814 Millionen Euro beträgt der Schuldenstand von Kaiserslautern, die Liquiditäts- und Investivkredite zusammengenommen. Die rheinland-pfälzische 100.000-Einwohner-Stadt belegt im bundesweiten Ranking der Pro-Kopf-Verschuldung seit Jahren vordere Plätze. Doch nun legt sie, zum ersten Mal seit 1992, einen ausgeglichenen Haushalt vor – und das ausgerechnet mitten in der Coronakrise. Vorausgegangen waren aufreibende Debatten in der Lokalpolitik, ein Kräftemessen mit der Kommunalaufsicht und seit Jahresbeginn sechs turbulente Monate „haushaltsfreier Zeit“.
Langer Streit um den Haushalt mit der Kommunalaufsicht
In dieser Zeit hatte die Kommunalaufsicht von der Stadt weitere Einsparungen und die Erhöhung lokaler Steuern gefordert. Unter anderem ging es dabei um die Kompensation von rund 3,3 Millionen Euro, mit denen die Stadt den auf 17,5 Millionen Euro gedeckelten Zuschussbedarf im Bereich der freiwilligen Leistungen überschreiten wollte. Die Kommunalaufsicht beanstandete den Haushalt. Der Stadtrat hielt jedoch an seinem Haushaltsplan, der ursprünglich insgesamt ein Defizit von mehr als acht Millionen Euro vorsah, fest. Der Streit zog sich über Monate, in denen die Stadt keinen genehmigten Haushalt hatte.
Es drohte die Eskalation. Noch im Mai bekräftigte das Lokalparlament mit einem sogenannten Beharrungsbeschluss seinen von der Kommunalaufsicht beanstandeten Haushaltsentwurf für die Jahre 2021 und 2022. Die Lokalpolitiker erwogen sogar den Klageweg. Es war ein lautes finanzpolitisches Poltern in der von hohen Schulden gebeutelten Stadt.
Streit um Kommunalfinanzen in Rheinland-Pfalz
Motiviert wurde dieses wohl nicht zuletzt durch den zeitgleichen Klageerfolg des Landkreises Kaiserslautern und der benachbarten Stadt Pirmasens. Beide Kommunen liegen finanzpolitisch seit Jahren über Kreuz mit dem Land Rheinland-Pfalz. Im Dezember bestätigte ihnen der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof, dass der kommunale Finanzausgleich nicht der Landesverfassung entspricht und daher bis 2023 neu berechnet werden muss. Die Verfassungswidrigkeit des bestehenden Finanzausgleichs ist Wasser auf die Mühlen all derer, die sich gegen Finanzauflagen der Kommunalaufsicht stemmen – auch in der Stadt Kaiserslautern.
Das Kräftemessen des Kaiserslauterer Stadtrats mit der Kommunalaufsicht im Frühjahr spitzte die Finanzlage der Stadt allerdings empfindlich zu. Dass die Kommune über keinen genehmigten Haushalt verfügte, führte an vielen Stellen zum Stillstand. Für die Stadtentwicklung wichtige Investitionen stockten.
Drohende Insolvenzen erzwingen politischen Kompromiss

Führt Kaiserslautern nach langen Debatten zum ersten Haushaltsausgleich seit 1992: Finanzdezernent und OBM Klaus Weichel. (Quelle: Stadt Kaiserslautern)
„Ich sehe die Urbanität dieser Stadt durch die Entscheidung des Rats als massiv gefährdet an“, warnte Oberbürgermeister Klaus Weichel nach in einer eigens dazu anberaumten Sondersitzung des Stadtrats Mitte Juni. Denn: „Wir dürfen im Moment nur Aufwendungen tätigen oder Auszahlungen leisten, zu denen wir rechtlich verpflichtet sind oder die für die Weiterführung notwendiger Aufgaben unaufschiebbar sind.“
SPD-Politiker Weichel regiert mit wechselnden Mehrheiten. Im Stadtrat dominiert eine Koalition aus CDU, Grünen und Freien Wählern. Das erschwert bisweilen lokale Entscheidungsprozesse. Erst als der Auszahlungsstopp kommunale Betriebe wie den Zoo in Liquiditätsengpässe brachte und sogar von drohenden Insolvenzen die Rede war, raufte sich die Politik zu einem Kompromiss zusammen. Am Ende steht nun tatsächlich ein ausgeglichener Haushalt in der hochverschuldeten Stadt – der erste seit 1992. Für Finanzdezernent Weichel, der seine Verwaltung seit Jahren zum Sparen anhält, ist dies ein Erfolg.
Kaiserslautern mit erstem ausgeglichenen Haushalt seit 1992
Laut Haushaltsplan rechnet die Stadt 2021 mit Erträgen in Höhe von rund 407 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 402 Millionen Euro. Sie plant mit einem Jahresüberschuss von 4,4 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren lag das Minus bisweilen im zweistelligen Millionenbereich. Nun ist der Plan sowohl im Ergebnis- als auch im Finanzhaushalt ausgeglichen. Doch wie kommt es dazu – ausgerechnet im Coronajahr? Weichel sieht dafür drei wesentliche Gründe.
Der erste Grund sei, dass er von Beginn an das System der Haushaltsaufstellung umgedreht habe: Nicht die Fachreferate hätten ihre Bedarfe angemeldet, sondern er habe gemeinsam mit der Kämmerei eine Budgetzuteilung vorgenommen sowie den Haushalt nach Einsparpotentialen durchforstet. Für die Verteilung der Budgets an die Fachämter habe er den Mittelwert ihrer Zahlen aus den vergangenen drei Jahren zugrunde gelegt, zuzüglich eines Aufschlags für Tarifsteigerungen. Die Budgetzuteilung habe von vorneherein auf einen Haushaltsausgleich abgezielt, erklärt Weichel.
Der zweite wesentliche Grund für den ausgeglichenen Haushalt sei der politische Kompromiss, den der Stadtrat Ende Juni nach langem Ringen doch noch fand. Demnach werden die Kosten für die freiwilligen Leistungen, die über dem Deckel der Kommunalaufsicht liegen, „mit nachhaltigen Einnahmeverbesserungen“ kompensiert – konkret: mit Steuererhöhungen. Die Hebesätze der Grundsteuer A steigen von 310 auf 460 Prozent, die der Grundsteuer B von 460 auf 510 Prozent, die der Gewerbesteuer von 410 auf 415 Prozent. Zudem steigt die Vergnügungssteuer, und es gibt eine neue Wettbürosteuer. Der dritte Grund ist laut Weichel die haushaltsfreie Zeit: Dass die Stadt ein halbes Jahr nur bedingt Geld ausgeben konnte und einige Projekte streichen oder aufschieben musste, habe natürlich ebenfalls Spareffekte zur Folge gehabt.
Stadt steht in Coronakrise „besser als erwartet da“
Dass der Stadt ausgerechnet in der Coronakrise ein historischer Haushaltsausgleich gelingt, überrascht. Weichel vermag die Auswirkungen der Coronakrise auf die Stadtfinanzen im Augenblick noch nicht umfassend zu beziffern. Erst für die nächsten Monate stellt er die Ermittlung einer Abrechnung von Mehrausgaben und Mindereinnahmen in Aussicht. Doch was die Gewerbesteuerausfälle betreffe, seien diese von den Landes- und Bundeshilfen 2020 „ungefähr glattgezogen“ worden. 2021 stehe die Stadt diesbezüglich wieder „relativ gut und besser als erwartet da“. Bislang habe Corona nicht dazu geführt, dass maßgebliche Investitionsvorhaben ausfielen.
Doch wie nachhaltig ist der finanzpolitische Erfolg in Kaiserslautern? Ein Abbau der immensen Schuldenlast ist damit längst nicht verbunden. Eine Altschuldenlösung ist offen. Allein die Teilhaushalte Soziales, Jugend und Sport schreiben nach wie vor einen Jahresfehlbetrag von rund 100 Millionen Euro. Hinsichtlich neuer Haushaltsdebatten gibt sich Weichel daher defensiv. Es sei „nicht auszuschließen“, dass in Kaiserslautern auch zukünftig über Steuererhöhungen gesprochen werden müsse.
Weichel: „Gute Übung für zukünftige Aufgaben“
Bis dahin könnte das Beispiel des hochverschuldeten Oberzentrums, dem plötzlich ein Haushaltsausgleich gelingt, durchaus in die Mühlen der Landespolitik geraten. Schließlich macht es die Argumente der Kommunen, die im seit Jahren schwelenden Streit um die rheinland-pfälzischen Kommunalfinanzen und hinsichtlich des neu aufzustellenden kommunalen Finanzausgleichs auf eine auskömmliche Finanzierung durch das Land drängen, zumindest nicht stärker.
Wohlweislich möchte Weichel diesen Zusammenhang überhaupt nicht herstellen: Von einem neuen Finanzausgleich erwarte er erfahrungsgemäß „nicht die Rettung von allem Übel“. Das Ringen um die Kommunalfinanzen werde die Stadtpolitik wohl weiterhin prägen. „Der nun ausgeglichene Haushalt war eine gute Übung für zukünftige Aufgaben.“