Die „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ stellt heute ihren viel erwarteten Bericht vor. Daran gibt es Kritik aus den eigenen Reihen.

Der Abschlussbericht, den die Expertenkommission „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) heute an das Bundesverkehrsministerium übergibt, sorgt für Kritik aus eigenen Reihen. Gestern meldeten sich der Deutsche Städtetag, der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC), die Allianz pro Schiene, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, die Bremer Senatorin Maike Schaefer, in einem gemeinsamen Pressestatement zu Wort. Alle arbeiten in der NPM mit und bemängeln, dass sich deren Vorschläge für die Mobilität der Zukunft zu einseitig und zu begünstigend mit dem Autoverkehr befassten. Auf Nachfrage der #stadtvonmorgen-Redaktion begegnet die NPM dieser Kritik unter anderem mit dem Hinweis auf die Einstimmigkeit, mit der über ihre Berichte abgestimmt worden sei.

Kritik an NPM: „fehlender Wille, den Autoverkehr zu reduzieren“

Die NPM war 2018 von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einberufen worden. Sie soll der Bundesregierung Strategien zur Klimaneutralität im Verkehr empfehlen und Lösungen für eine nachhaltige Mobilität aufzeigen. In ihr sitzen unter anderem Vertreter der Automobilbranche und von Wirtschaftsverbänden.

Die im Abschlussbericht vorgeschlagenen Maßnahmen griffen allerdings zu kurz, um zu einer echten Mobilitätswende zu gelangen und die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen, kritisiert das Bündnis aus Städtetag, ADFC, Allianz pro Schiene, BUND, VDV und Verkehrsministerkonferenz. In ihrer Mitteilung bemängelt es „den fehlenden Willen, den Autoverkehr spürbar zu reduzieren“. Die nächste Bundesregierung fordert es dazu auf, eine „klare Priorität“ auf den Fuß- und den Radverkehr, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie den Fernverkehr zu setzen.

Demgegenüber fokussiere der Bericht „zu einseitig technische Lösungen beim Autoverkehr – anstatt den Schwerpunkt auf die Vermeidung und Verlagerung von Autofahrten zu legen“, heißt es in dem Statement des Bündnisses. Es bedürfe eines „völlig neuen Verständnisses von Mobilität der Zukunft“. Dazu gehörten „attraktive Alternativen zum eigenen Pkw“.

NPM: „die unterschiedlichen Positionen klar beschrieben“

Auf Nachfrage der #stadtvonmorgen-Redaktion zu der Kritik des Bündnisses an dem Abschlussbericht weist eine Sprecherin der NPM darauf hin, dass „alle Berichte, auch der Ergebnisbericht, im Lenkungskreis einstimmig verabschiedet worden“ seien. Im NPM-Lenkungskreis sind ausweislich der Webseite der Expertenkommission unter anderem die Bremer Umwelt- und Mobilitätssenatorin Schaefer sowie der Präsident des Deutschen Städtetags, OBM Burkhard Jung aus Leipzig, vertreten.

„In der NPM sitzen die verschiedenen Interessengruppen aus Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft an einem Tisch und tauschen sich zu den verschiedenen, durchaus auch kontroversen Aspekten der Mobilität aus.“ Alle 240 Akteure hätten „viel diskutiert“, so die NPM-Sprecherin. Dort, wo es kein einheitliches Verständnis gebe, seien „die unterschiedlichen Positionen und Ansätze klar beschrieben“ worden. „Wenn wir die Klimaziele bis 2030 erreichen wollen, müssen wir da ansetzen, wo die größten CO2-Reduktionspotenziale möglich sind, nämlich im Straßenverkehr. Er ist für rund 95 Prozent der Emissionen im Verkehr (63 Prozent Pkw, 32 Prozent Nutzfahrzeuge) verantwortlich“, heißt es von der NPM auf Nachfrage.

Dedy: urbaner Lebensraum statt Parkplätze

Im Statement des Bündnisses weist aus Sicht der Städte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetags, darauf hin, dass es mehr Flexibilität für die Regelung des Verkehrs vor Ort brauche. „Städte brauchen mehr Freiheit für örtliche Regelungen und die Möglichkeit, neue Ideen in der Praxis zu erproben – zum Beispiel für Bürgertickets oder im Umgang mit Tempo 30.“ Zudem müssten „Klima- und Umweltschutz endlich auch im Straßenverkehrsrecht verankert werden“.

Für den Klimaschutz, die Attraktivität von Innenstädten und die Gestaltung des urbanen Lebensraums der Menschen sei eine Reduktion des Autoverkehrs dringend nötig. „Wir wollen öffentliche Räume besser für ein Miteinander der Menschen nutzen. Städte für Menschen können nicht Parkplätze sein, sie sind Orte zum Leben“, sagt Dedy. „Wir brauchen einen fairen Mix für Rad- und Fußverkehr, Busse und Bahnen und keinen Vorrang für das Auto.“ Dazu gehöre ein „gut ausgebautes, kundenfreundliches und leistungsstarkes ÖPNV-Netz“.

Verkehrsminister Scheuer: „Die NPM hat geliefert“

Die Ergebnisse ihrer dreijährigen Arbeit stellte die NPM heute auf dem Weltkongress für Intelligente Transportsysteme in Hamburg vor. Die NPM habe „aufgezeigt, dass ein ganzheitlicher und nachhaltiger Mobilitätswandel, der die Bedürfnisse der Nutzer in den Mittelpunkt stellt, möglich ist“, sagt Henning Kagermann, Vorsitzender des NPM-Lenkungskreises, laut eigener Pressemeldung. Im Zusammenhang mit der Erreichung der Klimaziele bedürfe es einer Digitalisierungsoffensive für ein vernetztes Mobilitätssystem sowie eines Strukturwandels der Industrie. Dafür müssten alle Beteiligten „noch deutlich aktiver und umsetzungsfreudiger werden“.

Die „Mammutaufgabe“ der NPM sei es, „Empfehlungen zu erarbeiten, wie wir eine bezahlbare, nachhaltige und klimafreundliche Mobilität für die Menschen ermöglichen und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sichern können“, so Verkehrsminister Scheuer. Hinsichtlich der Ergebnispräsentation zeigt sich der Minister zufrieden: „Die NPM hat geliefert.“ Sie habe „die zentralen Grundlagen für die Klimabeschlüsse der Bundesregierung erarbeitet“.

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