Die Oberbürgermeister Martin Horn und Eckart Würzner über die Rolle der Städte beim Klimaschutz und der Transformation zur Klimaneutralität.

„Wir wissen alle, was zu tun ist. Was wir jetzt brauchen, ist konkrete Aktion.“ Martin Horn ist motiviert, engagiert und kämpferisch. Die Zeit der Zielsetzung sei vorbei, sagt der Oberbürgermeister von Freiburg. Jetzt komme es aufs Handeln an: Es brauche sowohl Vorreiter als auch Mitstreiter. „Es muss eine kommunale Bewegung geben“, die hinsichtlich der gesellschaftlichen Transformation vor Ort konkrete Veränderungen voranbringt. Horn will in seiner Stadt einen „positiven Wandel für mehr Klimagerechtigkeit, für nachhaltige Mobilität, für bezahlbares Wohnen und für soziale Gerechtigkeit“ gestalten. Gemeinsam mit seinem Amtskollegen Eckart Würzner aus Heidelberg sprach Horn am 24. April im Videointerview mit #stadtvonmorgen über Klimaschutz und die urbane Transformation zur Klimaneutralität. Das Videointerview kann auf dieser Seite unten abgerufen werden.

Klimaschutz: Städte sind „Game Changer“

Beide Oberbürgermeister streiten nicht nur in ihrer eigenen Stadt für Klimaschutz und das Erreichen von Klimazielen. Freiburg will 2035 klimaneutral sein. Heidelberg hat sich für die Klimaneutralität der Stadtverwaltung das Jahr 2030 vorgenommen, für die der Stadt das Jahr 2040. Auch auf der europäischen Ebene treten Horn und Würzner für die klimapolitischen Anliegen der Kommunen ein. Beide sind aus den Reihen der deutschen Oberbürgermeister im zehnköpfigen Vorstand des „Europäischen Konvents der Bürgermeister für Klima und Energie“ vertreten. Zudem ist Horn Präsident des Nachhaltigkeitsnetzwerks ICLEI Europe, und Würzner ist Präsident des Klimaschutznetzwerks Energy Cities.

Beim Klimaschutz und dem Streben nach Klimaneutralität spielten Städte „die zentrale Rolle“, so Horn. Sie seien der „Game Changer“ für das Erreichen der Klimaziele. Denn auf der kommunalen Ebene geht es um konkrete Veränderungen in der Alltagswelt der Menschen. Dazu zählt der Infrastrukturausbau, beispielsweise für Mobilität und Energie. „Da, wo die Menschen leben, sind die höchste Bereitschaft und der höchste Druck, Zukunftsthemen aufzugreifen“, sagt Würzner. Zum einen müssten die Kommunen also im Zusammenwirken mit der Stadtgesellschaft einen lokalen Veränderungsprozess gestalten. Zum anderen brauchten sie dabei die Unterstützung von den übergeordneten staatlichen Ebenen sowie die Freiheit, Zukunftsentscheidungen treffen und wegweisende Projekte angehen zu können.

Würzner fordert „Local Empowerment“

Eckart Würzner (Quelle: Stadt Heidelberg/Julian Beekmann)

Eckart Würzner (Quelle: Stadt Heidelberg/Julian Beekmann)

In diesem Sinn fordert Würzner ein „Local Empowerment“, eine Befähigung der Kommunen, Transformationsprozesse lokal zu steuern. Beispielsweise sei dies die Voraussetzung für eine dezentral und regional ausgeprägte Versorgung mit erneuerbarer Energie. An manchen Stellen erweise sich die nationale Ebene als „Bremser“, so Horn. Dies gelte in Teilen für Deutschland, aber für andere europäische Staaten, in denen die kommunale Selbstverwaltung geringer ausgeprägt ist, umso mehr.

Damit Städte ihre Transformationskraft voll entfalten können, müssten sich ihre Anliegen auf nationaler und europäischer Ebene wiederfinden, sagt Würzner. „Wir erwarten, dass wir am Verhandlungstisch gesehen werden.“ Im europäischen Kontext werde der kommunale Blickwinkel zwar „durchaus geschätzt“, und die jeweiligen Städtenetzwerke und -verbände tauschten sich informell mit entsprechenden EU-Stellen rege aus. „Doch wir sind nicht formal auf der Agenda zum Beispiel im Europäischen Parlament“, meint Würzner. Dies werde der entscheidenden Rolle, die die Städte beim Klimaschutz spielen, nicht gerecht.

„Gemeinsame Kraftanstrengung“ und Erwartungsmanagement

Martin Horn (Quelle: Stadt Freiburg/Patrick Seeger)

Martin Horn (Quelle: Stadt Freiburg/Patrick Seeger)

Horn plädiert für eine „gemeinsame Kraftanstrengung“ aller staatlichen Ebenen. Nur so könne die Transformation gelingen. Dies bedeute mehr interkommunale Kooperation – auch international, beispielsweise im Sinne kommunaler Klimapartnerschaften. Schließlich mache der Klimawandel an den Grenzen von Gebietskörperschaften nicht Halt. Es müsse also darum gehen, Wissen zu teilen und gemeinsam voranzuschreiten. Und es gehe um „Erwartungsmanagement“. So verzeichnet Horn bisweilen eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen, die auf Landes- oder Bundesebene geweckt werden, und den lokalen Umsetzungsmöglichkeiten.

Wolle man beispielsweise die Mobilität und den ÖPNV voranbringen, müsse klar sein, dass das nur mit entsprechenden Finanz- und Personalressourcen geht. Vom Land ausgesprochene „Mobilitätsgarantien“ und das Deutschlandticket allein seien keine Problemlöser. Es bedürfe vielmehr hoher Investitionen in die Infrastruktur. Dies zum Ausdruck zu bringen, gehöre zum Erwartungsmanagement dazu. Würden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllbar bleiben, sorge dies für Frust und konterkariere den wichtigen Transformationsprozess, mahnt Horn.

Partizipation als Schlüssel für Klimaschutz

Überdies weist Horn auf die soziale Komponente hin, die bei allen Klimaschutzmaßnahmen mitgedacht werden müsse. Die vielseitigen Veränderungen ließen sich nur erfolgreich meistern, wenn dies auf Basis einer breiten Akzeptanz geschehe. Menschen müssten unabhängig von ihrem Einkommen in der Lage sein, den Pfad zur Klimaneutralität zu beschreiten. Wenn es darum gehe, soziale Unwuchten abzufedern, seien ebenfalls die Städte entscheidende Akteure vor Ort.

Würzner unterstreicht den Wert der Partizipation als Schlüssel für einen erfolgreichen Klimaschutz. Dass eine intensive Beteiligung der Bürgerschaft anstrengend sein kann, zeigen beispielsweise Diskussionen um den Bau eines Windparks in Heidelberg. Doch nur mit einer transparenten „Roadmap“ und der ausgleichenden Kraft der Kommunen gelinge Klimaschutz, sagt Würzner: „nachhaltig, fair, sozial“.

Das komplette Videointerview

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Info

Welche Klimaziele haben Städte? Was kostet sie die Klimaneutralität? Welches sind wichtige Arbeitsfelder? Dazu hat #stadtvonmorgen unter 40 Städten eine Klimaumfrage gestartet. Die Ergebnisse der Umfrage gibt es hier: www.stadtvonmorgen.de/klimaumfrage.

a.erb@stadtvonmorgen.de

Aktuelle Beiträge