Der Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus spitzt sich stündlich zu. Reihenweise verfügen Städte Veranstaltungsverbote. Damit erliegt das sportliche und kulturelle Leben. Betroffen sind Spiele der Fußballbundesliga genauso wie Theater, Konzerthallen, Schwimmbäder oder lokale Zeremonien. Auch Schulen und Kitas schließen vielerorts. Insgesamt könnten die Ausfälle die kommunalen Haushalte und die ihrer Tochtergesellschaften wohl mit einer Summe in Milliardenhöhe belasten.
Etwa untersagt die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart jegliche Art von Versammlungen, auch unter der Grenze von 1.000 Teilnehmern. Dies gilt unter anderem für Klubs, Bars und Tanzlokale, nicht für Speiselokale. „Prostitution jeder Art ist untersagt. Besuche in Alten- und Pflegeheimen sind untersagt“, teilt die Stadtverwaltung mit. „Wir stemmen und mit allen Kräften gegen die Ausbreitung des Virus. Jetzt gilt es, soziale Kontakte auf das Nötigste zu beschränken. Das ist der beste Schutz für den Einzelnen, wie auch für die Gemeinschaft“, sagt OBM Fritz Kuhn.
Schätzungsweise Kosten in Milliardenhöhe
„Wir sind uns bewusst, dass die Maßnahmen teilweise tiefe Einschnitte in die Lebensumstände unserer Einwohner bedeuten, sind aber sicher, dass wir angesichts der Lage auf breites Verständnis stoßen“, erklärt OBM Belit Onay aus Hannover. Auch die niedersächsische Landeshauptstadt verfügte heute verschiedene Restriktionen. Sollte die Eindämmung des Virus nicht gelingen, „besteht die große Gefahr, dass das Gesundheitssystem mit den vorhandenen Kapazitäten an seine Grenzen kommt“, erklärt OBM Wolfgang Treis aus Mayen.
Das Engagement der Städte gegen die Verbreitung des Coronavirus könnte schätzungsweise insgesamt Kosten von über einer Milliarde Euro ergeben. „Die bisher von der Verwaltung eingeleiteten Maßnahmen werden Kosten im sechsstelligen Bereich verursachen“, schrieb OBM Boris Palmer aus Tübingen heute an die Mitglieder des Gemeinderats. Angesichts der sich dynamisch entwickelnden Gesundheitskrise sind weitere Kosten zu erwarten.
OBM als Krisenmanager vor Ort
Dabei zeigten sich gestern in verschiedenen Städten noch Differenzen bezüglich der Notwendigkeit solch drastischer Maßnahmen wie der Schließung städtischer Einrichtungen. Beispielsweise plädierten Mannheim und Heidelberg – im Gegensatz zum benachbarten Ludwigshafen, das städtische Einrichtungen schloss – für ein weniger restriktives Vorgehen. Heute folgen immer mehr Bundesländer und Kommunen der von Kanzlerin Angela Merkel ausgegebenen Maxime, nicht notwendige Sozialkontakte zu vermeiden, um mögliche Infektionsketten zu durchbrechen.
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass unser Leben eine Zeitlang nicht mehr so laufen wird wie sonst. Die Ausbreitung des Virus muss verlangsamt werden. Unsere Gesellschaft hat eine Solidaritätspflicht gegenüber den älteren Menschen und Menschen, die durch Vorerkrankungen ein geschwächtes Immunsystem haben“, sagt OBM Felix Schwenke aus Offenbach. „Ich bin bereit, die Entscheidungen zu verantworten, die dafür notwendig sind.“ Wie Schwenke wenden sich die OBM in ihren Städten mit Pressekonferenzen oder -mitteilungen an die Bürger, gestern gab etwa OBM Sören Link aus Duisburg ein Videostatement ab.
In den Kommunen laufen immense Anstrengungen, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Dies geschieht über kommunale Grenzen hinweg. Stadt und Landkreis Landshut beispielsweise initiieren eine zentrale Screening-Station, um Corona-Verdachtsfälle rasch abklären zu können. Als eine der ersten Städte richtete Düsseldorf ein Corona-Diagnostikzentrum ein (Foto oben).
Sorge um die lokale Wirtschaft
Dabei sind die Kommunalpolitiker auch getrieben von der Sorge um lokale Wirtschaftsbetriebe. OBM Markus Ibert aus Lahr traf sich gestern mit Vertretern der Wirtschaft, Industrie- und Handelskammer sowie der Agentur für Arbeit. Im Gespräch wurde die zum Teil unterschiedliche und branchenspezifische Betroffenheit der Unternehmen deutlich. Für Unklarheit und zusätzliche Unsicherheit habe die Frage nach einem einheitlichen Umgang mit Mitarbeitern aus dem vom Coronavirus besonders betroffenen Elsass gesorgt. Die Unternehmen wünschten sich praktikable und einheitliche Empfehlungen bezüglich der Vorsorge.
Unterstützung vom Land gefordert
Zudem forderte Schuchardt den Freistaat Bayern auf, einen Hilfsfonds für die durch den Coronavirus ins Straucheln geratenen Unternehmen einzurichten. Ähnliches regt OBM Thomas Hirsch aus Landau an. „Das gesamte Fremdenverkehrswesen und die Eventbranche werden aufgrund der notwendigen Beschränkungen im Freizeit- und Veranstaltungsbereich massive Ausfälle verkraften müssen“, so Hirsch. Er appelliert als stellvertretender Vorsitzender des Tourismusnetzwerks Pfalz-Touristik in einem offenen Brief an die rheinland-pfälzische Landesregierung, betroffenen Unternehmen mit „geeigneten Initiativen und Programmen zu helfen“.
Heute haben Bundesfinanzminister Olaf Scholz und -wirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin Pläne vorgestellt, Betriebe mit Liquiditätshilfen zu unterstützen.
Bayerische Kommunalwahl von Turbulenzen betroffen
Betroffen von der Ausbreitung des Coronavirus ist auch die bayerische Kommunalwahl, die am Sonntag stattfindet. In einzelnen Medien wurde bereits eine Verschiebung des Wahltermins diskutiert. Heute meldete sich der Präsident des Bayerischen Gemeindetages Uwe Brandl zu Wort und rief die Bürger auf, zur Wahl zu gehen. Schließlich stehe bei den Kommunalwahlen ein „tiefgreifender Wandel in den Rathäusern an“. Rund 40.000 Ratsmandate werden neu besetzt, über 600 Bürgermeister in über 2.000 Kommunen werden gewählt.
Dennoch steht die Wahl im Zeichen der Vorbeugung gegen den Coronavirus. Etwa in Augsburg sind die Wahllokale nach entsprechenden Hygieneregeln gestaltet. Und in Neu-Ulm fallen offizielle Ergebnispräsentationen am Wahlabend aus. Stattdessen können die Bürger die Auszählung via Internet verfolgen. In Landshut werden Wahllokale aus Altenheimen verlegt. Stattdessen werden Busse der Stadtwerke zu mobilen Wahlkabinen umfunktioniert.