Unter dem Titel „Lebenswerte Innenstädte der Zukunft“ legt der Deutsche Städtetag gemeinsam mit dem Handelsverband Deutschland, der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) und dem Deutschen Kulturrat heute ein Positionspapier vor. Darin fokussiert die Verbändeallianz die Innenstadtentwicklung. Sie untermauert zudem eine Forderung des Städtetags: Um die Transformation der Zentren erfolgreich zu gestalten, brauche es ein Bundesprogramm. Das soll auf mindestens fünf Jahre mit 500 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet sein.
Strukturverschiebungen im Einzelhandel
Die Zentren sähen sich tiefgreifenden Umwälzungen ausgesetzt. „Die Veränderung des Einkaufsverhaltens führt zu enormen Strukturverschiebungen zulasten des stationären Handels“, heißt es im Papier. Die Coronakrise hatte diesen Prozess beschleunigt. Dies führt vielerorts zu Leerständen. „Zwischen- und Umnutzungen sowie Neuansiedlungen brauchen neue Strategien und Konzepte“, konstatieren die Verbände. Um diese erfolgreich umzusetzen, bedürfe es eines gemeinsamen Engagements von Bund, Ländern, Kommunen, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft.
Die Transformation der Innenstadt sei demnach eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Sie berge aber auch die Perspektive, Neues zu entwickeln. Die Chance liege in einer „Neuverteilung des öffentlichen Raums mit klugen Verkehrskonzepten, mit einer perspektivisch emissionsfreien urbanen Mobilität und mehr Stadtgrün“. Es müsse darum gehen, die Erlebnisqualität der Zentren zu steigern – „für ein Erleben der Stadt, für den Stadtbummel, für Handel und Gastronomie, die Kultur oder Spiel- und Sportplätze“.
Besteuerung der Onlinehändler zugunsten der Städte
Zur Attraktivität der Innenstädte gehöre ein Nutzungsmix aus Wohnen, Arbeiten, Handel, Wirtschaft und Freizeit. In diesem Zusammenhang spiele die Kultur eine prägende Rolle. Städte seien Orte der Kultur. Die Kultur belebe Innenstädte, trage zur Kommunikation, zu Begegnungen, zum öffentlichen Diskurs und zur Lebensqualität bei.
Ebenso schaffe der Handel, selbst wenn er Strukturverschiebungen unterworfen sei, Anziehungspunkte in den Zentren. Die Innenstadtpolitik müsse sich also nach wie vor auch ihm widmen. Dies müsse unter dem neuen Vorzeichen der Digitalisierung geschehen. „In der Transformation sind Wettbewerbs- und Chancengleichheit wichtig. Die großen internationalen Onlineplattformen müssen einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung der Infrastruktur in den Städten leisten.“ Das Positionspapier schlägt eine „Mindestbesteuerung globaler Onlinehändler“ vor. „Das Geld muss in den Städten ankommen.“
Städte brauchen „Beinfreiheit und finanziellen Spielraum“
Dabei zeigen die Verbände auch die Schnittmengen zu anderen Politikfeldern auf, die die Transformation der Innenstädte mit sich bringt. Beispielsweise komme es für die Prosperität der Zentren nicht zuletzt „auf eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Bodenpolitik an“, und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum dürfe „nicht allein dem Markt überlassen werden“. Ähnliches gelte für die Verkehrspolitik: „Lebenswerte Innenstädte brauchen einen leistungsfähigen und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr und sind auf eine optimale Erreichbarkeit angewiesen. Wir müssen mehr Anreize für einen klimagerechten Mobilitätswandel setzen.“
Um all dies umsetzen zu können, bräuchten Städte „Beinfreiheit und finanziellen Spielraum für Investitionen“, sagt Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Das gemeinsame Positionspapier der Verbände stehe „exemplarisch für einen Prozess, der Synergien aufzeigt und einen Interessenausgleich organisiert“, erklärt Difu-Leiter Carsten Kühl. „Innenstädte sind Orte der kulturellen Identität, der Wertschöpfung und des sozialen Miteinanders. Veränderungsprozesse müssen intelligent, kreativ und partizipativ gestaltet werden.“