Bei der Städtetag-Hauptversammlung betont Kanzlerin Merkel die Rolle der Städte in der Coronakrise. Sie verabschiedet sich von den Kommunen.

Die Frage nach der Zukunft des Lebens in den Städten sei eine Frage nach der Zukunft der Bundesrepublik insgesamt: In ihrer Rede zur Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in Erfurt betonte die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel heute die Rolle der Kommunen für nationale Progression. Merkel, die aufgrund der steigenden Infektionsdynamik per Video zugeschaltet war, untermauerte die Bedeutung der Multilevel Governance im Föderalismus. Die Städte und die Oberbürgermeister als ihre politischen Vertreter seien das „Rückgrat des föderalen Systems“. Wichtige gesellschaftliche Herausforderungen sowie urbane Themen wie Digitalisierung, Innenstadtentwicklung oder Kommunalfinanzen ließen sich nur im „Schulterschluss zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ lösen. Speziell ging Merkel auf die aktuelle Lage in der Coronakrise ein.

Merkel und Jung warnen vor vierter Coronawelle

Der Kampf gegen Corona sei ein Beispiel für die Relevanz der kommunalen Ebene. In der Krise hätten sich Kommunalverwaltungen und insbesondere deren Gesundheitsämter als „Schaltstellen der Pandemiebekämpfung vor Ort“ erwiesen. Dabei warnt die Kanzlerin – wie vor ihr Städtetagpräsident Burkhard Jung – eindringlich vor der „vierten Coronawelle“.

Wie Jung kritisiert Merkel, dass es derzeit auf Bundesebene offenbar keine Mehrheit für eine Verlängerung der sogenannten pandemischen Notlage im Parlament mehr gibt. Sie selbst habe angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen „keinen Zweifel daran, dass wir uns mitten in einer solchen Notlage befinden“. Ziel der Coronapolitik sei es stets gewesen, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern – „genau das ist in den am schwersten von Corona betroffenen Landkreisen schon nicht mehr so möglich“.

Merkel mahnt: Bund-Länder-Treffen „überfällig“

Die am Donnerstag anberaumte Bund-Länder-Besprechung zur Coronalage, von er sich auch die Kommunen Klarheit über Maßnahmen der Pandemieeindämmung erhoffen, sei „überfällig“, sagt die Kanzlerin. Merkel ruft im Zusammenhang mit der laufenden Regierungsbildung und deren möglicherweise hemmenden Wirkung auf neue Coronamaßnahmen die Akteure zu konsequentem Handeln auf. „Dem Virus ist es völlig egal, wer sich von welchem politischen Ausgangspunkt wie weit bewegt“, so die Kanzlerin. „Einziges Kriterium hat zu sein, was mitten in der vierten Welle gegen das aktuelle dramatische Infektionsgeschehen in Deutschland zu tun ist und was nicht.“

Konkret schlägt sie einen Hospitalisierungsindex und einen damit zusammenhängenden Schwellenwert für zusätzliche Schritte zur Eindämmung der Pandemie vor. Zweitens wirbt sie eindringlich für das Impfen als „Weg heraus aus der Pandemie“. Drittens spricht sie im Zusammenhang mit Auffrischungsimpfungen von einer „nationalen Kraftanstrengung“. Bei deren Organisation komme den Kommunen eine wichtige Rolle zu.

Jung fordert Klarheit über Coronastrategie des Bundes

Merkels Einschätzung der Lage trifft den Tenor Jungs, der von Bund und Ländern ebenfalls dringend Tatkraft fordert. Die Abstimmung zwischen den Städten und der Bundesregierung über die Coronamaßnahmen sei bis zur Bundestagswahl sehr gut gelaufen. In den vergangenen Wochen sei der Austausch aber erlahmt, bemängelt der Städtetagpräsident. „Hätten wir uns im August und September so intensiv gesprochen, hätten wir vielleicht keine Impfzentren abgebaut.“ Auch bei der Einführung einer 2G-Regel („geimpft, genesen“) oder der Impfpflicht in sensiblen Bereichen wäre man wohl weiter.

Merkel verabschiedet sich von der kommunalen Ebene

Für Merkel ist der Auftritt beim Deutschen Städtetag ein Abschied von der kommunalen Ebene nach 16 Jahren Kanzlerschaft. Dabei untermauert sie die Wichtigkeit des direkten Dialogs. Der Kontakt zu den Kommunen sei aus ihrer Erfahrung heraus unerlässlich, um den Staat lenken zu können. Die Kommunikation sei „unerlässlich, um zu wissen, was im Lande los ist“, so die Kanzlerin. Zudem rät sie den Städten, den „engen Austausch mit dem Bund“ weiterhin zu pflegen. Dabei blickt Merkel auch auf die eigentlich im föderalen System für die Kommunen zuständigen Länder, die „nicht immer alles so weitergeben wie wir es uns auf Berliner Bühne denken“.

Vom unmittelbaren Austausch mit den kommunalen Spitzenverbänden und von deren konstruktiv-kritischen Stimmen hätte sie „sehr viel gelernt“. Neben dem Kampf gegen die Coronakrise hebt Merkel exemplarisch für das Zusammenwirken von Bund und Kommunen die Aufnahme von Flüchtlingen in den Jahren 2015 und 2016 hervor.

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