Die Coronakrise verstärkt die Rufe nach einem Feuerwerksverbot zu Silvester. Doch den Städten fehlen durchschlagende Instrumente dafür.

Die Diskussion um ein Verbot des Silvesterfeuerwerks zündet erneut. Bereits in den vergangenen Jahren erwogen einige Städte, das Feuerwerk zu verbieten – insbesondere aus Gründen der Sicherheit und des Brandschutzes. Formal spielt der Klimaschutz dabei keine Rolle. De facto ist er in der Debatte aber ein wesentliches Argument für ein Verbot. In diesem Jahr spricht außerdem die Coronakrise dafür.

Stuttgart verbietet angesichts der Coronakrise das Silvesterfeuerwerk

Heute teilte die Landeshauptstadt Stuttgart mit, für das diesjährige Silvester ein Feuerwerksverbot innerhalb des Cityrings und auf zentralen Plätzen auszusprechen. Damit knüpft die Stadt an das Feuerwerksverbot auf dem Schlossplatz, das bereits im Vorjahr galt, an und weitet dieses angesichts der Pandemiesituation aus.

Dieses habe sich in der Vergangenheit bewährt, sagt OBM Fritz Kuhn. Im Hinblick auf die Coronakrise flankiere es nun die auch an Silvester geltenden Kontaktbeschränkungen und Hygienebestimmungen. „Wir alle wollen das neue Jahr nicht mit einer neuen Infektionswelle starten“, so Kuhn. „Wilde Feierei und Böllerei müssen dieses Jahr wirklich nicht sein.“ Die Polizei kontrolliere die Plätze.

Kommunen haben nur begrenzte Regulierungsinstrumente

Bis dato können Kommunen das Silvesterfeuerwerk allerdings nur begrenzt regulieren. Verbote per Allgemeinverfügung können sie nur dort aussprechen, wo es um die Sicherheit oder um den Brandschutz geht. Insbesondere auf private Feierlichkeiten haben sie kaum Zugriff. Auch das Argument des Klimaschutzes spielt formal keine Rolle.

Regulierungen gab es in der Vergangenheit beispielsweise in Augsburg, Hannover oder Düsseldorf. Dort galt ein auf Teile der Innenstadt begrenztes Böllerverbot. Die drei Städte berichten von „positiven Erfahrungen“ damit. Zuvor seien beim Zünden von Feuerwerkskörpern oft Sicherheitsabstände nicht eingehalten oder Menschen sogar mit Raketen beschossen worden. Mit dem Böllerverbot sei die Zahl der dadurch Verletzten deutlich gesunken, heißt es aus Düsseldorf.

Auch in Bayreuth galt im vergangenen Jahr in Teilen der Innenstadt ein Feuerwerksverbot aus Gründen des Brandschutzes im historischen Stadtkern. Gestern zog der Haupt- und Finanzausschuss des Stadtrats diesbezüglich ein Resümee. Da die Erfahrungen positiv ausfielen und in diesem Jahr ohnehin nichts dafür spreche, größere Menschenansammlungen zu befördern, sei mit einer Neuauflage des Verbots zu rechnen, teilt ein Stadtsprecher auf OBM-Nachfrage mit.

Umweltaspekte spielen beim Feuerwerksverbot formal keine Rolle

Die Abfallvermeidung, Luftreinheit, der Lärm- oder Tierschutz sind für ein Feuerwerksverbot zu Silvester jedoch – auch rechtlich – nicht maßgeblich. Dies, obwohl die Böllerei nicht nur für große Abfallmengen und einen erheblichen Ressourceneinsatz für deren Beseitigung sorgt, sondern auch die Luft belastet.

Dies rief in den vergangenen Jahren die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf den Plan. An Silvester gerieten rund 5.000 Tonnen giftigen Feinstaubs in die Luft. Dies entspreche etwa 16 Prozent der pro Jahr im Straßenverkehr entstehenden Menge, prangerte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch an. 2019 stellte die Umweltorganisation in 31 Städten, in denen sie ohnehin Rechtsverfahren für saubere Luft führte, formelle Anträge zur Beschränkung der Böllerei.

Coronakrise als neues Argument für ein Feuerwerksverbot

Hinsichtlich der aktuellen Pandemiesituation sieht sich die DUH in ihrer Kampagne für ein bundesweites Verbot von Silvesterfeuerwerken zusätzlich bestätigt. Am Montag beantragte die Umwelthilfe bei Bundesinnenminister Horst Seehofer und Gesundheitsminister Jens Spahn ein umfassendes Verbot von Pyrotechnik zum Jahreswechsel.

„In diesem Jahr können wir uns das angesichts der immer noch ansteigenden Zahl von Covid-19-Patienten in unseren Krankenhäusern einfach nicht erlauben“, sagt Resch. Zuletzt hatten einige Handelsketten wie die Baumärkte Hornbach und OBI bekanntgegeben, auf den Verkauf von Pyrotechnik zu verzichten. „Jetzt muss die Bundesregierung Verantwortung übernehmen und über eine Änderung in der Sprengstoffverordnung oder über die von Jens Spahn koordinierten Covid-19-Schutzmaßnahmen ein bundesweites Feuerwerksverbot aussprechen“, so Resch.

OBM-Recherche: Manche Städte fürchten sich vor Böllerverboten

Dass der Streit um das Silvesterfeuerwerk besonders emotional ausgetragen wird, zeigte 2019 eine Recherche der OBM-Zeitung. Damals gab die Sprecherin einer Umweltorganisation, die ihren Namen hier nicht lesen möchte, zu Protokoll, dass das Feuerwerk zwar zu Umweltbelastungen führe. Dagegen wolle ihre Organisation aber nicht zu Felde ziehen, denn der Diskurs darüber sei nur ein „Nebenkriegsschauplatz“ und „ein bisschen gefährlich“. Schließlich sei zu befürchten, dass der Eingriff in den böllernden Brauch zu Protesten gegen die Umweltaktivitäten führen könnte.

Ähnliche Befürchtungen dürften machen Lokalpolitiker umtreiben. So förderte 2019 eine Umfrage der OBM-Zeitung unter 18 zufällig ausgewählten Städten ein ambivalentes Bild zutage. Die meisten der Städte gaben an, keine Anstrengungen zu unternehmen, das Silvesterfeuerwerk zu regulieren. Darunter waren 13, die schon damals den Klimanotstand ausgerufen hatten. Offenbar endet das konsequente Handeln für den Klimaschutz in vielen Kommunen dort, wo der Böllerspaß beginnt – wohl aus Angst vor Protesten aus der Stadtgesellschaft gegen die Regulierung. Selbst, wenn nach eigenem Dafürhalten ein „Notstand“ herrscht.

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