Die Relevanz der internationalen Städtediplomatie steigt. Die Coronakrise ist dafür ein zusätzlicher Treiber. Die „Global City“, also die „glokale“ Stadt, die global vernetzt lokal wirkt, gewinnt im Kampf gegen den Virus zusätzlich an Gewicht. Auf der Ebene der Städte, der Global Citys, finden sich außerdem Kanäle für den Austausch über diplomatische Differenzen, die zwischen den Nationalstaaten herrschen.
Die Städte sind relevante Akteure der Coronakrise
„Die globale Herausforderung der Coronapandemie zeigt, wie wichtig der internationale Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen den Städten ist“, sagt Peter Kurz, OBM aus Mannheim und Vorsitzender des Global Parliament of Mayors. „Gleichzeitig bekräftigen Städte weltweit, dass sie wichtige Akteure der Gestaltung der internationalen Beziehungen sind.“
Bei der Pandemiebekämpfung übernähmen Städte gleich mehrere zentrale Aufgaben. Etwa spielten sie eine wichtige Rolle für die Kommunikation der Maßnahmen zur Eindämmung der Virusverbreitung. Gegenüber der Bevölkerung machten sie Strategien und Ziele transparent und sorgten so für eine breite Akzeptanz der Coronaregeln. Zudem setzten sie diese Maßnahmen vor Ort um. „Ohne kompetente Städte kann die Ausbreitung des Virus nicht wirksam bekämpft werden“, sagt Kurz.
Die „Global City“ als Link zwischen Nationalstaaten
Dabei wächst auch die diplomatische Bedeutung von Stadtverbindungen im internationalen Beziehungsgeflecht von Nationalstaaten. Sichtbar wurde dies anhand der ersten virtuellen Partnerschaftskonferenz deutscher und türkischer Städte, die in der vergangenen Woche stattfand. Für den Deutschen Städtetag leitete Präsidiumsmitglied Belit Onay, OBM aus Hannover, den Austausch von rund 20 Oberbürgermeistern aus beiden Ländern; darunter war Mannheims OBM Kurz.
Die Stadtlenker sprachen über urbane Trendthemen wie die Digitalisierung zur Smart City, Nachhaltigkeit, Mobilität sowie Aspekte der Migration in der Coronakrise. Die Beratungen der Städtepartnerschaftskonferenz hätten „viele vergleichbare Herausforderungen“ aufgezeigt, vor denen deutsche und türkische Städte stünden, so Onay. Der kommunale Austausch könne „wertvolle Beiträge liefern für die gemeinsame Umsetzung globaler Ziele zum Klimaschutz, zur nachhaltigen Stadtentwicklung oder zur Bewältigung der Coronapandemie.“
Die „Global City“ sendet Signale an die internationale Politik
Dabei sendete Onay aus Sicht der deutschen Städte zugleich ein Signal an die internationale Politik: „Dass demokratisch gewählte Stadtoberhäupter in der Türkei inhaftiert oder abgesetzt werden, sehen wir mit großer Sorge. Das steht im Widerspruch zu Grundwerten der Demokratie und Prinzipien der kommunalen Selbstverwaltung.“
Ungeachtet dessen herrsche Einigkeit darüber, eine stärkere Vernetzung der Städte anzustreben und den Jugendaustausch zu intensivieren. Auch Kurz sprach sich für ein deutsch-türkisches Städtenetzwerk aus. Dies könne etwa die türkischen Partnerkommunen bei der Aufnahme syrischer Flüchtlinge unterstützen. Der virtuellen Konferenz soll zum Ende dieses Jahres eine Präsenzveranstaltung in Istanbul folgen.
Die „Global City“ fördert kommunale Selbstverwaltung
Die sich abzeichnende stärkere Kooperation zwischen deutschen und türkischen Städten passe in den Trend sich ausdehnender globaler Handlungszirkel von Städten, sagt Kurz: „Die klassischen Städtepartnerschaften weiten sich vor allem auf zwei Felder aus.“
Erstens auf das Feld der multilateralen Zusammenarbeit von Städten in internationalen Städtenetzwerken wie dem Global Parliament of Mayors. Und zweitens auf das Feld einzelner, konkreter Projektpartnerschaften zwischen Städten wie beispielsweise im Bereich von Nachhaltigkeitsprojekten. „Beide Kooperationsarten haben ihre eigene, spezifische Aufgabenstellung und dienen doch gemeinsam dem Ziel der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“, sagt Kurz.
Die „Global City“ als Kitt der Globalisierung
Dabei werde mit diesen Ansätzen die Rolle der Städte in der internationalen Politik immer wichtiger. „Sie sind nicht nur maßgeblich für eine erfolgreiche Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele. Als Orte, die von Diversität, Zusammenhalt und Begegnung geprägt sind, tragen sie aktiv zu Völkerverständigung bei und fördern globale Solidarität.“
Gerade angesichts des aktuellen Trends, dass „der Multilateralismus von vielen nationalen Regierungen infrage gestellt oder gar ausgehöhlt wird“, könnten Global Citys als Kitt der Globalisierung wirken. In diesem Geist wirbt Kurz für eine Weiterentwicklung der Strukturen globaler Politik auf der Ebene der Vereinten Nationen. In diesem Zusammenhang schlägt er die Einrichtung eines Gremiums kommunaler Mandatsträger auf internationaler Ebene vor. Dies könne sicherstellen, dass die Städte auch bei der Festlegung und Verabschiedung internationaler Beschlüsse ihre Stimme einbringen und mitentscheiden können.
INFO: Erste virtuelle Partnerschaftskonferenz deutscher und türkischer Städte
Die deutsch-türkische Städtepartnerschaftskonferenz von Auswärtigem Amt, Deutschem Städtetag und dem Verband türkischer Kommunen fand mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Stiftung Mercator statt. Kooperationspartner der Veranstaltung waren die Servicestelle Kommunen in der einen Welt von Engagement Global, die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die Deutsch-Türkische Jugendbrücke sowie die Deutsch-Türkische Handelskammer. Das Foto oben zeigt einen Screenshot von der virtuellen deutsch-türkischen Städtekonferenz. Aus dem Präsidium des Deutschen Städtetages nahmen die Bürgermeister Onay und Kurz sowie Michael Müller aus Berlin, Andreas Bovenschulte aus Bremen und Thomas Kufen aus Essen teil. Als Präsident der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas war OBM Frank Mentrup aus Karlsruhe dabei.