Thomas Fehling ist seiner Zeit voraus. Als der Bürgermeister der hessischen Stadt Bad Hersfeld im Juni 2019 mit der OBM-Zeitung sprach, berichtete er von einem innovativen Konzept. Die Stadt verzeichnete in der Fußgängerzone einen permanenten Lieferverkehr, der, so Fehling, die Aufenthaltsqualität stark beeinträchtigte. Seine Idee war es also, Depots einzurichten, an denen Lieferungen der Paketzusteller gesammelt und auf der „letzten Meile“ mit emissionsfreien und im Verkehrsraum platzsparenden Lastenrädern verteilt werden könnten.
Mannheim, Dortmund, Hamburg: Mikrodepot-Idee lebt auf
Doch das „City-Logistik“-Konzept der Stadt setzte sich nicht durch. Das lag unter anderem daran, dass miteinander konkurrierende Paketdienstleister sich lokal nicht vernetzen wollten. Stattdessen bestanden sie darauf, sich gerade auf der „letzten Meile“ im direkten Kontakt gegenüber ihren Kunden eigenständig präsentieren zu können. Die Stadt sperrte die Zugänge zur Innenstadt also erst einmal mit Pollern. Und Fehling legte sein Konzept, das zum Vorreiter in Sachen Stadtmobilität hätte werden können, in die Schublade.
Nun erfährt zumindest die Idee eine Renaissance – allerdings nicht in Bad Hersfeld. Denn diverse Städte wie Mannheim setzen in Modellprojekten aktuell sogenannte Microhubs oder Mikrodepots um. Sie verfolgen genau das von Fehling beabsichtigte Ziel: An zentralen Stellen bündeln diverse Paketdienstleister ihre Lieferungen, um diese dann von dort aus etwa per Lastenfahrrad in die Innenstadt zu bringen. In Hamburg und Dortmund nutzen dafür sogar unterschiedliche Lieferdienste dasselbe Depot. Doch auch hier gibt es keine vollständige Integration auf der „letzten Meile“. Die Paketdienstleister verwenden nämlich voneinander getrennte Fahrradflotten.
Mannheim: „Last-Mile-Konzept für Lieferverkehr“
Im Mannheim steht das „Last-Mile-Konzept für Lieferverkehr“ im Kontext des Maßnahmenpakets der „Modellstadt“ zur Verbesserung der Luftqualität. Der Bund hatte die Neckarstadt 2018 als eine von fünf Modellstädten ausgewählt. Sie soll entsprechende Mobilitätskonzepte zur Verbesserung der Luftqualität erproben. Für die Umsetzung ihrer Idee eines Microhubs hat die Stadt drei Logistikdienstleister als Partner gewonnen: DHL, DPD und Jetzat!/Morgenpost. Die Lieferung auf der „letzten Meile“ per Lastenfahrrad in der City soll dort Emissionen reduzieren und Verkehrssituationen entlasten.
Vorgesehen war für die Einrichtung des Depots ursprünglich eine Förderung des Bundesumweltministeriums in Höhe von 500.000 Euro. Die von der Stadt zur Verfügung gestellte Fläche, auf der ein zentrales, anbieteroffenes Depot hätte entstehen sollen, wird nun allerdings nicht mehr gebraucht. Denn die Projektpartner haben zwischenzeitlich Standorte für eigene Zwischenlager gefunden und setzen das Konzept jeweils in Eigenregie mit eigenen Fahrrädern um.
Die Stadt als „Enabler“ neuer Mobilität
Entsprechend werden Teile der Fördersumme für die Einrichtung des Microhubs nicht mehr benötigt. Die Bundesmittel reduzieren sich dadurch auf einen fünfstelligen Betrag. Trotz des dezentralen Ansatzes sind die Projektpartner weiterhin dazu bereit, sich in die Evaluation einzubringen. Vor etwa zwei Wochen startete das Projekt. Bis zum 30. Juni wird von einem externen Gutachter als „neutraler Instanz“ ermittelt, wie sich das Depotkonzept auf Emissionen und das Verkehrsaufkommen auswirkt. Auch die Übertragbarkeit des Modellprojekts auf andere Quartiere und Städte soll untersucht werden.
„Auch wenn mit großem Aufwand ein Standort für ein Microhub gesucht wurde, der dann gar nicht benötigt wurde, hat sich die Mühe gelohnt“, sagt der städtische Projektleiter Georg Pins. „Der Markt ist stimuliert worden, und die Paketdienstleister haben Lösungen gefunden.“ Die Stadt erweise sich als „Enabler“ eines neuen Mobilitätskonzepts.
Mikrodepot soll Hamburger Altstadt entlasten
Ähnliche Projekte laufen in diesen Tagen in Dortmund und Hamburg an. Der Unterschied zu Mannheim: In den beiden anderen Städten gibt es tatsächlich ein zentrales Depot, das verschiedene Paketdienstleister nutzen. Allerdings arbeiten die Paketdienstleister auch in Dortmund und Hamburg weiterhin in Eigenregie: Sie nutzen zwar den Standort gemeinsam, legen die „letzte Meile“ aber mit ihren eigenen Fahrradflotten zurück.
In Hamburg beteiligen sich Rewe, Hermes, UPS und die Deutsche Post an dem Projekt. Das dortige Mikrodepot wird von der Hamburger Hochbahn eingerichtet und soll die Altstadt entlasten. Der Betrieb startete gestern und läuft zunächst bis zum Ende des Jahres. Das Mikrodepot in der Hansestadt, das nach wie vor für weitere Partner offen ist, ist ebenfalls modellhaft.
Es gehört als Teilprojekt zum sogenannten Reallabor Hamburg, das Konzepte für urbane Mobilität anderem hinsichtlich positiver Effekte auf das Klima und die Verkehrssituation auslotet. Gefördert wird das Reallabor in der „Initiative der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ der Bundesregierung. Bis Ende 2021 fließen dafür rund 20,5 Millionen Euro aus dem Verkehrsministerium. Unterstützt wird das Mikrodepot außerdem von der Hamburger Wirtschaftsbehörde.
Für Klimaschutz und Verkehrswende: Mikrodepot in Dortmund
Bei dem Mikrodepot, das derzeit in Dortmund modellhaft anläuft, handelt es sich ebenfalls um ein gefördertes Projekt. Es ist eines von 16 Maßnahmen des EU-Programms „Emissionsfreie Innenstadt“. Unterstützt wird es von der Europäischen Union und dem Land Nordrhein-Westfalen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Die Probephase dauert 14 Monate. Das Ziel ist jedoch die dauerhafte Etablierung eines Mikrodepots in Dortmund.
Den Umschlagplatz errichtet die Dopark GmbH, eine kommunale Beteiligungsgesellschaft, im Auftrag der Stadt. Als Projektpartner sind UPS, DPD, GLS und Amazon Logistics daran beteiligt. Gemeinsam nutzen sie den Standort, agieren aber wie in Hamburg mit eigener Flotte zur weiteren Feinverteilung ihrer Güter und in eigenen Containern.
„Dieser unternehmensübergreifende Beteiligungsprozess für emissionsfreien Lieferverkehr zeigt, dass Klimaschutz und Verkehrswende ein Gemeinschaftsprozess vieler Akteure ist, den die Stadt Dortmund koordiniert und steuert“, sagt Oberbürgermeister Thomas Westphal. „Aufgabe der Paketdienstleister ist es nun, praktische Erfahrungen zu sammeln und die temporäre Lösung in eine dauerhafte Infrastruktur nach Ablauf des Förderprojekts zu überführen.“