Die Städte senden bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags ein Signal des Aufbruchs. Sie weisen den Bund aber auch auf Defizite hin.

„Deutschlands Städte müssen stark und leistungsfähig sein. Sie sind das Fundament unserer Demokratie.“ Damit begrüßte Henriette Reker, die Oberbürgermeisterin von Köln, die rund 1.300 Delegierten und Gäste der 42. Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in der Rheinmetropole. Die Veranstaltung, die bis morgen läuft, reflektiert die großen Transformationsthemen, vor denen die Städte stehen. Mit dem Motto „gemeinsam neue Wege wagen“ geht von ihr ein Signal des Aufbruchs aus. Gleichwohl diskutieren die Vertreter der Städte auch große Hausforderungen und adressieren ihre Anliegen an Bundeskanzler Olaf Scholz, der am Nachmittag in Köln erwartet wird.

„Menschen können sich auf die Städte verlassen“

„Keine unserer staatlichen Ebenen war in den vergangenen so stark gefordert wie unsere Städte“, sagt Reker. „Die Ballung von Krisen“ – von der Coronakrise bis zum Ukrainekonflikt und der Flüchtlingsaufnahme – habe gezeigt, „dass unsere Städte handlungsfähig sind und resilient“. Das föderale System der Bundesrepublik ermögliche es, „auf regionale Eigenheiten einzugehen und regionale Stärken und Potentiale zu nutzen“. Reker: „Die Menschen in Deutschland können sich auf ihre Städte verlassen.“ Die kommunale Ebene sei der Garant für gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Dabei komme es aber auf das Zusammenspiel mit den anderen staatlichen Ebenen an. Hier täten sich Unzulänglichkeiten auf. „Die Erwartungshaltung des Bundes und der Länder an die Kommunen passt nicht zu dem, was sie uns an Unterstützung geben“, sagt die Oberbürgermeisterin. „Dauerhafte Aufgaben brauchen auch dauerhafte und verlässliche finanzielle Zuweisungen.“ Exemplarisch verweist sie auf den letzten sogenannten Flüchtlingsgipfel mit Bundeskanzler Scholz und den Länderchefs. Von dessen Ergebnissen seien die Städte „enttäuscht“. Es brauche dringend ein neues Finanzierungssystem für die Aufnahme und die Integration von Flüchtlingen.

Reker bei Hauptversammlung: neues Finanzsystem

„Noch viel zu oft sind die Kommunen von Beschlüssen abhängig, die auf Bundes- oder Länderebene gefällt werden“, meint Reker. Dies zeige sich nicht zuletzt an der Finanzausstattung und der großen Abhängigkeit der Kommunen vom volatilen Aufkommen der Gewerbesteuer. Reker regt daher unter dem Motto der Hauptversammlung „gemeinsam neue Wege wagen“ eine Neugestaltung des Systems der Kommunalfinanzen an. Denn: „Nur finanziell solide ausgestattete Städte können ihren Aufgaben nachkommen.“

Dies sei die Grundlage zur Bewältigung großer Transformationsaufgaben. Reker: „Unsere Städte können der Motor für Europas Klimaneutralität sein.“ Köln will 2035 klimaneutral sein. Das sei eine Querschnittsaufgabe für die gesamte Stadtpolitik, die Verwaltung und Beteiligungsgesellschaften wie die Stadtwerke. Bund und Länder müssten dafür aber passende Rahmenbedingungen gestalten.

Lewe fordert „Entschlackung und Entbürokratisierung“

Markus Lewe (Quelle: Deutscher Städtetag/Costa Belibasakis)

Markus Lewe (Quelle: Deutscher Städtetag/Costa Belibasakis)

Hier hakt Städtetagpräsident Markus Lewe, Oberbürgermeister von Münster, ein. In seiner Eröffnungsrede der Hauptversammlung skizziert er insbesondere hinsichtlich des Besuchs des Kanzlers wesentliche Anliegen der Kommunen an den Bund. Dabei unterstreicht er – neben Aspekten der Flüchtlingspolitik und Integration – insbesondere die Mannigfaltigkeit urbaner Transformationsaufgaben zum Erreichen der Klimaziele. Vom Bund fordert Lewe nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern vor allem auch eine „Entschlackung und Entbürokratisierung“.

Etwa sei es hinsichtlich der Wärmewende entscheidend, die kommunale Wärmeplanung voranzubringen. Zudem spricht sich Lewe insgesamt für eine Vergrößerung des lokalen Handlungsspielraum aus, für Pragmatismus und „gesunden Menschenverstand“. Dies gilt etwa für den ÖPNV-Ausbau oder für Geschwindigkeitsbegrenzungen im Straßenverkehr. Hier sei „dringend eine Reform“ vonnöten. Genauso benötigten die Kommunen mehr bodenpolitische Gestaltungskraft, beispielsweise durch ein Vorkaufsrecht. Dies könne dazu beitragen, dass sie im Sinne des Gemeinwohls wohnraumpolitisch stärker wirken und besser Stadtentwicklung betreiben können.

Neues Mindset im Motto der Hauptversammlung

Insgesamt erforderten die vielfältigen Transformationsthemen ein neues, frisches Denken – neudeutsch Mindset. „Dafür brauchen wir neue Ideen“, so Lewe. Vor den Städten und vor dem gesamten Land liege die Arbeit an einem Gemeinschaftswerk epochalen Ausmaßes. Im Motto der Hauptversammlung: „gemeinsam neue Wege wagen“.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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