Angesichts des Klimawandels gewinnen der Klimaschutz und das Streben nach Klimaneutralität in Kommunen massiv an Bedeutung. Doch welche konkreten Klimaziele haben Städte? Was kostet die Klimaneutralität? Und welches sind für sie die wichtigsten Arbeitsfelder, um klimaneutral zu werden? Dafür hat #stadtvonmorgen im April eine Klimaumfrage gestartet und 40 deutsche Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern nach ihrer Klimaarbeit befragt.
Im ersten Teil der Umfrage geht es um die Klimaneutralitätsziele der Kommunen. Der zweite Teil der Umfrage widmet sich den Fragen, welche Kosten die Kommunen diesbezüglich erwarten und welche Arbeitsfelder aus ihrer Sicht entscheidend sind. Der zweite Teil der Umfrage erscheint am kommenden Donnerstag auf www.stadtvonmorgen.de. (Update: Hier geht es zur kompletten Berichterstattung über die #stadtvonmorgen-Klimaumfrage.)
Teil 1: Die Klimaneutralitätsziele der Städte
Laut der #stadtvonmorgen-Klimaumfrage möchte mehr als die Hälfte der 40 befragten Städte die Klimaneutralität bereits bis 2035 erreichen, also zehn Jahre früher als der Bund. Das Klimaschutzgesetz sieht die Klimaneutralität 2045 vor. Einzig die Stadt Oberhausen liegt mit ihrer Einschätzung, 2050 klimaneutral sein zu können, ausdrücklich hinter den zeitlichen Vorgaben des Bundes. Jedoch ist die Definition von Klimaneutralität im Städtevergleich nicht trennscharf. Manche wollen ihr Ziel zum jeweils genannten Jahr „möglichst“ erreichen, andere „spätestens“.
Zudem gibt es Unterschiede, was den kommunalen Wirkungsradius betrifft. So bezieht etwa die Stadt Rostock ihr Ziel, 2035 klimaneutral zu sein, nicht auf die gesamte Stadt, sondern auf die Stadtverwaltung und kommunale Unternehmen. Auch Duisburg spricht vom „Konzern Stadt“. Hingegen wollen etwa Leipzig und Nürnberg ihre jeweilige Stadtverwaltung ebenfalls bis 2035 klimaneutral ausrichten. Für die gesamte Stadt geben sie aber das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 aus. Letzteres ist in der Umfrage berücksichtigt. Ähnliches gilt für die Stadt Frankfurt am Main, die ihr Klimaneutralitätsziel auf die Jahre 2030 (Verwaltung) und 2035 (Gesamtstadt) einstellt.
Unterschiedliche Ansätze und lokale Eigenheiten
Demgegenüber gibt es einige Städte, die für sich kein eigenes Klimaneutralitätsziel ausweisen. Dies gilt beispielsweise für Mönchengladbach und Wuppertal. Gleichwohl wurde in Wuppertal ein Stufenplan zur Klimaneutralität 2035 erarbeitet. Der Stufenplan ist politisch aber noch nicht beschlossen. Beide Städte beziehen sich daher in der #stadtvonmorgen-Umfrage auf die Bundesgesetzgebung mit dem Ziel 2045. Das gilt genauso für Wiesbaden. Hier streben im Lokalparlament allerdings die Parteien Grüne, SPD, Linke und Volt laut Kooperationsvereinbarung die Klimaneutralität 2035 an. Die Stadt Bielefeld teilt mit, dass sie derzeit erst ein Konzept dafür erarbeitet, wie das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 beziehungsweise 2035 erreicht werden kann. Das soll zum Ende des Jahres im Stadtrat beschlossen werden.
Die Stadt Erfurt weist in ihrer Antwort auf das Bürgerbegehren „Klimaentscheid Erfurt“ hin. Das zielt auf die Klimaneutralität 2035 ab. Der Stadtrat entscheidet allerdings erst in den nächsten Wochen darüber, ob er der Formulierung folgt oder nicht. Daher ist auch für Erfurt bis auf weiteres das Jahr 2045 als Zielperspektive anzunehmen. In Städten wie Berlin oder Hamburg hingegen stimmen die örtlichen Ambitionen mit denen des Bundes überein. So zeigen sich schon bei der Zielsetzung im interkommunalen Vergleich unterschiedliche Herangehensweisen und lokalpolitische Eigenheiten.
Jahreszahldiskussion „nicht sinnvoll“
Die Stadt Kiel beruft sich ebenfalls auf den gesetzlichen Rahmen des Energiewende- und Klimaschutzgesetzes, also aufs Jahr 2045. Gleichwohl wolle die Stadt „so schnell wie möglich“ die Klimaneutralität erreichen. Eine Jahreszahldiskussion darüber sei auf kommunaler Ebene „gegebenenfalls gar nicht sinnvoll“, heißt es aus Kiel. Schließlich seien die lokalen Handlungsmöglichkeiten begrenzt.
So verweist die Stadt auf ihr Positionspapier „Kiel – klimaneutral 2035?!“. Darin ist festgehalten, „dass eine Erreichung der Klimaneutralität in Kiel bis 2035 aus rein technischer Sicht möglich und aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist“. Doch es komme vor allem auf die Rahmenbedingungen an, die der Bund und das Land dafür setzen und die die Stadt nicht beeinflussen kann. „Die aktuellen Handlungsmöglichkeiten der Stadt Kiel reichen nicht aus, um das Ziel aus eigener Kraft zu erreichen“, teilt demnach die Stadt auf #stadtvonmorgen-Nachfrage mit. Dies ist auch als Aufforderung an Bund und Länder zu verstehen, den Kommunen einen entsprechenden Handlungsrahmen zu schaffen.
Wie umkämpft lokale Klimaziele in der Stadtgesellschaft bisweilen sind, zeigt das Beispiel Berlin. Dort engagierte sich die Bürgerinitiative „Klimaneustart Berlin“ zuletzt dafür, die Klimaneutralitätsziele zu schärfen (Foto oben). Demnach sollte die Stadt 2030 klimaneutral sein. Ein diesbezüglicher Volksentscheid am 26. März verfehlte allerdings das Quorum.
Diese Klimaneutralitätsziele verfolgen die Städte
Klimaneutralität bis 2030 (5): Aachen, Braunschweig, Kassel, Mannheim, Münster.
Klimaneutralität bis 2035 (17): Augsburg, Bochum, Bonn, Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Duisburg, Frankfurt am Main, Freiburg, Hannover, Köln, Krefeld, Magdeburg, Mainz, München, Rostock, Stuttgart.
Klimaneutralität bis 2038 (1): Hansestadt Bremen. Die Klimaschutzstrategie des Landes Bremen umfasst auch die Stadt Bremerhaven.
Klimaneutralität bis 2040 (7): Chemnitz, Essen, Halle (Saale), Karlsruhe, Leipzig, Lübeck, Nürnberg.
Klimaneutralität bis 2045 (9): Berlin, Bielefeld, Erfurt, Gelsenkirchen, Hamburg, Kiel, Mönchengladbach, Wiesbaden, Wuppertal.
Klimaneutralität bis 2050 (1): Oberhausen.