Zunächst schien es, als dürften Städte bei der Verteilung der EU-Coronahilfen nicht mitreden. Nun könnte sich das Blatt wenden.

Im Ringen um die Milliarden, die die EU ihren Mitgliedsstaaten im Zuge des „Next Generation EU“-Aufbauprogramms als Coronahilfen in Aussicht stellt, zahlt sich das Engagement europäischer Städte aus. Offenbar können Kommunen wieder auf eine Mitsprache bei der Mittelverwendung hoffen. Darauf deutet eine Abstimmung über die „Recovery and Resilience Facility“ (RRF, Wiederaufbau- und Resilienzfazilität) des Europäischen Parlaments hin. Am Montag hatten die Parlamentarier diverse Anträge, die aus den Reihen europäischer Städte und des Städtenetzwerks Eurocities flankiert wurden, positiv beschieden.

Beteiligung der Kommunen an nationalen Aufbauplänen

Die Anträge wurden im Rahmen des legislativen Prozesses, mit dem die beschlossenen EU-Hilfen umgesetzt werden sollen, gestellt. Sie zielen darauf ab, den Dialog über den Mitteleinsatz zwischen den Ebenen im Sinne der Multilevel Governance als wichtiges Element der Aufbaupläne festzulegen. Die Aufbaupläne sind für die Nationalstaaten die Voraussetzung zum Abruf der EU-Gelder.

Der transparente Einbezug von Kommunen, gesellschaftlichen Interessensgruppen und der Öffentlichkeit soll demnach nicht nur fester Bestandteil der Aufbaupläne sein. Er soll darüber hinaus sogar auch ein Kriterium für die Bewertung der nationalen Pläne durch die EU werden. So wäre eine Beteiligung der Kommunen an der jeweils nationalen Programmgestaltung verpflichtend.

Der legislative Prozess ist allerdings noch nicht endgültig abgeschlossen. Es folgen Abstimmungen zwischen der Europäischen Kommission, dem Parlament und dem Rat. Nach Informationen der OBM-Zeitung plant währenddessen das Netzwerk Eurocities eine Umfrage unter seinen Mitgliedsstädten, inwiefern die jeweiligen Nation bereits eine Beteiligung der Kommunen an ihrem Aufbauplan vorsieht.

Bundesregierung sieht Beteiligung der Städte bislang verhalten

Im Juli hatten sich die europäischen Regierungschefs beim EU-Ratsgipfel auf ein Wiederaufbauprogramm verständigt. Das umfasst insgesamt ein Volumen von 750 Milliarden Euro. Die Coronahilfen werden als Zuschüsse (390 Milliarden Euro) und Kredite (360 Milliarden Euro) gewährt.

Dabei ist die RRF das Kerninstrument des Aufbaupakets. Sie umfasst 672,5 Milliarden Euro. Darunter sind – neben den Darlehen – konkrete Finanzhilfen von insgesamt 312,5 Milliarden Euro. Davon fallen schätzungsweise mehr als 22 Milliarden Euro an die Bundesrepublik. Um Unterstützung aus der RRF zu erhalten, müssen die Mitgliedsstaaten Aufbaupläne vorlegen. Diese sollen Reformen und Investitionen bis 2026 mit Zielvorgaben und Kostenschätzungen aufzeigen.

Bislang bemühten sich Städte gegenüber der Bundesregierung vergeblich um eine Berücksichtigung ihrer Anliegen bei der Programmierung der EU-Mittel. Zuletzt wandten sich die Oberbürgermeister der 16 deutschen Eurocities-Städte mit einem Schreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angesichts der deutschen EU-Ratspräsidentschaft baten sie die Bundeskanzlerin um eine direkte Beteiligung der Städte an den Entscheidungsprozessen bezüglich der Mittelverteilung.

Aus dem Kanzleramt kam allerdings die Antwort, dass der Einbezug der kommunalen Ebene nicht vorgesehen sei. Lediglich über die Bundesländer biete sich den Städten die Gelegenheit, sich in die Programmplanung einzubringen, teilte ein Regierungssprecher im September auf Anfrage der OBM-Zeitung mit. Die Städte empfanden die Antwort der Kanzlerin als unbefriedigend.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen auf Linie der Städte

Die Abstimmung vom Montag im Europäischen Parlament hingegen spricht für das Anliegen der 16 Oberbürgermeister. Auch zuvor hatte sich die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen bereits im Sinne der Städte geäußert. In einer Rede vor dem Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen in Brüssel sprach sie am 12. Oktober davon, eine „sehr klare Botschaft an die Regierungen unserer Mitgliedsstaaten gesandt“ zu haben. „Wir finden, dass die Städte und Regionen von Beginn an in die Konzeption der nationalen Aufbaupläne einbezogen werden sollten.“

Schließlich seien die lokalen Verwaltungen diejenigen, die mit der Umsetzung europäischer Projekte betraut seien und eine entsprechend „große Verantwortung“ dafür trügen. Dies zeige sich insbesondere im Kampf gegen die Coronakrise: „Die lokalen Behörden bildeten sozusagen die vorderste Verteidigungslinie, als uns die Krise getroffen hat“, sagte von der Leyen.

Das Foto oben zeigt die Europäische Zentralbank in der Europastadt Frankfurt am Main. Die Stadt Frankfurt ist eine der Gründungsstädte von Eurocities.

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