Stuttgart will 2035 klimaneutral sein. In den Bereichen Strom und Wärme sieht Oberbürgermeister Frank Nopper dafür die größten Hebel.

„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen.“ Im Tenor dieses Zitats von Hermann Hesse beschreibt Frank Nopper die Anstrengungen der Stadt Stuttgart für Klimaneutralität. 2019 rief die Stadt das Ziel, 2050 klimaneutral zu sein, aus. Vor wenigen Monaten, im Juli 2022, schärfte der Gemeinderat nach: Stuttgart will nun 2035 die Klimaneutralität erreichen. Um dieses „sehr sportliche, sehr ambitionierte“ Vorhaben umzusetzen, starte man nun einen „Turbo“, so Nopper. Darüber sprach der Oberbürgermeister am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der F.A.Z.-Konferenz „Denkraum Klima – Die klimaneutrale Stadt“ in Berlin. Nopper: „Die Hauptmusik spielt im Strom- und Wärmebereich.“

Klimaneutralität: Fokus auf Strom und Wärme

Beide Bereiche seien für rund 84 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Stadt verantwortlich, so Nopper. Gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen McKinsey habe die städtische Stabstelle Klimaschutz eine „Net-Zero-Strategie“ entwickelt. Sie zielt auf eine ausgeglichene CO2-Bilanz ab – also auf das Vermeiden und die Kompensation von CO2-Emissionen. Demnach sorgt in Stuttgart der Stromsektor für 47 Prozent der CO2-Emissionen. Im Wärmebereich sind es 37 Prozent. An dritter Stelle liegen Verkehr und Mobilität mit 14 Prozent.

Entsprechend widmen sich zahlreiche Maßnahmen, die die Kommune in Sachen Klimaneutralität anstößt, der Energieversorgung mit Strom und Wärme. Nopper nennt etwa die Transformation der Kraftwerke von Kohle und Gas auf grünen Wasserstoff als einen wichtigen Baustein. Zudem schlägt die „Net-Zero-Strategie“ den Ausbau der Photovoltaik, von erneuerbaren Energien, der Ökostromproduktion und lokaler Wärmenetze inklusive der Dekarbonisierung bei der Wärmeproduktion beispielsweise mithilfe von Wärmepumpen vor. Dabei nimmt sie auch den Gebäudebestand in den Blick und regt die Sanierung des Bestands und die Klimaneutralität bei Neubauten an.

Wirtschaftliche Kraft als Basis für Klimaschutz

Gerade im Baubereich zeige sich ein großes Potential zur Energieeinsparung und zur Steigerung der Ressourceneffizienz, so Nopper. Die kommunale Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) sei hierfür ein wichtiger Akteur. Die Gesellschaft hat rund 19.000 Wohnungen im Bestand. Sie hat sich einer überdurchschnittlich hohen Renovierungsquote von vier Prozent verschrieben. Parallel setzt die Stadt mit einem eigenen Förderprogramm zur Gebäudesanierung Anreize für private Hauseigentümer.

An diesem Beispiel zeige sich, dass das kommunale Engagement für Klimaschutz und Klimaanpassung durchaus mit der Kassenlage korrespondiert. Vieles könne die Stadt „nur deswegen tun, weil wir wirtschaftlich sehr gut dastehen“, sagt Nopper. Dies betreffe nicht zuletzt den Infrastrukturausbau. Gerade gebe die Stadt 100 Millionen Euro an die Stadtwerke, um die Grundlage für die Versorgung von rund 100.000 Haushalten mit Strom aus erneuerbaren Energien zu schaffen. Nopper: „Klimaschutz ist nur möglich, wenn wir wirtschaftlich leistungsfähig sind.“

Mobilität: Investitionen in den ÖPNV

Auch im Bereich der Mobilität kommen Investitionen in Millionenhöhe auf Stuttgart zu. „Wir bauen mit ganzer Kraft den ÖPNV aus.“ Dies betreffe etwa Taktverdichtungen und neue Linien genauso wie Investitionen in die Emissionsfreiheit der Flotte. Letztlich gelinge die Transformation zur Klimaneutralität nur, wenn sie auf einer gesellschaftlich breiten Basis fuße. Sie müsse sozial und wirtschaftlich verträglich vonstattengehen. Dazu gehörten „Anreize statt Verbote“, so Nopper.

Bei der Podiumsrunde traten neben Nopper die Architektin Elisabeth Broermann, der Vorsitzende der Bosch-Geschäftsführung Stefan Hartung, Umweltbundesamtpräsident Dirk Messner, der Geschäftsführer des Daten-Kompetenzzentrums für Städte und Regionen (DKSR) Alanus von Radecki sowie der Energie- und Umweltökonom Hans-Joachim Ziesing auf. Die F.A.Z.-Konferenz fand in der Berliner Repräsentanz der Firma Robert Bosch statt. Sie erörterte unterschiedliche Perspektiven auf das Leben in der „klimaneutralen Stadt von morgen“.

a.erb@stadtvonmorgen.de

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