Flüchtlinge aus der Ukraine fallen nun nicht mehr in den Regelungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes, sondern in den des Sozialgesetzbuchs 2 (SGB2). Darauf hatten sich der Bund und die Länder geeinigt. Das diesbezügliche Gesetz wurde am Freitag im Bundesrat verabschiedet. Die neue Regelung gilt ab dem 1. Juni. Grundsätzlich begrüßen die Kommunen den Rechtskreiswechsel. Für viele bedeutet die Umstellung aber zugleich einen immensen bürokratischen und organisatorischen Aufwand. Insbesondere der Umstand, dass die bereits registrierten Flüchtlinge nun neue Anträge stellen müssen, birgt Irritationspotential.
Rechtskreiswechsel sorgt für Organisationsaufwand
So verzeichnet etwa die Stadt Nürnberg seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine über 7.500 ukrainische Flüchtlinge. Mit dem Rechtskreiswechsel verändert sich auch die verwaltungsinterne Zuständigkeit für diese Personen, die in die neue Systematik zu überführen sind. Anstelle des Sozialamts ist zukünftig das Jobcenter für sie verantwortlich. Bei einer digitalen Pressekonferenz informierten gestern die Sozialreferentin Elisabeth Ries, Sozialamtsleiter Volker Wolfrum und die Geschäftsführerin des städtischen Jobcenters, Heidi Strobl, über die Lage vor Ort.
Ries spricht von einer „komplexen“ Transformationsaufgabe innerhalb der Verwaltung. Die Ukrainer, die nun Anspruch auf die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2 haben, würden alle angeschrieben und müssten entsprechende Anträge stellen. Die bundesgesetzlich vorgeschriebene erneute Antragstellung sorgt für einen immensen Verwaltungsaufwand. Strobl rechnet damit, dass folglich rund 6.900 Personen aus dem Zuständigkeitsbereich des Sozialamts wechseln und das Jobcenter somit rund 3.800 neue Bedarfsgemeinschaften erfasst. Um die Anträge bearbeiten zu können, hat das Jobcenter Nürnberg-Stadt eigens ein „Antragszentrum“ (Foto oben) eingerichtet. Alle Anstrengungen zielten darauf ab, die betroffenen Personen über die veränderten Modalitäten zu informieren, sodass der Übergang nahtlos funktioniert und „kein Leistungsabriss stattfindet“, so Wolfrum.
Starke ukrainische Community in Nürnberg
In Nürnberg ist seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine die Zahl der Leistungsberechtigen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz binnen weniger Tage sprunghaft auf insgesamt über 9.300 gestiegen. Zum Vergleich: Während der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 lag die Spitze, die sich über mehrere Wochen aufgebaut hatte, bei rund 8.200. Der starke Zuzug von Ukrainern in die Stadt hänge wohl auch damit zusammen, dass Nürnberg eine lebendige Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Charkiw pflege und in Nürnberg eine große ukrainische Community lebe, schätzt Ries.
Bessere Integration im SGB2-Bereich
Nach dem Kriegsbeginn fielen die ukrainischen Flüchtlinge zunächst unter das Asylbewerberleistungsgesetz. Die dynamische Entwicklung des Kriegsgeschehens und die zunehmende Migration auch nach Deutschland ließen allerdings Rufe nach schnelleren Asylverfahren und belastbareren Bleibeperspektiven für die Ukrainer laut werden. Unter anderem der Städtetag forderte daher, die Flüchtlinge aus der Ukraine in den Regelkreis des Sozialgesetzbuchs 2 zu gruppieren.
Damit sollen zum einen die Kommunen entlastet werden, was die Kompensation der Kosten für die Flüchtlingsaufnahme angeht. Zudem soll die Integration der Flüchtlinge erleichtert werden. Denn im Regelbereich des Sozialgesetzbuchs 2 haben sie unter anderem Anspruch auf Grundsicherung und erhalten leichteren Zugang beispielsweise ins Sozialsystem und in den Arbeitsmarkt. Gleichwohl spielt der Regelkreiswechsel in Bezug auf die grundsätzliche Aufnahmefähigkeit einer Stadt, etwa hinsichtlich der Kapazitäten des lokalen Wohnraummarktes, keine Rolle.