„Wenn wir es mit mehr Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse ernst meinen, dann müssen wir das kommunale Altschuldenproblem lösen.“ So bekannte sich Marco Wanderwitz, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, am Mittwoch bei einem Besuch in Pirmasens zu einer Altschuldenlösung. Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte zuletzt vorgeschlagen, dass der Bund mit eigenen Mitteln hochverschuldeten Kommunen hilft, ihre Schulden abzubauen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Länder entscheidend an einer strukturellen Lösung mitwirkten, betonte Wanderwitz. Bis zum Ende dieses Quartals, spätestens bis Sommer wolle der Bund nach Einzelgesprächen mit den Ländern überlegen, wie das gehen könne. Das Fenster für eine Lösung liege im Jahr 2020, so Wanderwitz.
Der Staatssekretär war auf Einladung der Bundestagsabgeordneten Anita Schäfer zu Gast in Pirmasens. Die rheinland-pfälzische Stadt gilt mit einer Prokopfverschuldung von knapp 10.000 Euro pro Einwohner als eine der höchstverschuldeten in Deutschland. Dort traf Wanderwitz unter anderem auf Oberbürgermeister Markus Zwick sowie Marold Wosnitza, den Oberbürgermeister der benachbarten Stadt Zweibrücken. Zweibrücken steht mit einer Prokopfverschuldung von rund 8.000 Euro vor ähnlichen Problemen wie Pirmasens.
Die Daseinsvorsorge vor Ort ist bedroht

Sprachen über eine Lösung für kommunale Altschulden: Bundestagsabgeordnete Anita Schäfer, OBM Marold Wosnitza aus Zweibrücken, OBM Markus Zwick aus Pirmasens und Innenstaatssekretär Marco Wanderwitz, von links. (Quelle: Andreas Erb)
Die Lokalpolitiker erläuterten die Lage vor Ort. Im Strukturwandel kämpften die Städte mit hohen Soziallasten, die sie finanziell nicht ausgleichen könnten, so Zwick. Dies habe „schlechte Ausgangsbedingungen für die Daseinsvorsorge“ zur Folge und berge die Gefahr einer „Abwärtsspirale“. Pirmasens verfügt über 135 städtische Immobilien, darunter 22 Schulen – der Investitionsstau beträgt alleine hier 560 Millionen Euro. Die Liquiditätskredite liegen bei 355 Millionen Euro.
Wosnitza sagte: „Wir fühlen uns alleingelassen.“ Mittlerweile drohe sogar der Rechnungshofpräsident des Landes den Oberbürgermeistern mit persönlichen rechtlichen Konsequenzen, sollten ihre Städte keine ausgeglichenen Haushalte vorlegen. „Das ist nichts, was der Würde der Städte entspricht“, so Wosnitza. „Wir brauchen einen strukturellen Wechsel, brauchen Entschuldung, brauchen einen Systemwechsel“ – vor allem angesichts der drohenden Gefahr eines möglichen Zinsanstiegs, der die kommunale Finanzsituation zusätzlich belasten könnte.
Die kommunale Handlungsfähigkeit in der Fläche erhalten
Wanderwitz betonte das „enge“ Zusammenwirken des Innenministeriums, das die Arbeit der Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse koordiniert, und des Finanzministeriums. Beiden Ministern, Scholz (SPD) und Horst Seehofer (CSU), sei das Thema ein „persönliches Anliegen“, und beide seien „Garanten dafür, dass sich etwas bewegt in der Sache“. Es gehe um die kommunale Handlungsfähigkeit in der Fläche.
Eine Altschuldenlösung mit dem Einsatz von Bundesmitteln mache aber „nur Sinn, wenn es auch gelingt, die damit verbundenen strukturellen Probleme zu lösen“, unterstrich Wanderwitz. Dies betreffe vor allem die Finanzbeziehungen zwischen den Ländern und deren Kommunen. Diese seien teils sehr unterschiedlich ausgeprägt. Der Bund stehe nur bedingt in einer Finanzbeziehung zu den Kommunen.
Länder müssen vorangehen – Solidarität gefragt
„Bei diesem Thema eine Solidarität innerhalb der Länderfamilie zu erzeugen, ist schon eine gewisse Aufgabe, das muss man klar sagen“, so Wanderwitz. Dabei gelte es, die Vorstellungen der Länder, deren Kommunen besonders von Altschulden belastet sind, mit den Interessen derjenigen, deren Kommunen weniger unter einer Schuldenlast leiden, abzugleichen. Zudem gäbe es Kommunen, deren Finanzspielräume ähnlich begrenzt seien wie die von Pirmasens oder Zweibrücken, deren Altschulden aber bei weitem nicht so hoch seien. Insgesamt gelte es, das System der Kommunalfinanzierung auch für diese Kommunen zu verbessern.
Voraussetzung für eine bundeseinheitliche Lösung sei es, dass die Länder zu strukturellen und nachhaltigen Lösungen kommen. Vor allem die stark betroffenen Länder seien am Zug, Engagement in Aussicht zu stellen. Die Stadt Pirmasens beklagt gerade des Land Rheinland-Pfalz bezüglich ihrer Finanzausstattung. Wanderwitz sprach von der „Veränderungsnotwendigkeit in Land-Kommunal-Finanzen“. Die Länder müssten sich „erheblich bewegen“, damit die Bundeshilfe kein Tropfen auf den heißen Stein sei. In Rede standen Summen an Bundesmitteln in der Größenordnung von 15 bis 20 Milliarden Euro. Aktuell sei der Bund in Einzelgesprächen mit den 16 Ländern und ziele darauf ab, in den nächsten Monaten eine Einschätzung bezüglich eines Lösungsansatzes abgeben zu können.