokalen Ebene bei der Bewältigung großer Themen wie des Kampfs gegen den Klimawandel, der Pandemiefolgen oder der Migration an. Zweitens gibt es eine finanzielle Unterstützung für das U7-Treffen, den kommunalen Summit. Wir organisieren die Veranstaltung anknüpfend an das Treffen im vergangenen Jahr. Nicht gelungen ist, die U7 als sogenannte Engagement Group im offiziellen Teil des G7-Prozesses zu platzieren. Die Perspektive der Städte in Zukunft dauerhaft im G7-Prozess strukturell zu verankern sowie in den Kontext der G20 zu bringen, bleiben Ziele.

#stadtvonmorgen: Mit welchen Themen beschäftigen sich die U7 und der Summit?

Peter Kurz: Es ist noch nicht der Zeitpunkt, um inhaltliche Details und Ergebnisse zu verkünden. Gleichwohl zeichnen sich wesentliche Themen bereits ab. Wie erwähnt, wird es unter anderem darum gehen, Städten aus dem globalen Süden eine Stimme zu geben und die nachhaltige Stadtentwicklung als entscheidende Zukunftsfrage auf die Agenda zu setzen. Zudem stehen urbane Fragen auf der Agenda, etwa nach Demokratie und Frieden in Städten, nach der energetischen Transformation, nach lokaler Wohnraumpolitik oder nach globaler Entwicklungszusammenarbeit. Der Kontext der G7-Staaten ist dafür prädestiniert, dass darin kommunale Anliegen platziert werden. Denn die sieben großen Industrienationen stehen für Demokratie und begreifen kommunale Selbstverwaltung als wesentliches Element demokratischer Gestaltung. Beides sind zentrale Anliegen der U7. Insofern bietet sich die Interaktion von nationaler und kommunaler Ebene hier besonders an. Zeitlich ist der Summit Anfang Mai so platziert, dass er den G7-Gipfel im Juni mit den Botschaften der U7 adressieren kann.

Ukrainekonflikt dynamisiert die urbane Transformation

#stadtvonmorgen: Im Augenblick beherrscht der Ukrainekonflikt das internationale Geschehen. Welche Rolle wird er bei U7 spielen?

Peter Kurz: Der Krieg in der Ukraine wird sicher ebenfalls ein aktuelles Thema sein. Schließlich betrifft die Unterstützung der Ukraine in hohem Maße die sogenannte subnationale, also kommunale Ebene – nicht zuletzt hinsichtlich der Aufnahme von Flüchtlingen, aber beispielsweise auch bei der Organisation von Hilfstransporten. Gerade der Ukrainekonflikt macht die Relevanz der kommunalen Ebene deutlich, wenn sich etwa ukrainische Bürgermeister an die Öffentlichkeit und die Städte im Westen mit der Bitte um konkrete Unterstützung wenden. Damit artikulieren sie sich auch politisch und üben sogar auf Nationalregierungen Druck aus. Gerade die kommunale Ebene war und ist Trägerin des demokratischen Wandels und des Widerstands in der Ukraine.

#stadtvonmorgen: Nun schreibt die deutsche G7-Präsidentschaft den Städten und Gemeinden eine „transformative Kraft“ zu, die „Schlüssel“ für die Umsetzung von Nachhaltigkeits- und Klimazielen sei. Wenn sie auf Themen der urbanen Transformation blicken, von der Energiewende bis hin zur Migration, welche Effekte hat der Ukrainekonflikt darauf?

Peter Kurz: Sowohl durch die Coronakrise als auch durch den Überfall Russlands auf die Ukraine erleben wir, wie Fragestellungen, die ohnehin auf der Agenda stehen, sich noch einmal beschleunigen und an Priorität gewinnen. In den deutschen Städten geht es dabei unter anderem um die soziale Balance im Zusammenhang mit der Wohnraumsituation oder um die Transformation der Energieversorgung – sowohl aus Gründen des Klimaschutzes als auch nun geopolitisch getrieben. Beide Krisen haben dem, was konzeptionell davor bereits als Zukunftsbild beschrieben worden war – etwa in der Neuen Leipzig Charta, der Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen oder der New Urban Agenda –, in dramatischer Weise eine zusätzliche Dringlichkeit verliehen.

Ukrainekonflikt: Scheitern oder Blüte der Städtediplomatie?

#stadtvonmorgen: Sie gelten international als ein Treiber und Verfechter der Städtediplomatie. Wenn sie auf den Ukrainekrieg blicken: Müssen Sie hier nun ein Scheitern der Städtediplomatie feststellen, weil es trotz zahlreicher Mahnungen und Initiativen aus den Städten zum Krieg kam? Oder zeigt sich angesichts vieler Hilfsleistungen für die Ukraine, die über städtepartnerschaftliche Kanäle organisiert werden, gerade eine Blüte der Städtediplomatie?

Peter Kurz: Die Städtediplomatie kann nicht das ausgleichen, was insgesamt entgleist. Es gilt festzustellen, dass auf der Ebene der nationalen Politik verstärkt Bemühungen zu erkennen sind, die Städtediplomatie als Werkzeug zu nutzen und einzusetzen. Der Gedanke hat in jüngster Zeit an Dynamik gewonnen. Sicher hätte sich die Widerstandsfähigkeit und Resilienz internationaler Strukturen des Friedens stärken lassen können, wenn man diesen Gedanken schon vor längerer Zeit verfolgt und entsprechende Prozesse begonnen hätte. Die Katastrophe in der Ukraine widerlegt nicht, dass Städtediplomatie sinnvoll wäre. Im Gegenteil, sie bestärkt darin, diese Verbindungen zu stärken.

Info

Intensiv begleitet #stadtvonmorgen die Reaktionen der deutschen Städte auf den Ukrainekonflikt. Hier geht es zu den neuesten Entwicklungen aus kommunaler Perspektive.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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