Angesichts der jüngsten Steuerschätzung warnt der Deutsche Städtetag vor finanziellen Problemen für die Kommunen. Im laufenden Jahr hätten Bund und Länder die kommunalen Haushalte gegen die Auswirkungen der Coronakrise „erfolgreich stabilisiert“, so Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands. Doch auch 2021 und 2022 sei mit Einbrüchen bei den Steuereinnahmen zu rechnen.
Dedy: Finanzprobleme dramatischer als befürchtet
„Die finanziellen Probleme der Kommunen im nächsten Jahr fallen noch dramatischer aus, als wir durch die Mai-Steuerschätzung befürchten mussten. Das war bei den Entscheidungen über das Konjunkturpaket noch nicht absehbar“, sagt Dedy. Die Kommunen bräuchten deshalb für die kommenden Jahre weitere Hilfen von Bund und Ländern in Milliardenhöhe. „Nur so können Städte und Gemeinden zu einer schnellen wirtschaftlichen Erholung beitragen.“ Ansonsten gerate die kommunale Investitionskraft in Gefahr.
Dedy verweist darauf, dass die Kommunen der „wichtigste öffentliche Investor“ seien. Zwei Drittel öffentlicher Bauinvestitionen spielten sich auf der lokalen Ebene ab. „Die Städte müssen mit voller Kraft weiter in Schulen, Kitas oder den Verkehr investieren können.“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte am Donnerstag eine zusätzliche Steuerschätzung vorgestellt. Die Schätzung wurde ausnahmsweise vorgenommen, da die reguläre Mai-Steuerschätzung aufgrund der Dynamik der Coronakrise ein nur wenig belastbares Bild aufgezeigt habe, so Scholz.
Scholz: Zahlen besser als befürchtet
Für den Bund prognostiziert die Steuerschätzung 2020 Einnahmen in Höhe von 275,3 Milliarden Euro. Gesamtstaatlich, also inklusive der Länder und Kommunen, fallen sie in Höhe von 717,7 Milliarden Euro aus. Für das nächstes Jahr liegen die Zahlen bei 295,2 Milliarden Euro für den Bund und 772,9 Milliarden Euro gesamtstaatlich. 2019 hatte der Bund 329 Milliarden Euro an Steuern eingenommen.
Für Scholz zeigen die jüngsten Zahlen, dass die Auswirkungen der Coronapandemie „unser Land bis weit ins nächste Jahr hinein beschäftigen“ werden. Die „Wachstumsdelle“ werde sich „in unserem Steueraufkommen sehr lange niederschlagen“. Allerdings gehe es nun „wieder aufwärts“ – sowohl, was die Wirtschaftsleistung betreffe, als auch, was das Steueraufkommen angehe.
„Der Wumms wirkt“, sagt der Finanzminister im Hinblick auf das zuletzt verabschiedete Konjunkturprogramm der Bundesregierung. Das beinhaltet auch Hilfen für die Kommunen, darunter eine Kompensation der Gewerbesteuerausfälle und eine Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft. „Wir sparen nicht gegen die Krise an, sondern investieren und setzen zielgerichtet Impulse für unsere Zukunft.“ Letztlich seien die Zahlen, auch die der Steuerschätzung, „besser als wir befürchten mussten“.
Kommunen drohen weitere Haushaltslücken
Den kommunalen Haushalten drohen allerdings nach wie vor tiefe Löcher. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen, an dem der Städtetag für die Kommunen mitwirkt, prognostiziert für Städte und Gemeinden im Jahr 2020 Steuereinnahmen in Höhe von 103,5 Milliarden Euro und im Jahr 2021 dann 113 Milliarden Euro. Damit lägen die kommunalen Steuereinnahmen 2020 um mehr als 14,2 Milliarden Euro unter den ursprünglichen Erwartungen vor Corona, teilt der Städtetag mit. Für 2021 würden 8,9 Milliarden Euro weniger prognostiziert als ursprünglich angenommen. Damit fehlten den Kommunen noch weitere 2,4 Milliarden Euro im Vergleich zur Mai-Steuerschätzung.
Das Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer liegt demnach 2020 voraussichtlich bei 42,2 Milliarden Euro. Dies entspricht gegenüber dem vergangenen Jahr 2019, als sich die Gewerbesteuer auf 55,4 Milliarden Euro belief, einem Einbruch von 13,2 Milliarden Euro beziehungsweise 23,8 Prozent.
Für 2021 geht die Steuerschätzung von einem Anstieg der Gewerbesteuer um 17,9 Prozent auf 49,8 Milliarden Euro aus. Damit fiele das Volumen der Gewerbesteuer 2021 voraussichtlich 6,6 Milliarden Euro niedriger aus, als vor Corona erwartet. Absehbar erreiche die Gewerbesteuer erst 2024 das Niveau von 2019, prognostiziert der Städtetag.
VKA-Präsident Mädge: „nichts zu verteilen“
„Bund und Länder sind daher auch 2021 gefordert, einen kommunalen Rettungsschirm zu spannen“, sagt Ulrich Mädge, OBM der Hansestadt Lüneburg und Präsident des Niedersächsischen Städtetags. Zudem bestätige ihn die Steuerschätzung, „dass es im kommenden Jahr nichts zu verteilen gibt“, sagt Mädge als Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA). „Der Bund ist aufgefordert, Seite an Seite mit den Kommunen für einen der Lage angepassten Tarifabschluss zu kämpfen.“