Erlangen startet ein „Experiment“: In der City werden ÖPNV-Fahrten kostenlos. Dies soll die Attraktivität der Innenstadt fördern.

Die bayerische Stadt Erlangen richtet den ÖPNV in ihrer Innenstadt kostenlos aus. Am dem 1. Januar 2022 kann der ÖPNV auf der sogenannten Klinik-Linie, die einen Großparkplatz am Hauptbahnhof mit der nördlichen Altstadt und den Unikliniken verbindet, gratis genutzt werden. Ab 2023 sollen weitere Teile der Innenstadt ebenfalls von diesem Angebot erfasst werden. Die Kosten dafür trägt die Stadt. Welche Ziele sie damit verbindet, erklärt OBM Florian Janik.

Gratis-ÖPNV in Erlangen: Beitrag zur Attraktivität der Innenstadt

OBM: Herr Dr. Janik, warum ein kostenloser ÖPNV für die Innenstadt in Erlangen? Und wie modellhaft ist Ihr Vorhaben?

Florian Janik: Wir sind nicht die ersten, die sich mit einem kostenlosen ÖPNV beschäftigen. In Bayern hat sich beispielsweise die Stadt Augsburg auf einen ähnlichen Weg gemacht. Für uns waren dafür drei Gründe ausschlaggebend: Erstens wollen wir den Autoverkehr, insbesondere den Parksuchverkehr, deutlich zurückdrängen. Unsere Buslinien sind daher mit einem Großparkplatz vernetzt. Wir möchten die Leute also dazu bewegen – wenn sie schon mit einem Auto in die Stadt fahren –, Parkplätze wie diesen und möglichst nicht das Fahrzeug in der City zu nutzen. Die Verminderung des Autoaufkommens ist entscheidend für die Lebens- und Aufenthaltsqualität im Zentrum. Zweitens steht unser Vorhaben im Zusammenhang mit dem Klimaschutz und der Förderung alternativer Verkehrsmittel. Drittens möchten wir ein Statement in Richtung Handel und Gastronomie senden: Wir schaffen in der Innenstadt für die Menschen ein attraktives Mobilitätsangebot. Einfacher, als in der Innenstadtzone den ÖPNV kostenlos nutzen zu können, geht es nicht.

OBM: Zuletzt hat der Stadtrat im Zusammenwirken mit einer Bürgerinitiative, dem sogenannten Radentscheid, ein Maßnahmenbündel zur Förderung des Fahrradverkehrs verabschiedet. Steht der Gratis-ÖPNV auch in diesem Kontext?

Florian Janik: Das steht in diesem Zusammenhang nicht direkt auf der Agenda, passt aber schon zusammen. Denn selbstverständlich trifft es die Philosophie des Radentscheids, Verkehrsmittel als Alternative zum Auto – den ÖPNV und den Umweltverbund – zu fördern.

Kostenlos-ÖPNV trotz Coronakrise in Erlangen

OBM: Nun sorgt die Coronakrise in vielen Städten für einen Wandel im Verkehrsverhalten und in der Mobilität. Der ÖPNV leidet unter rückläufigen Fahrgastzahlen und -einnahmen. Wie ist die Situation diesbezüglich in Erlangen? Und wie waghalsig ist es denn, in einer solchen Zeit auch noch kostenlose Angebote zu unterbreiten?

Florian Janik: Die Situation in Erlangen ist ähnlich wie anderswo. Auch bei uns ist die Nutzung des ÖPNV zurückgegangen. Die Menschen verhalten sich aufgrund der Coronakrise eben vorsichtig, was mögliche Kontakte mit anderen betrifft. Aber wenn wir als Gesellschaft weiter mobil sein wollen und wenn wir wissen, dass das Auto nicht das Verkehrsmittel der Zukunft sein kann, dann müssen wir überzeugende Angebote zum Umstieg machen. Letztlich handelt es sich um ein Serviceangebot, in einem bestimmten Bereich der Innenstadt den ÖPNV mit attraktivem Takt kostenlos nutzen zu können. Ich halte das im Zusammenhang mit der Coronafrage nicht für besonders riskant. Es ist eher ein Appetizer für den ÖPNV …

OBM: Aber wenn der ÖPNV nun unter rückläufigen Fahrgasteinnahmen leidet, erhöht ein kostenloses Angebot nicht diesen Finanzdruck?

Florian Janik: Der Finanzdruck auf den ÖPNV ist hoch, das war schon vor Corona so. Das ist ein grundsätzliches Thema und betrifft die Frage nach der Finanzierung des ÖPNV allgemein. Hier vertrete ich die Haltung, dass – sofern wir gesamtgesellschaftlich den Umstieg auf den Umweltverbund wollen – Bund und Land nicht nur den Bau von Infrastruktur, sondern auch den Betrieb unterstützen sollten.

„Experiment“: Wie der Gratis-ÖPNV auf Klima und Verkehr wirkt

OBM: Welche Effekte erwarten Sie denn von dem Gratis-ÖPNV auf die Kämmerei?

Florian Janik: Tatsächlich wissen wir noch nicht, wie sich unser Vorhaben im Detail finanziell auswirkt. Wir erfassen zunächst, wie viele Personen das Kostenlosangebot überhaupt nutzen. Je mehr Personen es nutzen, umso höher wird die finanzielle Belastung der Stadt. Denn jede Kostenlosfahrt „kauft“ die Stadt beim Verkehrsverbund Großraum Nürnberg, dem VGN. Wir haben uns dazu entschieden, diese Leistung für unsere Bürger zu übernehmen. Für uns ist es ein Experiment, wir sammeln derzeit Erfahrungsdaten. Auch wir sind neugierige Beobachter und sehen dem Ergebnis entgegen, wie sich ein solches Angebot auf lokale Verkehrs-, Klima- und Umweltdaten auswirkt.

OBM: Wenn Sie vom Experiment sprechen: Ist das Vorhaben denn zeitlich befristet?

Florian Janik: Das liegt letztlich in der Hand des Stadtrats. Doch die Einführung des Gratis-ÖPNV ist nicht befristet.

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