Helmut Dedy fordert neue Coronahilfen von Bund und Ländern für die Städte. Auf die Zentren sieht er große Transformationsaufgaben zukommen.

„Um die finanzielle Investitionskraft der Städte zu erhalten, brauchen wir das klare Signal von Bund und Ländern: Wir lassen Euch nicht im Regen stehen!“ Das erwartet Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Der Städtetag appelliert „dringend“ an den Bund und an die Länder, wie 2020 in der Coronakrise die Ausfälle der Gewerbesteuereinnahmen von Kommunen auch 2021 und 2022 zu kompensieren. „Das hat im vergangenen Jahr enorm viel gebracht“, sagt Dedy in einem Statement gegenüber der OBM-Zeitung.

Dedy fordert weitere Finanzhilfen von Bund und Ländern

Allein in diesem Jahr sei mit einem kommunalen Defizit von bundesweit mindestens 7,5 Milliarden Euro rechnen. In den kommenden vier Jahren zusammengenommen drohten Defizite für die Kommunen in Höhe von 35 Milliarden Euro. Der Lockdown führe voraussichtlich zu steigenden Ausfällen bei der Gewerbesteuer.

Demgegenüber stemmten die Kommunen über die Hälfte der öffentlichen Sachinvestitionen. „Wenn unsere Investitionen kippen, dann fehlt ein Großteil der Aufträge für Wirtschaft und Handwerk vor Ort“, warnt Dedy. Das Bundesfinanzministerium teilte in der vergangenen Woche auf OBM-Nachfrage mit, die Frage nach neuen Hilfen betreffe in erster Linie die für Kommunalfinanzen zuständigen Länder.

Innenstadtakteure: „Wichtig, dass Coronahilfen schnell ankommen“

Darüber hinaus stehen viele Innenstädte vor Transformationsprozessen. Der Wandel hat vielerorts lange vor Corona eingesetzt, wird durch die Pandemie und den damit verbundenen Lockdown nun aber dynamisiert. „Das setzt den Handel in den Innenstädten enorm unter Druck“, sagt Dedy. „Kaufhausfilialen in zentralen Lagen schließen, und Fachhändler geben auf. Besonders Geschäfte für Textilien oder Schuhe sind betroffen.“

Dabei hielten viele Händler im aktuellen Lockdown ihr Geschäft mit kreativen Angeboten zumindest teilweise aufrecht, etwa mit Onlinekaufberatungen, Liefer- und Abholservices oder Versandangeboten. „Das kann aber nur einen Teil der Verluste ausgleichen“, so Dedy. „Deshalb ist es wichtig, dass die Coronahilfen des Bundes und der Länder sehr schnell bei den betroffenen Händlern ankommen.“

Zuletzt taten sich mehrere Oberbürgermeister mit der Kritik hervor, dass die Coronahilfen nur sehr zögerlich liefen und der Zeitverzug für viele lokale Unternehmen teils existentiell sei. Dies bedrohe nicht zuletzt die Vitalität der Zentren.

Vitalität von Zentren: Transformationsaufgaben für Innenstädte

Was den Trend zum Onlinehandel angeht, sieht Dedy auch unabhängig von der Coronakrise auf die Städte große Transformationsaufgaben zukommen. „Die Veränderungen im Kaufverhalten werden sich kaum zurückdrehen lassen und sich eher noch verstärken“, sagt er. „Unsere Innenstädte werden und müssen sich verändern.“ Darin liege allerdings eine Chance, sich stärker lokal und regional zu profilieren. „Regional und nachhaltig produzierte Güter werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.“

Gleiches gelte für neue Innenstadtkonzepte, die urbane Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten müssten. „Die Städte wollen in ihren Zentren einen Mehrwert bieten, etwas, was es online nicht gibt“, erklärt Dedy. Dieser Ansatz korrespondiere mit dem Bedürfnis der Menschen nach lebendigen Stadtzentren. In den Innenstädten gebe es „viel Potenzial für Identifikation“, sagt Dedy. „Wer in die Innenstadt kommt, möchte anderen begegnen, mit anderen kommunizieren und etwas Besonderes erleben. Damit das klappt, müssen die Zentren attraktiver werden und mehr Vielfalt bieten.“

Weniger abhängig vom Handel, mehr Nutzungsvielfalt

Im Augenblick seien viele Zentren noch zu einseitig ausgerichtet. „Derzeit sind die Innenstädte zu sehr vom Einzelhandel abhängig.“ Der strategische Ansatz, um die Stadtkerne vital und frequentiert zu halten, sei, die dortige Nutzungsvielfalt zu erhöhen. Dedy: „Deshalb wollen wir mehr Raum für Wohnen, Arbeiten, Produktion in der Innenstadt schaffen. Und wir wollen verstärkt Handwerk, Kultur und soziale Einrichtungen in zentrale Lagen holen. Kitas, Schulen, Bibliotheken und mehr Grünflächen ziehen mehr Menschen in die Innenstadt.“

Von einer „Symbiose aus Erlebnis, Verweilen, Begegnungen“ und der damit verbundenen Publikumsfrequenz profitiere schließlich der Handel. „Natürlich kann es nicht darum gehen, überholte Geschäftsmodelle künstlich aufrecht zu erhalten“, schickt Dedy voraus. „Aber Kaufhäuser können eine Zukunft haben, wenn sie ihr Angebot anpassen, Services ausbauen, neue Geschäftsfelder entdecken. Sie bleiben wichtige Anker für viele andere Geschäfte und die Gastronomie, da sie mit einem breiten Warenangebot zum Mitnehmen locken.“

In die Zukunft des stationären Handels in der Innenstadt wiesen überdies die Popupstores, mit denen große Onlinehändler Direktverkauf und Lieferung ins Geschäft ausprobieren. „Das kann auch für Kaufhäuser eine Chance sein“, so Dedy.

Immobiliensituation wichtiger Erfolgsfaktor für Innenstadtstrategien

Ein wichtiger Faktor bei der Transformation der Zentren sei allerdings der örtliche Immobilienmarkt. „Klar ist: Dafür brauchen wir ein Mietniveau, das nicht nur auf High-End-Mieter ausgerichtet ist“, unterstreicht Dedy. „Überspitzt kann man sagen: Mieten runter, Menschen rein!“ Ein konkreter Lösungsansatz könne die lokale Zusammenarbeit zwischen Städten, Vermietern, Mietern sowie Handwerkern, Händlern, Gastronomen und Kulturschaffenden an einem Innenstadtkonzept sein, regt Dedy an.

Zudem könne es, um Leerstände zu vermeiden, helfen, „wenn Städte selbst oder Treuhänder in ihrem Auftrag eine Zeit lang Eigentümer von Schlüsselimmobilien werden oder über sie verfügen können“. So könne die jeweilige Kommune bei der Entwicklung eines städtebaulich markanten Leerstands steuernd eingreifen. „Zwischennutzungen, etwa von aufgegebenen Kaufhausfilialen, werden dann möglich. Neue Nutzungen und Mischungen können darin erprobt werden“, sagt Dedy.

„Die Städte brauchen dafür rechtssichere Instrumente und die notwendigen finanziellen Möglichkeiten. Helfen würde etwa, wenn Bund und Länder die Mittel für die Städtebauförderung erhöhen“, so der Hauptgeschäftsführer des Städtetags.

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