Elektromobilität ist mehr als die Zulassung von E-Autos. Das zeigt sich an der sensiblen Nahtstelle der Ladeinfrastruktur.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck verkündete anlässlich der Eröffnung des Tesla-Werks in Brandenburg stolz: „Wir können auch elektrisch.“ Damit meint er den Umstieg hin zu mehr Elektromobilität. Doch Können allein bringt noch keinen wirklichen Umschwung in puncto zukunftsfähiger und vor allem durchgängiger Mobilitätslösungen mit dem Elektroauto. Immerhin: Letztes Jahr wurden rund 356.000 E-Autos hierzulande zugelassen. Und auch 2022 startete mit einem Zuwachs von über 28 Prozent. Die erforderliche Ladeinfrastruktur intelligent und ganzheitlich umzusetzen, haben sich Wissenschaftler der HFT Stuttgart im Projekt „Smart2Charge“ vorgenommen.

Ladeinfrastruktur als Knackpunkt

Nur etwas mehr als 56.600 Ladesäulen gab es in Deutschland laut Bundesnetzagentur am 1. März 2022 – regional unterschiedlich verteilt, in Städten oft mehr, auf dem Land meist weniger. Für Experten ist das ein Knackpunkt der Mobilitätswende, denn E-Autos sollen flächendeckend fahren, laden und das Verteilnetz nicht überlasten. In diesem Zuge kommt es auf eine intelligente Planung und Umsetzung neuer Ladeinfrastrukturen an, gerade im ländlichen Raum.

Dr. Dirk Pietruschka, Leiter des Zentrums für nachhaltige Energietechnik – zafh.net, Hochschule für Technik Stuttgart (HFT Stuttgart), sieht den schnellen Zuwachs an Elektrofahrzeugen teils kritisch. „All diese Elektrofahrzeuge müssen künftig geladen werden“, erklärt Pietruschka und meint: „Viele Besitzer solcher Fahrzeuge streben den Aufbau eines Ladesystems am eigenen Wohngebäude an.“ Der Haken bestehe seiner Meinung nach in den hohen Ladeleistungen, die sich in einem Wohngebiet schnell summieren könnten und auf die unsere Verteilnetzstruktur nicht ausgelegt sei.

Projekt Smart2Charge in Wüstenrot

Um diese Herausforderung zu bewältigen, setzen Wissenschaftler Pietruschka und sein Team auf das Zauberwort der ganzheitlichen Ladeinfrastruktur. Dahinter steht beispielsweise das gezielte Drosseln der Ladeleistungen, um Überlastungen im Stromnetz oder am Hausanschluss zu vermeiden. Wie sich der schnelle Zuwachs an E-Fahrzeugen, vor allem im ländlichen Raum, auf die Netze auswirke, sei nach Pietruschkas Meinung bis dato nicht im Detail erforscht.

„In unserem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, kurz BMWK, geförderten Forschungsprojekt Smart2Charge untersuchen wir genau das am Beispiel der Gemeinde Wüstenrot im Landkreis Heilbronn in sehr detaillierten Simulationsstudien“, so Pietruschka. Im Mittelpunkt stehen Untersuchungen, die reale Pendlerbewegungen und das reale Fahrverhalten widerspiegeln sowie Szenarien, die den Zuwachs an Elektrofahrzeugen berücksichtigen.

Eine wichtige Funktion sehen die Forscher der HFT Stuttgart in den meist parkenden Elektrofahrzeugen. Deren leistungsstarke Batterien können für das Stromnetz vor allem dann nützlich sein, wenn sie bei Bedarf Strom in das Netz zurückspeisen. „Diese Möglichkeiten erproben wir nicht nur simulativ, sondern demonstrieren das Ganze in konkreten Smart2Charge-Anwendungsfällen in der Praxis“, resümiert Pietruschka das Projekt.

Wichtig sind außerdem flankierende Akzeptanz-, Nutzungs- und Wirtschaftlichkeitsanalysen, auf Basis derer tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt werden. Hierzu zählt gleichfalls, wie sich die Ladeinfrastruktur in das bestehende, oft über mehrere Generationen gewachsene Stromnetz integrieren lässt. Zum Projektende im November 2022 soll darüber hinaus ein Planungsleitfaden für Kommunen im ländlichen Raum erstellt werden.

Weitere Informationen zum Projekt Smart2Charge: https://www.hft-stuttgart.de/forschung/projekte/aktuell/smart2charge

andreas.eicher@hft-stuttgart

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