„Was wir brauchen, ist eine Renaissance der kommunalen Selbstverwaltung“, sagte Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), heute beim Deutschen Kommunalkongress in Berlin. Dabei betonte er angesichts aktueller Krisen die Rolle der kommunalen Ebene für die Gestaltung des Gemeinwesens und die gesellschaftliche Stabilität in Deutschland. An Bund und Länder appellierte er, die Rahmenbedingungen dafür zu verbessern. „Dazu gehört eine hinreichende Finanzausstattung.“ In einer Videobotschaft sagte Bundeskanzler Olaf Scholz zu, dass der Bund „an der Seite der Kommunen“ stehe. Eine Altschuldenlösung rückte der Kanzler in greifbare Nähe.
Kommunalkongress im Zeichen globaler Krisen
Der diesjährige Deutsche Kommunalkongress steht im Zeichen aktueller globaler Krisen, zuvorderst des Ukrainekonflikts. „Die Gemeinden und Städten in Deutschland stehen fest an der Seite der Menschen in der Ukraine“, sagte Spiegler zur Eröffnung der Veranstaltung. Dabei bringe der Krieg auch für die Menschen hierzulande neue Belastungen mit sich: Steigende Energiepreise drohten, eine soziale Unwucht nach sich zu ziehen, die Wirtschaft zu belasten und die Inflation weiter anzutreiben.
Nicht nur das Geschehen in der Ukraine, auch die Coronakrise bestimmt nach wie vor die Debatte in der kommunalen Familie. Derzeit überlagerten sich für die Städte und Gemeinden außerordentliche Herausforderungen, mit denen man vor Monaten noch nicht habe rechnen können, so Spiegler.
Kommunen als stabilisierender Faktor
In diesem Zusammenhang zeige sich „eine Gegenbewegung auf das Örtliche“. Gegenüber globalen Krisen habe die Lokalpolitik die große Verantwortung, die Lebenswelt für die Menschen vor Ort zu gestalten und Infrastrukturen abzusichern. In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe die kommunale Ebene während der Coronapandemie gezeigt, dass sie diese Aufgabe meistern könne, sagte Spiegler.
Mit ihrer Nähe zu den Bürgern wirkten die Kommunen gesellschaftlich stabilisierend. Dafür sei die kommunale Selbstverwaltung ein entscheidender Faktor. Das gelte auch für die vergangenen vier Monate, in denen sich der Ukrainekrieg auf deutsche Städte und Gemeinden auswirke, etwa hinsichtlich der Integration und des Aufbaus einer sozialen Infrastruktur für ukrainische Flüchtlinge.
Appell an Bund und Länder: hinreichende Finanzausstattung
Um all ihre mannigfaltigen Aufgaben erfüllen zu können, bräuchten die Städte und Gemeinden aber passende Rahmenbedingungen. Bund und Länder müssten sie in die Lage versetzen, ihren Auftrag verwirklichen zu können, so Spiegler. Die diesbezügliche Finanzausstattung müsse hinreichend sein – und zwar nicht nur zur Bewältigung drängender Aufgaben, sondern auch, „um das zu tun, was wir tun wollen“. Von den gesetzgebenden staatlichen Ebenen forderte Spiegler die Einhaltung des Konnexitätsprinzips.
Der Kommunalkongress findet unter dem Motto „Stadt Land Nachhaltig – Zukunft vor Ort gestalten“ statt. Er adressiert die zentralen kommunalen Themen und Herausforderungen unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit. So fächert er den Nachhaltigkeitsbegriff in verschiedensten Dimensionen auf: etwa in der Sozial- und Bildungspolitik, in der Finanz-, der Energie- oder der Wirtschaftspolitik. Dabei setzte Spiegler außerdem ein verkehrspolitisches Thema: In Deutschland hätten 120 Mittelzentren keinen eigenen Bahnanschluss. Spreche man über zukunftsfähige Mobilität und das Gelingen der Verkehrswende, gehöre die Frage der Zuganbindung von Mittelzentren unbedingt „auf die Tagesordnung“.
Scholz stellt Altschuldenlösung in Aussicht
In einer Videobotschaft sicherte Scholz den insgesamt rund 800 Kongressteilnehmern die Hilfe des Bundes bei wegweisenden Transformationsaufgaben zu. Exemplarisch nannte Scholz das Streben nach Klimaneutralität, die Klimaanpassung sowie die Energieversorgung. Auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 sei es ein Zwischenziel, bis 2030 die Hälfte des Wärmebedarfs klimaneutral abzudecken. Dafür brauche es eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den konsequenten Ausbau der Wärmenetze. Es gelte überdies, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen.
Finanzielle Entlastung habe der Bund den Kommunen durch Unterstützungsmaßnahmen in der Coronapandemie gewährt. Hinsichtlich der Integration ukrainischer Flüchtlinge unterstütze der Bund die Länder und die Kommunen pauschal mit zwei Milliarden Euro. Darüber hinaus sei er dazu „bereit, bei der Lösung des Altschuldenproblems zu helfen“, so Scholz. Dafür brauche es allerdings einen „übergreifenden Konsens und eine gemeinsame Kraftanstrengung mit den Ländern“.