115 Kommunen und Verkehrsverbünde schreiben an die Bundespolitik. Sie wollen für mehr Klimaschutz den öffentlichen Verkehr verdoppeln.

115 deutsche Städte, Landkreise und Verkehrsverbünde haben sich in einem Positionspapier zur Verdopplung des Fahrgastaufkommens im öffentlichen Verkehr auf Schiene und Straße bis 2030 gegenüber dem Vergleichsjahr 2019 bekannt. Damit nehmen sie Bezug auf entsprechende Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz. In ihrem Positionspapier unterstreichen die Kommunen die Relevanz des öffentlichen Verkehrs für die Erreichung der Klimaziele, weisen aber zugleich aus kommunaler Perspektive auf Herausforderungen und notwendige Weichenstellungen hin.

Verbindliche Gesetze und verlässliche Finanzen für den ÖPNV

Initiatoren des Positionspapier sind OBM Dieter Reiter aus München (Foto oben) und Robert Niedergesäß, Landrat des Landkreises Ebersberg. Es richtet sich auch hinsichtlich „der nächsten Legislaturperiode“ an die Spitzen der Bundespolitik – unter anderem an die Kanzlerkandidaten und an die Mitglieder des deutschen Bundestags. Die Unterzeichner bekräftigen ihre Bereitschaft, sich für den öffentlichen Verkehr zu engagieren, fordern dafür aber einen verbindlichen gesetzlichen und verlässlichen finanziellen Rahmen von Bund und Ländern.

Die bisherigen finanziellen Rahmenbedingungen ermöglichten es dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) nicht, seinen möglichen Klimaschutzbeitrag durch eine Verdoppelung der Nachfrage zu leisten. Unter anderem spricht sich das Positionspapier daher ebenfalls für die auf einer Sonderverkehrsministerkonferenz im Juni 2021 geforderte Erhöhung der Regionalisierungsmittel zwischen 2022 und 2030 um mindestens 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem jeweiligen Vorjahr aus.

ÖPNV „zum Erreichen der Klimaziele elementar wichtig“

Um die Mobilitätswende voranzubringen und den Umstieg auf den Umweltverbund zu begünstigen, sollten Bund und Länder im Sinne der Kommunen zudem „die Rahmenbedingungen für neue Finanzierungsquellen verbessern“. Exemplarisch kämen dafür die Parkraumbewirtschaftung, ÖPNV-Beiträge oder eine LKW-Maut auf Landes- und Gemeindestraßen infrage, heißt es in dem Positionspapier. Zudem müsse das Planungsrecht vereinfacht werden, um die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur des öffentlichen Verkehrs entsprechend den zeitlichen Anforderungen des Klimaschutzes bewältigen zu können.

„Ein starker, gut ausgebauter ÖPNV in den Metropolregionen ist zum Erreichen der Klimaziele elementar wichtig, da gerade hier großes Potential zum Umsteigen auf Bus und Bahn besteht. Wir sehen die Verdopplung den öffentlichen Verkehrs aber auch als Chance, bisher schlecht erschlossene Räume besser erreichbar zu machen und dadurch aufzuwerten“, heißt es in dem Papier. „Die Verdopplung des öffentlichen Verkehrs bis 2030 ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

ÖPNV „als Rückgrat des Umweltverbundes“

Das Beispiel des Fahrradverkehrs mache deutlich, „dass sich der Status eines Verkehrsmittels in Politik und Gesellschaft binnen eines knappen Jahrzehnts grundlegend ändern kann“, schreiben die Stadtlenker. So wollten die Kommunen „durch Aufwertung der Angebote, durch deren selbstverständliche Nutzung und durch gezielte Thematisierung und Wertschätzung“ genauso den Status des ÖPNV „als Rückgrat des Umweltverbundes“ verbessern.

Dafür ist im Positionspapier die Rede von einem „durchgängigen Gesamtsystem“, also etwa einer Überwindung der Grenzen verschiedener regionaler Tarifverbünde, und einer auch „aus Gründen der Wirtschaftlichkeit“ stärkeren Standardisierung als bisher. Die Wachstumspotentiale des ÖPNV müssten als „vollwertige Alternative zum eigenen Auto“ begriffen werden. Dies bedeute, dass „möglichst weite Teile mit einem 24/7-Angebot erschlossen werden“. In diesem Zusammenhang müsse sich die Umsetzung multimodaler Mobilitätsmodelle, insbesondere die Verbindung von Fahrrad-, Fußverkehr und ÖPNV, städtebaulich auf kommunaler Ebene widerspiegeln – etwa in Form von Fahrradabstellanlagen und -mietmöglichkeiten an Haltestellen und Bahnhöfen.

OBM Reiter: „Prioritäten müssen sich ändern“

„Wenn sich 115 deutsche Städte in einem gemeinsamen Positionspapier für die Verdoppelung des öffentlichen Verkehrs einsetzen, dann zeigt das, dass sich Prioritäten ändern müssen“, sagt OBM Reiter über die Initiative. „Ob auf dem Land oder in der Stadt: Wir brauchen einen starken und ausgezeichnet vernetzten öffentlichen Verkehr. Gerade Metropolen wie München mit einem sehr großen Anteil an Pendlerverkehren aus der Region brauchen eine zuverlässige, direkte und bezahlbare Alternative, damit die Menschen vom eigenen Auto umsteigen.“

Überregionale Mobilitätsplanung und ein attraktives Verkehrsangebot seien die Schlüssel zur Verkehrswende, so Landrat Niedergesäß. „Hierzu wollen die Kommunen ihren Beitrag leisten.“ Unterzeichnet haben das Positionspapier unter anderem die OBM Eva Weber aus Augsburg, Thomas Eiskirch aus Bochum, Sören Link aus Duisburg, Simone Lange aus Flensburg, Peter Feldmann aus Frankfurt am Main, Martin Horn aus Freiburg, Karin Welge aus Gelsenkirchen, Rolf-Georg Köhler aus Göttingen, Frank Dudda aus Herne, Ingo Meyer aus Hildesheim, Felix Heinrichs aus Mönchengladbach, Marcus König aus Nürnberg, Jürgen Krogmann aus Oldenburg, Burkhard Mast-Weisz aus Remscheid, Frank Klingebiel aus Salzgitter, Uwe Schneidewind aus Wuppertal sowie der Regierende Bürgermeister von Berlin Michael Müller.

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