Die deutschen Städte und Kommunen reagieren geschockt auf die Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Dienstag in Berlin abgab. Die aktuelle Steuerschätzung lege „schonungslos offen, dass die kommunalen Steuereinnahmen drastisch einbrechen“, teilt der Deutsche Städtetag daraufhin mit. Die Städte fordern deshalb einen kommunalen Rettungsschirm von Bund und Ländern.
Steuereinbrüche in zweistelliger Miliardenhöhe
Gegenüber dem Vorjahr wird der Rückgang der Steuereinnahmen von Städten und Gemeinden voraussichtlich rund 13 Milliarden Euro betragen. Für die Gemeinden prognostiziert die Steuerschätzung Einnahmen in Höhe von 102,1 Milliarden Euro im Jahr 2020. Im Jahr 2019 lagen die kommunalen Steuereinnahmen bei rund 114,8 Milliarden Euro. Das Gesamtaufkommen der Gewerbesteuer wird 2020 gegenüber dem Vorjahr um 13,7 Milliarden Euro beziehungsweise 24,8 Prozent einbrechen.
Doch die Finanzlöcher der kommunalen Haushalte könnten sogar noch größer ausfallen, als es der Blick auf die prognostizierten Steuereinnahmen vermuten lässt. Denn ihnen fehlen aufgrund der Coronakrise nicht nur Steuereinnahmen, sondern beispielsweise auch die Gelder der Besucher von Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder Fahrgästen im ÖPNV. Ebenso sind sie mittelbar von den Verlusten ihrer Beteiligungsgesellschaften betroffen.
Städtetag fordert „kommunalen Rettungsschirm“
Bereits im Vorfeld der Steuerschätzung hatte der Deutsche Städtetag deutlich gemacht, dass er mit finanziellen Belastungen der Kommunen von etwa 20 Milliarden Euro in diesem Jahr rechne: durch wegbrechende Steuereinnahmen und steigende Ausgaben. Auch die OBM-Zeitung prognostizierte Einnahmeausfälle im Milliardenbereich für die Kommunen. „So hohe Verluste bei den Steuereinnahmen hatten wir noch nie“, sagt Städtetagsgeschäftsführer Helmut Dedy. „Das Ausmaß der Steuereinbrüche droht die Investitionsplanungen der Städte Makulatur werden zu lassen.“
In den vergangenen guten Jahren mit durchschnittlich hohen Einnahmen hätten die Städte vorausschauend gewirtschaftet. Aber das alles reiche nicht im Ansatz, um die finanziellen Folgen der Coronapandemie in den kommunalen Haushalten zu verkraften. „Wir fordern deshalb einen kommunalen Rettungsschirm von Bund und Ländern. Denn ohne handlungsfähige Städte ist kein Staat zu machen“, so Dedy.
In der Coronakrise zeigten die Städte und die kommunalen Unternehmen, wie entscheidend ihr Tun für das Leben der Menschen ist. „Wir brauchen Hilfe von Bund und Ländern in zweistelliger Milliardenhöhe, damit die Belastungen der Kommunen in großem Umfang aufgefangen werden“, sagt Dedy. „Es geht darum, die Städte handlungsfähig und lebenswert zu erhalten. Die Städte sind das Fundament unseres Landes. Das darf nicht erodieren.“
Bedroht Coronakrise die geplante Altschuldenlösung?

OBM Frank Baranowski (Quelle: Stadt Gelsenkirchen/Uwe Gelesch/hannawitte)
Vor allem die Oberbürgermeister hochverschuldeter Städte befürchten, dass die Coronakrise die Pläne zur Altschuldenlösung mit Bundesmitteln überlagern könnte. Daran erinnert OBM Frank Baranowski aus Gelsenkirchen. „Kommunen wie Gelsenkirchen mit einem hohen Anteil von Kassenkrediten aus Altschulden sind finanziell schwächer und weniger belastbar. Deshalb muss parallel eine Übernahme kommunaler Altschulden durch Bund und Länder erfolgen“, sagt er. „Wir brauchen jetzt endlich Hilfen aus einem Guss.“ Zuletzt ergab eine Nachfrage der OBM-Zeitung beim Bundesfinanzministerium, dass die Coronakrise die Pläne zur Altschuldenlösung von Kommunen nicht beeinflusse.

Städtetagsvizepräsident und OBM Frank Klingebiel aus Salzgitter (Quelle: Städtetag Niedersachsen/Peter Sierigk)
Auch der Vizepräsident des Niedersächsischen Städtetages, OBM Frank Klingebiel aus Salzgitter, warnt: „In einzelnen Städten ist jetzt schon absehbar, dass alle Anstrengungen der Vergangenheit, die kommunalen Schulden abzubauen, vernichtet werden. Ein weiterer Eingriff in die freiwilligen Leistungen der Städte ist nicht mehr möglich, wenn man nicht den Kern einer kommunalen Gemeinschaft zerstören will. Wir möchten daher mit dem Land ein Soforthilfeprogramm zu Gunsten der niedersächsischen Kommunen vereinbaren.“