Von einem Innenstadt-Förderprogramm des Bundes zeigt sich OBM Kaminsky „entsetzt“. Das Bauministerium verweist aufs Bewilligungsprocedere.

Claus Kaminsky, Oberbürgermeister der hessischen Stadt Hanau, kritisiert das Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ als „Bürokratiemonster“. Über die „zähe Abwicklung“ des Förderprogramms sei er „entsetzt, erzürnt, enttäuscht“. Er verlangt eine rasche Umsetzung und Mittelfreigabe. Dies schrieb Kaminsky vor wenigen Wochen in einem offenen Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz. Nun fordert er sie abermals dazu auf, „die zugesagten Mittel sofort freizugeben“ oder „das Schauspiel zu beenden“. Dies teilte die Stadt am Montag in einer Pressemeldung mit. Auf Nachfrage von #stadtvonmorgen reagiert das Ministerium gelassen auf die Kritik. Die Förderung setze ein Procedere voraus, das „den Vorgaben des Zuwendungsrechts des Bundes und den komplexen Anforderungen im Projektaufruf entspricht“, heißt es aus dem Ministerium.

238 Kommunen kommen für Förderung in Frage

Im November 2021 wurde das Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ vom Bund aufgelegt. Es umfasst ein Volumen von 250 Millionen Euro. Ausweislich der Webseite des Bauministeriums zielt es darauf ab, die Transformation der Innenstädte zu unterstützen. Vielerorts sind die Zentren unter anderem aufgrund des Strukturwandels im Einzelhandel einer Umwälzung unterworfen. Die Lockdowns während der Coronakrise dynamisierten diesen Prozess.

Das Förderprogramm wolle Kommunen „modellhaft bei der Erarbeitung von innovativen Konzepten und Handlungsstrategien fördern“, heißt es auf der Internetseite des Ministeriums. Die Kommunen würden „während der gesamten Projektlaufzeit durch eine Begleitagentur unterstützt“. Laut einer auf der Webseite hinterlegten Liste mit „zur Förderung vorgesehener Kommunen“ kommen dafür 238 in Betracht.

„Ein Schicksalsjahr für das Kulturgut Innenstadt“

Darunter ist Hanau. Kaminsky vermeldete im November 2021 euphorisch, dass die Stadt ins Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ aufgenommen sei und bereits eine Zusage für Fördermittel in Höhe von 3,75 Millionen Euro erhalten habe. Doch heute zeigt sich der Oberbürgermeister ernüchtert: Bisher sei kein Geld geflossen. Es fehlten zudem „verwertbare und verlässliche Aussagen zum Maßnahmenbeginn“. Dies lähme die Vorhaben.

Hanau stehe in den „Startlöchern“, könne einzelne Maßnahmen aber nicht beginnen. Zwar setze die Stadt unter dem Motto „Hanau aufLADEN“ bereits ein umfassendes Innenstadtkonzept um. Um weitermachen zu können, warte sie an vielen Stellen aber auf die dafür wichtigen Bundesmittel. Unter anderem stockten die Einstellung eines Citymanagers sowie die Einrichtung eines „Service- und Beratungszentrums Innenstadt“ für lokale Einzelhändler und Gastronomen. Kaminsky mahnt zur Eile: „Es ist ein Schicksalsjahr für das europäische Kulturgut Innenstadt.“

Wenig Zeit im „Förderantragsdschungel“

Selbst wenn der Zuwendungsbescheid in der zweiten Jahreshälfte endlich komme, helfe er wohl nur bedingt weiter. Denn die Stadt müsse dann in kurzer Zeit das Geld ausgeben, das ursprünglich für das gesamte Jahr eingeplant war. Das wäre hinsichtlich der Zeitfenster für Auftragsvergaben an vielen Stellen voraussichtlich nur schwer möglich. „Die Befürchtung treibt mich um, dass auch hier ein dringend benötigter Anteil des Fördervolumens versickern wird, weil wir als Kommune es schlicht nicht mehr ausgeben können“, warnt Kaminsky. Entsprechend fordert er, dass Städte ihre Zuwendungsmittel für 2022 pragmatisch ins Jahr 2023 übertragen können.

Darüber hinaus bemängelt der Oberbürgermeister die aus seiner Sicht überbordende Bürokratie im „Förderantragsdschungel“. Die Stadt habe mittlerweile eine dritte, überarbeitete Fassung ihres Förderantrags an eine Begleitagentur des Ministeriums übersenden müssen. So leite das „atemberaubende Konstrukt des Förderprogramms“ Fördergelder, die die Kommunen „für konkrete Projekte hätten nutzen können“, in die Arbeit von Begleitagenturen, meint der Oberbürgermeister. Er habe sogar vernommen, dass manche Kommune längst einen Rückzug aus dem Programm erwöge.

„Vielversprechende Projekte bald starten und zügig umsetzen“

Auf #stadtvonmorgen-Nachfrage bekennt sich das Bundesbauministerium zu „einer schnellstmöglichen, flexiblen Bewilligung der Zuwendungen“. Diese liege in seinem Interesse, „damit die vielversprechenden Projekte zur Stärkung der Zentren bald starten und zügig umgesetzt werden können“, teilt eine Ministeriumssprecherin mit.

Gleichwohl seien die Förderanträge gemäß Bundeshaushaltsordnung zu prüfen und zu bewilligen. Daraus ergebe sich „die geforderte Detailschärfe der Einzelmaßnahmen einschließlich der geplanten Ausgabenansätze“. Zuwendungszweck, Ausgaben- und Finanzierungsplan müssten „ausreichend konkret im Zuwendungsbescheid bestimmt werden“. Der Bescheid für den vorzeitigen Maßnahmenbeginn sei seitens des Ministeriums am 30. Juni 2022 erstellt worden.

Wirtschaft im Hof: Popup-Gastronomie in Hanau (Quelle: Stadt Hanau/David Seeger)

Wirtschaft im Hof: Popup-Gastronomie in Hanau (Quelle: Stadt Hanau/David Seeger)

„Hanau aufLADEN“: Innovative Ideen für die City

Das Konzept „Hanau aufLADEN“ wurde bereits vor der Coronakrise entwickelt. Es ging 2020 an den Start. Damit wollen die Stadt und die städtische Marketinggesellschaft Impulse für die Attraktivität der Innenstadt setzen sowie Leerständen entgegenwirken. Zu den Instrumenten gehört eine Vorkaufsrechtssatzung, mit der sich die Stadt einen größeren Einfluss auf den Immobilienmarkt erschließt. Ebenso unternimmt die Stadt Marketinganstrengungen wie eine lokale Gutscheinaktion, die sie mit dem örtlichen Marketingverein umsetzt. Aus einem städtischen Konjunkturprogramm erhalten Immobilienbesitzer außerdem Zuschüsse, wenn sie ihre Ladenfassaden verschönern.

Augenfällig sind überdies sogenannte Pop-Up-Konzepte, also temporär angemietete Läden oder Lokale für Handel oder Gastronomie. Hier unterstützt die Stadt etwa kreative Jungunternehmer, die ihre Geschäftsideen zeitlich befristet ausprobieren und so gleichzeitig in der Innenstadt „frische“ Akzente setzen. Die Kommune selbst betätigte sich als Pop-Up-Betreiberin für ein Kunstkaufhaus (Foto oben), in dem regionale Künstler ihre Werke ausstellen und verkaufen. 2021 bezifferte Kaminsky die jährlichen Investitionen im Zusammenhang mit „Hanau aufLADEN“ auf rund eine Million Euro.

Zuletzt hatte sich das Land Hessen mit einer Förderung in Höhe von 250.000 Euro aus seinem Programm „Zukunft Innenstadt“ an „Hanau aufLADEN“ beteiligt. Am Dienstag teilte die Stadt außerdem mit, dass sie in der zweiten Phase des Landesprogramms abermals 300.000 Euro erhält. Zudem finden die Hanauer Projektideen nach Angaben der Stadt bundesweit Beachtung. Etwa ist Hanau eine von 15 Modellkommunen in der Initiative „Stadtlabore für Deutschland: Leerstand und Ansiedlung“ des Bundeswirtschaftsministeriums.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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