Die Reaktionen aus der kommunalen Familie auf das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket gegen die Coronakrise, das Bundesfinanzminister Olaf Scholz gestern Abend vorstellte, fallen positiv aus. Der Bund hat unter anderem eine dauerhafte Übernahme von bis zu 75 Prozent der Kosten der Unterkunft angekündigt sowie einen Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle in der Coronakrise. Unterschiedliche Einschätzungen innerhalb der kommunalen Familie gibt es allerdings bei der Frage nach einer Lösung des Altschuldenproblems mit Bundesmitteln.
Eigentlich hatte Scholz vorgehabt, die Coronahilfen damit zu verknüpfen. Dagegen gab es allerdings Widerstände der Bundesländer mit weniger hoch verschuldeten Kommunen. Diese Blockade besorgt die von der Altschuldenproblematik betroffenen Städte. Eine Altschuldenlösung fordern sie nun verstärkt von den Ländern. Die OBM-Zeitung hat Stimmen zum Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket aus der kommunalen Familie gesammelt.
Enttäuschung über fehlende Altschuldenlösung

OBM Frank Baranowski (Quelle: Stadt Gelsenkirchen/Uwe Gelesch/hannawitte)
„Die jetzt vom Koalitionsausschuss vorgelegten Eckdaten des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets sind ein guter Kompromiss, aber noch kein Grund für Jubelgesänge“, sagt OBM Frank Baranowski aus Gelsenkirchen. Das folgende Gesetzgebungsverfahren und die Abstimmung mit den Ländern müssten nun abgewartet werden. „Wir haben eine größere Beteiligung an den Kosten der Unterkunft stets gefordert. Die jetzt gewählte Lösung hilft den Kommunen tatsächlich auch auf lange Sicht.“ Sorgen bereitet dem Oberbürgermeister allerdings die Blockade einer Altschuldenlösung. Nun sei das Land gefordert: „Hier sehe ich Ministerpräsident Armin Laschet in der Pflicht. Die Bundesregierung hat das Thema an die Länder überwiesen.“ Zudem sei „bemerkenswert, dass es erst einer solchen Krise bedurfte, um die Schieflage bei den Soziallasten der Kommunen anzuerkennen und zu beheben“.

OBM Markus Zwick (Quelle: Stadt Pirmasens/Gregor Theis)
„Sehr enttäuscht“ äußert sich OBM Markus Zwick aus Pirmasens zum Maßnahmenpaket des Bundes. Grundsätzlich seien die Maßnahmen des Konjunkturprogramms zu begrüßen. Doch es sei bedauerlich, „dass das Thema der Altschulden dabei ausgeklammert wurde“. Zwick appelliert an Bund und Länder: „Es wäre fatal, wenn man das Thema auch auf Bundesebene von der Agenda nehmen würde.“ Die Maßnahmen des Pakets seien zwar dazu geeignet, den Belastungen der Coronakrise entgegenzusteuern. Doch sie änderten an der grundsätzlich prekären Finanzlage einiger Städte nichts. Pirmasens gilt als eine der am höchsten verschuldeten Städte der Republik. Zwick fordert von Bund und Ländern die Einhaltung des Konnexitätsprinzips. Die Entlastung bei den Kosten für die Unterkunft sei hilfreich, falle im hochdefizitären Haushalt der Stadt aber nicht sonderlich ins Gewicht.

OBM Sören Link (Quelle: Stadt Duisburg/Zoltan Leskovar)
„Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung ist zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Schritt. Dass der Bund sich stärker bei den Kosten für die Unterbringung von Sozialhilfeempfängern beteiligt, ist eine alte Forderung der Kommunen, der nun nachgekommen wird – gut so“, sagt OBM Sören Link aus Duisburg. „Die Entscheidungen der Bundesregierung werden aber nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn die Kommunen endlich von der Altschuldenlast befreit werden. Hier ist jetzt die Landesregierung gefragt, eine Lösung für die betroffenen Städte in Nordrhein-Westfalen zu finden.“
Jung: „Rettungsschirm wird aufgespannt“
„Das Paket der Koalition ist ein beeindruckendes Signal, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen trotz der Coronakrise zu sichern“, sagt der Präsident des Deutschen Städtetags, OBM Burkhard Jung aus Leipzig. Es entlaste strukturschwache Städte mit hohen Sozialausgaben. „Der von uns geforderte Rettungsschirm wird aufgespannt“, fühlt sich Jung bestätigt. Dabei appelliert er an die Länder, die notwendige Grundgesetzänderung für die Erhöhung des Bundesanteils bei den Kosten der Unterkunft zu unterstützen. Aber: „Wir bedauern, dass die Koalition sich nicht auf eine Altschuldenlösung einigen konnte“, so Jung. „Die kommunalen Altschulden sind nach den Verabredungen in Berlin nun eindeutig Ländersache.“
Als „nachhaltige“ Hilfe für seine Stadt bewertet OBM Thomas Jung aus Fürth das Konjunkturpaket. Für Fürth bedeute dies, dass Gewerbesteuerausfälle in Höhe von 20 Millionen Euro kompensiert würden und dass die Stadt dauerhaft bei den Kosten der Unterkunft um fünf Millionen Euro pro Jahr entlastet werde. „Damit hat die Stadt Fürth wieder eine finanzpolitische Perspektive, die sowohl Zukunftsinvestitionen als auch eine weiterhin solide Finanzwirtschaft erlaubt.“
Das Zukunftspaket der Bundesregierung decke „alle wesentlichen Felder von der Hilfe für Unternehmen und Betroffenen bis hin zur Zukunftsförderung ab“, sagt OBM Marcus König aus Nürnberg. Es handele sich um einen „sehr wirksamen und pragmatischen Ansatz, der Kommunen wie Nürnberg direkt zugutekommt“. Jetzt gehe es um eine rasche Umsetzung der Maßnahmen.
„Das jetzt in Berlin ausgehandelte Konjunkturpaket ist eine angemessen dosierte Hilfe für die Kommunen“, sagt OBM Markus Lewe aus Münster. Die Unterstützung stabilisiere die wichtigsten Wachstumsprojekte der Stadt und bewahre das gesellschaftliche Klima vor einer Zuspitzung der Verteilungskämpfe. „Ohne diese Hilfen hätte die Corona-Krise den bewährten Zusammenhalt in Münster auf eine harte Probe gestellt.“ Dank des Konjunkturprogramms und den darin enthaltenen Finanzhilfen für Kommunen müsse die Stadt wichtige Zukunftsprojekte nicht unterbrechen, sondern könne ihre Entwicklung weiter vorantreiben. Lewe: „Es ist gut und stärkt den Zusammenhalt der Gesellschaft, dass der Bund sich hier solidarisch zeigt.“
Mit dem Programm beteilige sich der Bund „erstmals mit hohen Beträgen an einer Stabilisierung der Kommunen“, sagt OBM Felix Schwenke aus Offenbach. „Das schafft Vertrauen in die Politik und ist ein wichtiges Signal für die Menschen, die in den Städten leben.“ Durch die Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft erfahre „Offenbach sozusagen über Nacht eine strukturelle Entlastung in Höhe von durchschnittlich rund 13 Millionen Euro jährlich“. Das sei im Hinblick auf die Einhaltung des Konnexitätsprinzips „noch immer nicht der endgültige Durchbruch, aber ein riesengroßer Schritt nach vorne“. Darüber hinaus befasse sich das Konjunkturpaket mit Aspekten des Klimawandels, der Digitalisierung und des ÖPNV – auch dies komme den Kommunen und ihren Haushalten zugute, so Schwenke.
„Erleichtert“ zeigt sich OBM Klaus Mohrs aus Wolfsburg bezüglich der Einigung zum Konjunkturpaket. Er verweist auf die Förderungen der Wirtschaft, der Familien und der Kommunen. „Ich bedauere jedoch, dass sich die große Koalition nicht auf Kaufanreize für alle verbrauchsarmen Fahrzeugtypen verständigen konnte, weil dies eine wichtige Unterstützung für die Belegschaft von Volkswagen und auch wegweisend für die Minderung des CO2-Ausstoßes gewesen wäre.“
Hoffnung auf positive Impulse – Altschuldenlösung verpasst

OBM Michael Ebling (Quelle: Landeshauptstadt Mainz/Alexander Heimann)
„Die Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden Euro sind gut geeignet, positive Impulse für Wirtschaft und Handel zu setzen. Auch die Kommunen erhalten an verschiedenen Stellen die dringend notwendige finanzielle Unterstützung in der Krise“, sagt OBM Michael Ebling aus Mainz, Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Städtetags. Jedoch: „Der Vorschlag des Bundesfinanzministers zur Altschuldenregelung wurde gegen die Interessen der Städte zerschossen. Es bleibt eine Aufgabe des Bundes, sich an einer Lösung der kommunalen Altschuldenproblematik auch und gerade zur Entlastung der hochverschuldeten Kommunen in Rheinland-Pfalz zu beteiligen und hier die notwendigen Maßnahmen des Landes finanziell zu flankieren.“

OBM Thomas Hirsch (Quelle: Stadt Landau)
„Die Förderprogramme für Digitalisierung, Klimaschutz und Infrastruktur stellen gute Möglichkeiten für kommunale Investitionen dar“, so OBM Thomas Hirsch aus Landau. Das Konjunkturpaket werde helfen, die finanziellen Einbußen der Krise abzufedern. Was die Altschuldenfrage angeht, sieht Hirsch seine Befürchtungen bestätigt, dass es nicht gut war, das Schuldenproblem mit der Coronhilfe zu vermischen. „Besser wäre es gewesen, die Altschuldenfrage früher zu lösen – und nicht jetzt, wo wir uns in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit befinden.“ Das Land sei für die Finanzausstattung der Kommunen verantwortlich und daher in der Pflicht, eine Lösung zu finden – alleine oder mit dem Bund.

OBM Ulrich Mädge aus Lüneburg (Quelle: Städtetag Niedersachsen)
Der Präsident des niedersächsischen Städtetags, OBM Ulrich Mädge aus Lüneburg, zeigt sich darüber erfreut, „dass der Bund mit dem Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket Arbeitsplätze und Wohlstand sichern wird“. Auch den Kommunen werde es helfen. Die Entlastung könne aber nur ein erster Schritt sein, das Land müsse etwa beim Gewerbesteuerausfall mithelfen. „Schließlich muss auch daran erinnert werden, dass das Thema Altschulden ungelöst bleibt“, mahnt Mädge. Dies dürfe nicht aus dem Blick verloren werden.
Trennung zwischen Altschuldenproblem und Coronahilfe
Der Deutsche Landkreistag begrüßt die gestrigen Beschlüsse des Koalitionsausschusses. Die Entlastung durch die erhöhte Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft gehe „weit über den Altschuldenvorschlag des Bundesfinanzministers hinaus“ und helfe allen Kommunen, nicht nur den hochverschuldeten. Landkreistagpräsident Reinhard Sager spricht daher von einem „Meilenstein“.
Aus baden-württembergischer Sicht sei es die richtige Entscheidung, die Altschuldenfrage vom Konjunkturprogramm zu trennen. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun“, erklärt der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Roger Kehle. Baden-Württemberg habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und würde von einer Altschuldenregelung kaum profitieren.
Ähnlich argumentiert Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags: „Wir sind froh darüber, dass der Bund den kommunalen Rettungsschirm nicht an das sogenannte Altschuldenproblem gekoppelt hat, sondern jetzt bundesweit allen Landkreisen Mittel für Zukunftsaufgaben zur Verfügung stellt.“