Die Lokalpolitiker tragen tiefe Sorgenfalten auf der Stirn: Der Verlust des örtlichen „Einzelhandelsflaggschiffes“ würde „eine Negativspirale unbekannten Ausmaßes in Gang setzen“, heißt es in einer Resolution, die der Stadtrat von Bayreuth in seiner gestrigen Sitzung nach einem diesbezüglichen Dringlichkeitsantrag verabschiedet hat. Darin fordert er den Erhalt des Karstadt-Standorts „an prominentester Stelle“ in der Bayreuther Innenstadt. Das Lokalparlament unterstreicht die „herausragende Funktion“, die das Kaufhaus „im aktuellen und zukünftigen Angebot für die Kunden aus Bayreuth und dem oberzentralen Einzugsbereich“ hat.
Galeria Karstadt Kaufhof: Schieflage bedroht Innenstädte
Bayreuth ist mit seinen Sorgen nicht alleine. Die neue Schieflage des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof besorgt die Städte, die von Filialschließungen betroffen sein könnten. Viele sehen die Vitalität ihrer City bedroht. Daher berieten das Präsidium und der Hauptausschuss des Deutschen Städtetags bei ihren Sitzungen in Chemnitz über die Zukunft der Zentren. „In vielen Innenstädten und Ortskernen ist die Situation schwierig, teilweise angespannt“, sagte Städtetag-Präsidiumsmitglied Thomas Kufen, Oberbürgermeister von Essen, heute bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Beratungen.
Auf die Lockdowns während der Coronakrise folge nun angesichts der Inflation und steigender Energiepreise ein weiterer Einbruch der Kaufkraft. Derweil nehme der Onlinehandel stetig zu. Die Bedeutung des Einkaufens in der Stadt schwinde. „Früher erfolgreiche Konzepte haben heute keine Überlebenschance“, sagt Kufen mit Blick auf den Einzelhandel. In vielen Zentren käme es daher zu Leerständen, ihre Attraktivität sei bedroht. „Unsere Innenstädte müssen sich deshalb neu erfinden.“
Städtetag fordert „schnelle und gezielte Hilfe“
Die sich abzeichnenden Schließungen von Filialen des Konzerns Galeria Karstadt Kaufhof sorgten in diesem Kontext für zusätzliche Herausforderungen. Sie träfen die jeweiligen Innenstädte hart. Denn in den meisten Fällen seien die Filialen zentrale Ankerpunkte und Publikumsmagnete in ihrer City. „Viele Städte bangen und kämpfen um den Erhalt ihrer Kaufhäuser. Nicht überall wird es gelingen. Städte, die davon getroffen werden, brauchen deshalb schnelle und gezielte Hilfe, um Alternativen zu entwickeln“, sagt Kufen.
Konkret fordert er, „dass die von Galeria-Karstadt-Kaufhof-Schließungen betroffenen Städte auch nachträglich noch Förderanträge für das ‚Bundesprogramm Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren‘ einreichen können“. Außerdem regt er an, dass der Zwischenerwerb von Großimmobilien in Einzelfällen vom Bund als förderfähig anerkannt wird. Dies schaffe den Städten zusätzliche Handlungsspielräume. Kufen erinnert daran, dass es in zahlreichen Städten bereits Beispiele gibt, in denen ehemalige, leerstehende Kaufhäuser umgebaut, umgenutzt und mit neuem Leben gefüllt wurden. Oft hätten Kommunen wichtige Impulse für eine positive Entwicklung gegeben. Öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken oder Bürgerservices könnten zu neuen Frequenzbringern werden.
Förderprogramme von Bund und Ländern justieren
Darüber hinaus drängt der Städtetag darauf, „dass der Bund die fast ein Jahr verspätet bereitgestellten Mittel des ‚Bundesprogramms Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren‘ von 250 Millionen Euro über 2023 hinaus zur Verfügung stellt“. Denn der Material- und Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft erschwere den fristgerechten Abruf der Gelder. Zudem müsse das Bundesbauministerium die Plattform „unsere stadtimpulse“ weiter finanzieren. Die Förderung lief 2022 aus. Die Internetseite zeigt kostenlos herausragende Praxisbeispiele für die Transformation der Innenstadt. „Die Erfolge der Plattform dürfen nicht einfach verspielt werden“, meint Kufen.
Grundsätzlich bräuchten die Städte Unterstützung bei der Umwälzung ihrer Zentren. Die Transformationsaufgaben seien gewaltig. Entsprechend müssten der Bund und die Länder ihre Innenstadtprogramme danach ausrichten, so Kufen.
Innenstadt von morgen: vielfältig, attraktiv, klimagerecht
Die Innenstadt von morgen zeichne sich durch vielfältige Nutzungen und hohe Aufenthaltsqualität aus, blickt Kufen in die Zukunft. Um ihre zentralen Funktionen zu erhalten, müssten Innenstädte mehr Möglichkeiten der Begegnung und des Erlebens schaffen. „Nutzungsvielfalt, saubere, einladende öffentliche Räume, mehr Grün und Wasser in der Stadt sind dafür zentral. Mehr grüne und blaue Infrastruktur zahlt zugleich auf den Umbau zur klimagerechten Stadt ein.“
Doch während Kufen bereits Konzepte für die Zukunft der Zentren entwirft, ringt man in Städten wie Bayreuth noch darum, die bestehende Struktur zu erhalten. Das ist auch in Speyer der Fall. Dort engagiert sich Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler für den Erhalt des Kaufhauses. Nach jüngsten Medienberichten über Filialschließungen bange die Stadt darum, sagt sie. Doch die Verwaltung tue „weiterhin alles“ für die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Sie wolle in den kommenden Tagen mit den Gebäudeeigentümern sprechen. „Darüber hinaus wird die Stadt eine Absichtserklärung zur nachhaltigen Unterstützung von Galeria Kaufhof an die Geschäftsleitung übermitteln“, sagt Seiler, „aber auch positive Signale von potenziellen Interessenten an diesem Standort wahrnehmen und gegebenenfalls heranziehen.“ Die Oberbürgermeisterin will sich wohl für alle Fälle rüsten.