Am Mittwoch läuft das Neun-Euro-Ticket aus, Fortsetzung offen. Stuttgarts Oberbürgermeister Nopper fordert eine ÖPNV-Offensive.

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zieht eine positive Bilanz des Neun-Euro-Tickets. Ob die Aktion ein Strohfeuer bleibt oder fortgesetzt wird, ist derzeit allerdings noch offen. Dies sorgt auch auf kommunaler Ebene für Fragen: Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper fordert im Anschluss an die Ticketaktion von Bund und Ländern eine Offensive für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).

Neun-Euro-Ticket sorgt für CO2-Einsparung

In den vergangenen drei Monaten galt das Ticket mit dem Monatspreis von neun Euro bundesweit als Fahrschein im Nahverkehr. Es sollte die Bürger von steigenden Energiepreisen entlasten und zugleich nach der Coronakrise die Rückkehr der Fahrgäste in den öffentlichen Verkehr begünstigen. Nach Angaben des VDV wurden im Aktionszeitraum rund 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Es habe messbare Umstiege auf den ÖPNV ausgelöst und Fahrten mit dem eigenen Pkw reduziert.

Monatlich seien so etwa eine Milliarde Autofahrten eingespart worden. Die Klimawirkung entspreche einer Einsparung von rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 im Aktionszeitraum. Gegenüber den Städten sei das Ticket in ländlichen Regionen jedoch auf eine weitaus geringere Resonanz gestoßen. Laut Marktforschung hänge dies insbesondere mit einem unzureichenden ÖPNV-Angebot im ländlichen Raum zusammen, heißt es vom VDV.

Neun-Euro-Ticket: Nachfolgeregelung unklar

Bei einer Pressekonferenz am vergangenen Montag bilanzierten VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff sowie die Landesverkehrsminister Maike Schaefer aus Bremen, Guido Beermann aus Brandenburg, Petra Berg aus dem Saarland und Winfried Hermann aus Baden-Württemberg die Aktion. Schaefer ist zugleich Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. Sie verbucht das Neun-Euro-Ticket als „Erfolg“.

Dieser könne sich allerdings nur nachhaltig einstellen, „wenn es eine Nachfolgeregelung gibt“. Daran hake es im Augenblick: Der Bund sei in der Verantwortung, auf dem Tisch liegende Vorschläge zu strukturieren und eine diesbezügliche Idee zu entwickeln. Es sei parteiübergreifend die Forderung der Verkehrsressorts der Bundesländer an Bundesverkehrsminister Volker Wissing, „dass er uns mit Lösungsvorschlägen beglückt“.

Günstige Tarife und Investitionen in die Qualität

Neben einem günstigen Tarif gelte es auch, „in die Qualität zu investieren“. Dies sei ebenfalls eine Erkenntnis aus der Aktion: Nicht nur der Preis, sondern auch das Angebot seien wichtige Faktoren, um die Verkehrswende voranzubringen und die Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Dies betreffe insbesondere die ländlichen Gebiete und die Randbezirke der Großstädte. „Wenn es ein Beitrag zur Mobilitätswende werden soll, brauchen wir Investitionen in die Qualität“, so Schaefer. Es bedürfe eines Streckenausbaus.

Dafür müssten dringend die Regionalisierungsmittel vom Bund erhöht werden. Ansonsten drohten – gerade in Krisenzeiten und angesichts dramatisch steigender Energiepreise – „Tariferhöhungen oder Abbestellungen von Leistungen“. Anstelle notwendiger Investitionen komme es dann wohl zu Kürzungen. Denn allein die Aufrechterhaltung des bestehenden Angebots sei vielerorts eine immense finanzielle Herausforderung. Es gelte, die Grundfinanzierung des öffentlichen Verkehrs zu sichern. Die Länder seien bereit, ihren Beitrag zu leisten. Gleichwohl sei hier der Bund ebenfalls gefragt.

Wissing und Lindner im Fokus: „Blockadehaltung“?

Gegenüber der Bundesregierung, genauer Verkehrsminister Wissing und Finanzminister Christian Lindner, spart Schaefer nicht mit Kritik und wirft ihnen eine „Blockadehaltung“ vor. Wolle man den Schwung des Neun-Euro-Tickets in die Zukunft nehmen, müsse ernsthaft über dessen Fortsetzung diskutiert werden. Die Gespräche dürften nicht in den Herbst verschoben werden. Insbesondere von Wissing zeigt sich die Runde beim Pressegespräch „enttäuscht“. Hermann: „Ich hätte erwartet, dass sich der Bundesverkehrsminister an die Spitze der Bewegung zur Förderung von mehr Mitteln für den ÖPNV setzt.“

Nopper fordert ÖPNV-Offensive von Bund und Ländern

Derweil schlägt die Unsicherheit bezüglich der Fortführung des Neun-Euro-Tickets auf die kommunale Ebene durch. Dessen Auslaufen ohne klare Nachfolgeregelung sorgt dort für Fragen. So meldete sich heute Oberbürgermeister Nopper aus Stuttgart zu Wort. Er fordert eine ÖPNV-Offensive von Bund und Land.

Diese solle aus drei Säulen bestehen. Neben „dauerhaft attraktiven und fairen Tarifen“ schlägt Nopper eine Förderung von elektro- und wasserstoffangetriebenen Fahrzeugen vor. Zudem müssten die ÖPNV-Infrastruktur und -Angebote verbessert werden. „Schon die derzeit stark steigenden Preise für Diesel und Bahnstrom sowie die schnellstmögliche Umstellung der Fahrzeuge auf alternative Antriebe können die Kommunen nicht alleine schultern“, erklärt Nopper. Dies gelinge sogar vergleichsweise finanzstarken Städten wie Stuttgart nicht ohne Hilfe von Land und Bund.

Nopper warnt vor Kürzungen des ÖPNV-Angebots

Auch Nopper warnt vor Kürzungen des bestehenden Angebots. „Bund und Land müssen den Kommunen beim ÖPNV neuen Atem einhauchen, sonst geht Städten, Gemeinden und ihren Verkehrsunternehmen irgendwann die Luft aus“, sagt der Oberbürgermeister. „Bund und Land sollten den Schwung des Neun-Euro-Tickets für eine kraftvolle ÖPNV-Offensive nutzen – ansonsten war das Neun-Euro-Ticket nur ein kurzes Strohfeuer für den ÖPNV.“

In Stuttgart habe sich das Neun-Euro-Ticket durchaus als Impulsgeber für den ÖPNV erwiesen. „Dank des Tickets ist die Nachfrage wieder auf das Vorpandemie-Niveau gestiegen“, meint Nopper. Rund drei Millionen Tickets seien vor Ort abgesetzt worden. Als Oberbürgermeister ist Nopper Aufsichtsratsvorsitzender des Verkehrsverbunds Stuttgart und der Stuttgarter Straßenbahnen.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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