Hass und Hetze

Hass und Hetze: Wie Attacken auf OBM das Stadtleben vergiften

Die Debattenkultur und das soziale Klima leiden: Hass und Hetze gegen kommunale Amts- und Mandatsträger nehmen zu – von Angriffen im Internet bis zu Gewalt.

Rathausvorplatz Kaiserslautern (Quelle: Andreas Erb)

Die Bedrohungslage für kommunale Amts- und Mandatsträger nimmt weiter zu. Die Debattenkultur in der Bundesrepublik leidet. Immer mehr Lokalpolitiker machen auf Anfeindungen aufmerksam, denen sie in ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt sind. Die Angriffe reichen von Pöbeleien im Internet bis hin zu tätlicher Gewalt. Die Fälle häufen sich.

Ereignisse wie das rechtsextremistisch motivierte Attentat auf die damalige OBM-Kandidatin Henriette Reker 2015 in Köln oder der bewaffnete Angriff auf Bürgermeister Andreas Hollstein 2017 in Altena zeigen die Brisanz der Lage auf. Auch der Mord am hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke in Kassel 2019 steht im Kontext der Debatte um Hass und Hetze gegen Amts- und Mandatsträger. Der kurz darauf erfolgte, ebenfalls mit der rechtsradikalen Szene in Verbindung gebrachte Anschlag von Hanau im Jahr 2020 sorgt für ein stärkeres Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Problematik.

Die Bedrohung reicht über Rechtsradikalismus hinaus

Dabei wächst auf die Sensibilität für die Thematik. Bis dato wurden Angriffe auf Lokalpolitiker meist als örtliche Ereignisse abgetan oder vorwiegend dem Rechtsradikalismus zugeschrieben. Die Bedrohungssituation geht aber weit darüber hinaus. Sie erfasst grundsätzlich alle Themen der Stadtgesellschaft. Unmittelbar nach den Ereignissen von Hanau beschrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier allgemein eine Verrohung der Debattenkultur in Deutschland. Diese drohe, die Demokratie auszuhöhlen, da sie immer mehr Menschen davon abhalte, sich politisch zu engagieren. Der Bundespräsident forderte einen gesellschaftlichen Konsens gegen Hass und Hetze.

Das Spektrum dabei reicht von Beleidigungen und Schmähungen in den sozialen Medien und auf Internetplattformen bis hin zu Gewalt. Genauso weit ist der inhaltliche Fächer an Themen, bei denen sich Hass und Hetze niederschlagen: Da geht es etwa um die Aufstellung von Windrädern oder Mobilfunkmasten, um Fluglärm, um die Einrichtung von Flüchtlingsheimen, um Klimaschutz oder um die Ausweisung neuer Industriegebiete. Überall, wo Diskussionen hitzig und emotional geführt werden, zeigt sich die Tendenz zu unsachlichen Äußerungen, Bedrohungen und feinseligem Verhalten.

Letztere finden in sozialen Medien und dem Internet einen Resonanzraum. Hier zeigt sich durchaus ein hässliches Gesicht der Digitalisierung.

Das Internet als Resonanzraum für Hass und Hetze befeuert die Dynamik

Besonders betroffen davon sind Oberbürgermeister und Lokalpolitiker, die täglich den Sorgen, Ängsten, Befürchtungen und auch der Kritik der Bürger unmittelbar ausgesetzt sind. Insgesamt organisieren sich bundesweit mit Blick auf einzelne Problemlagen neue Bürgerinitiativen in den Kommunen. Verstärkt mischen sich Bürger in die Politik vor Ort ein. Die Forderungen nach Transparenz und Mitsprache werden lauter. Grundsätzlich bedeutet dieser Trend einen Gewinn für die demokratische Willensbildung, solange die Regeln der Sachlichkeit geachtet werden. Doch vielerorts leiden diese.

So können lokal emotional aufgeheizte Spannungsfelder zwischen durchaus berechtigten Einzelinteressen auf der einen Seite und der Verantwortung für eine ganze Stadt auf der anderen entstehen. Diese beiden Gewichte gegeneinander abzuwägen, ist ein politisches Kunststück. Das gelingt vor Ort mal besser und mal schlechter. Die Diskussion darum gewinnt in vielen Einzelfällen, neuerdings teils befeuert durch Populismus und Verschwörungstheorien sowie deren rasante Verbreitung via Internet, aber an einer bedrohlichen Dramatik.

Der demokratische Diskurs ist bedroht

Zahlreiche Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeister erleben in ihrer täglichen Arbeit solche Schmähungen, Verleumdungen, Bedrohungen oder gar Angriffe. Neben den bekannten Fällen ist die Dunkelziffer hoch, da viele Amts- und Mandatsträger derartige Anfeindungen nicht zur Anzeige bringen. Oft bestehe auch die Vorstellung, Personen des öffentlichen Lebens und des politischen Diskurses müssten diese Art der Auseinandersetzung zumindest bis zu einem gewissen Grad aushalten können, kritisieren manche OBM. Dies habe zur Folge, dass sich Sicherheitsbehörden wie Polizeistellen und Staatsanwaltschaften in der Sache bisweilen zu sehr zurückhielten.

Für den demokratischen Diskurs und damit die Stabilität des Gesellschaftssystems birgt dies eine große Gefahr. Schon jetzt leidet in vielen Städten das Engagement ehrenamtlicher Lokalpolitiker unter der Verrohung der Debattenkultur. Auch die kommunalen Spitzenverbände auf Länder- und Bundesebene formulieren diesbezügliche Sorgen. Vom Bund fordern sie gesetzgeberische Schritte gegen Hass und Hetze sowie die Bedrohung kommunaler Amts- und Mandatsträger. Von den Ordnungsbehörden wie der Polizei und den Staatsanwaltschaften verlangen sie ein verschärftes Augenmerk auf die Lage und konsequentes Handeln dagegen.

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