Die Urban Seven (U7) setzen ihr Engagement 2023 fort. Wie sich die Städte in den G7-Prozess einbringen wollen, erklärt Peter Kurz.

Die Urban Seven (U7) haben gestern in Tokio eine Deklaration an die japanische Regierung übergeben. Darin formulieren die Städteverbände der G7-Staaten ihre Anliegen an die diesjährige G7-Präsidentschaft. 2023 führt Japan die G7 an. Aus Sicht des deutschen Städtetags war Peter Kurz, der Oberbürgermeister von Mannheim, vor Ort. Im Telefonat mit #stadtvonmorgen berichtete er kurz vor dem Rückflug von Tokio nach Deutschland über den U7 Mayors Summit (Bürgermeistergipfel), bei dem die Deklaration verabschiedet wurde, über die aktuellen Themen der U7 und darüber, wie die Deklaration von der japanischen G7-Präsidentschaft aufgenommen wurde. (Über die Übergabe der Deklaration berichtet #stadtvonmorgen hier.)

U7-Sekretariat als neue Organisationseinheit

#stadtvonmorgen: Herr Dr. Kurz, Sie befinden sich gerade auf den Rückweg vom U7 Mayors Summit in Tokio nach Mannheim. In welcher Rolle waren sie beim U7-Bürgermeistergipfel?

Peter Kurz: Im Wesentlichen war ich auf Einladung des japanischen Umweltministeriums in zwei Funktionen vor Ort. Nämlich erstens für den Deutschen Städtetag, als dessen Beauftragter ich im vergangenen Jahr den U7-Prozess während der deutschen G7-Präsidentschaft begleitet habe. Und zweitens als Vorsitzender des Global Parliament of Mayors (GPM). Das GPM betreibt gemeinsam mit dem Nachhaltigkeitsnetzwerk ICLEI das Sekretariat der U7. Das japanische Umweltministerium und der japanische Städteverband sind diejenigen, die sich den U7 aus nationaler Perspektive während der japanischen G7-Präsidentschaft annehmen.

#stadtvonmorgen: Dass die U7-Aktivitäten nun von einem eigenen Sekretariat gesteuert werden, bedeutet eine weitere Institutionalisierung des U7-Engagements?

Peter Kurz: Das kann man so sagen. Wir gehen davon aus, dass dies ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist und sein wird. Es braucht eine Organisationeinheit, die sich – neben dem jeweiligen Engagement der gastgebenden Städteverbände im G7-Kontext – um Kontinuität bei den U7 kümmert.

„… dass ein Bürgermeister am Tisch sitzt“

U7 Mayors Summit in Tokio (Quelle: Stadt Mannheim/ICLEI Japan)

U7 Mayors Summit in Tokio (Quelle: Stadt Mannheim/ICLEI Japan)

#stadtvonmorgen: 2021 fanden sich die U7 im Zuge der britischen G7-Präsidentschaft erstmals zusammen. 2022 traten sie während der deutschen G7-Präsidentschaft noch stärker organisiert gemeinsam auf. Wie setzt sich das Engagement der Städte fort? Wie zukunftsfähig ist es, oder ebbt es ab?

Peter Kurz: Nein, im Gegenteil. Es geht ja genau darum, einen dauerhaften Einbezug der Städte in den G7-Prozess zu erreichen. Das ist unser Ziel. Es ist dabei weniger die Frage des Engagements einzelner Städte. Um den Anliegen der Städte in Summe Gehör zu verschaffen, stehen an vorderer Stelle die nationalen Städteverbände. Und deren Motivation ist hoch. Entscheidend ist also vor allem die Anerkennung durch die jeweilige G7-Präsidentschaft und die Gruppe der G7-Staaten. Es gilt, was im Zuge der deutschen G7-Präsidentschaft beschlossen wurde, mit Leben zu füllen. Das heiß zum einen, den Einbezug der Städte zu fördern und seitens der nationalen Regierungen den U7-Prozess zu unterstützen. In Japan ist besonders das Umweltministerium engagiert, weshalb von dort die Einladung erfolgte. Und zum anderen geht es darum, den Einbezug der Städte inhaltlich zu verstetigen, wie es im vergangenen Jahr beim Treffen der G7-Stadtentwicklungsminister der Fall war. Auch in diesem Jahr kommen die Stadtentwicklungsminister wieder zusammen, im Juli.

#stadtvonmorgen: Wie schätzen Sie denn die Relevanz der U7 im diesjährigen G7-Prozess ein? Finden die Städte Gehör?

Peter Kurz: Die U7 haben für dieses Jahr eine Deklaration mit ihren Positionen verfasst. Diese Erklärung wurde heute (Anmerkung der Redaktion: am gestrigen Donnerstag) im Umweltministerium, im für Stadtentwicklung zuständigen Infrastrukturministerium und im Regierungsbüro, das vergleichbar mit dem Kanzleramt oder einer Staatskanzlei ist, persönlich übergeben und angenommen. Insofern ist es gelungen, den Anliegen der U7 einen unmittelbaren Zugang zur Regierungsebene zu öffnen. Sehr positiv wirkte auch das starke Engagement des japanischen Städtetags, insbesondere von dessen Vorsitzendem Kizo Hisamoto, dem Oberbürgermeister von Kobe. Es ist eine Dynamik spürbar, die mich dahingehend positiv stimmt, dass das Streben nach neuen Governancestrukturen, die alle staatlichen Ebenen einbeziehen, keine Eintagsfliege ist, sondern ein zukunftsweisendes Unterfangen. Im April findet das G7-Umweltministertreffen statt. Wir setzen darauf, dass vielleicht dort und beim G7-Stadtentwicklungsministertreffen im Juli wieder ein Bürgermeister am Tisch sitzt.

Die Transformation funktioniert nicht top-down

#stadtvonmorgen: Welches sind aus Ihrer Sicht die zentralen Themen, denen sich die U7 in diesem Jahr widmen?

Peter Kurz: Die diesjährige Erklärung beinhaltet ein breites Themenbündel. Natürlich geht es den G7 darum, die Multilevel Governance, also den Einbezug aller staatlichen Ebenen, in nationalen, internationalen und globalen Entscheidungsstrukturen zu stärken. Dies ist ein zentrales Anliegen. Zudem ist das Thema Nachhaltigkeit auf der Agenda: Hinsichtlich des SDG Summits der Vereinten Nationen im September 2023 wollen die Städte bei der Fortentwicklung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) eine stärkere Rolle einnehmen. Ein weiteres Thema ist die Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine unter Einbezug der Städte. Vor allem geht es aber – da passt es, dass die U7-Aktivitäten im japanischen Umweltministerium verortet sind – um die für den Kampf gegen den Klimawandel essentielle Transformation. Denn entscheidende Weichen dafür können nur in enger Kooperation gestellt werden. Es ist sichtbar, dass es subnational bisweilen deutlich ambitioniertere Ziele als die Klimaneutralität 2050 gibt. Gleichzeitig wächst die Erkenntnis, dass Klimaschutz, Klimaneutralität und gesellschaftliche Transformation nicht in einer Top-Down-Logik funktionieren.

#stadtvonmorgen: Ein wichtiges Anliegen der U7 war bislang, im G7-Prozess eine offizielle Engagement Group zu werden. Wie steht es damit? Ist das absehbar?

Peter Kurz: Das Ziel bleibt bestehen. Allerdings relativiert eine Erfahrung, die ich in Japan gemacht habe, möglicherweise die Relevanz der Zielsetzung. So haben die U7 in ihren Mayors Summit andere, bereits etablierte Engagement Groups – die Gruppen „Youth“, „Think Tanks“ und „Civil Society“ – eingebunden. Es stellt sich für mich so dar, dass die U7 damit den Anliegen der offiziellen Gruppen zu mehr Sichtbarkeit im G7-Kontext verholfen haben.

#stadtvonmorgen: Gleichwohl wäre die Anerkennung als Engagement Group für die U7 ein weiterer Schritt der Institutionalisierung und der Akzeptanz.

Peter Kurz: Natürlich wünschen wir uns die Institutionalisierung nach wie vor. Um die U7 dauerhaft zu etablieren und die Kooperation zwischen den staatlichen Ebenen zu formalisieren, wäre eine Anerkennung als Engagement Group ein wichtiger Schritt. Daran gibt es keinen Zweifel.

Info

#stadtvonmorgen begleitet den U7-Prozess.
Hier ein Beitrag zur Formierung der U7 vom 24. Februar 2022.
Hier ein Interview mit Peter Kurz über die Ziele der U7 vom 7. April 2022.
Hier ein Beitrag zum „U7 Mayors Summit“ vom 4. Mai 2022.
Hier ein Beitrag zur „Urban 7 Mayors Declaration“ vom 24. Juni 2022.
Hier ein Beitrag zum G7-Gipfel vom 29. Juni 2022.
Hier ein Beitrag zum G7-Ministertreffen vom 14. September 2022.
Hier ein Beitrag zur Konferenz „Daring Cities“, bei der über U7 gesprochen wurde, vom 6. Oktober 2022.
Hier ein Interview mit Peter Kurz zur U7-Bilanz 2022 vom 9. Januar 2023.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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