Angesichts des Klimawandels gewinnen der Klimaschutz und das Streben nach Klimaneutralität in Kommunen massiv an Bedeutung. Doch welche konkreten Klimaziele haben Städte? Was kostet die Klimaneutralität? Und welches sind für sie die wichtigsten Arbeitsfelder, um klimaneutral zu werden? Dafür hat #stadtvonmorgen im April eine Klimaumfrage gestartet und 40 deutsche Städte mit mehr als 200.000 Einwohnern nach ihrer Klimaarbeit befragt.
Der zweite Teil der Umfrage widmet sich den Fragen, welche Kosten die Kommunen auf dem Weg zur Klimaneutralität erwarten und welche Arbeitsfelder aus ihrer Sicht entscheidend sind. Der erste Teil der Umfrage ist bereits am Dienstag erschienen und zeigt die kommunalen Klimaneutralitätsziele auf. Er ist hier zu finden. (Update: Hier geht es zur kompletten Berichterstattung über die #stadtvonmorgen-Klimaumfrage.)
Teil 2: Kosten und Arbeitsfelder für Klimaneutralität
Hinsichtlich der Umsetzung ihrer Klimaneutralitätsziele zeigen sich die 40 befragten Städte sehr ambitioniert. Die dafür nötigen Stellschrauben und Arbeitsfelder benennen sie klar. Aber: Die #stadtvonmorgen-Klimaumfrage offenbart grundlegende Unsicherheiten, was das Erreichen der Ziele betrifft. Auf die Frage, ob sie glauben, dass sie ihr eigenes Klimaziel tatsächlich umsetzen können, antworten viele Städte nur verhalten. Dieses Bild spiegelt sich in der Finanzfrage wider: Ihre Kosten im Zusammenhang mit der Transformation zur Klimaneutralität können die meisten nicht einmal vage abschätzen.
Die nötigen Investitionen ließen sich zum augenblicklichen Zeitpunkt schlichtweg „nicht konkret beziffern“, heißt es auf #stadtvonmorgen-Nachfrage beispielsweise aus Berlin. Gleiches gilt für Hamburg: Kostenschätzungen für die CO2-Neutralität 2045 gebe es nicht. Das liege daran, „dass der Erfolg von zahlreichen äußeren Faktoren abhängt wie zum Beispiel dem Ausbau der Erneuerbaren Energien oder gesetzlichen Vorgaben vom Bund“. In ihrem Haushalt 2023/24 veranschlagt die Hansestadt rund zwei Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen; hinzukommen Investitionen öffentlicher und privater Unternehmen.
Nur wenige Städte mit Kostenprognose
Zu den wenigen Städten, die konkrete Prognosen darüber angestellt haben, was die Transformation zur Klimaneutralität finanziell bedeutet, gehören Stuttgart, Essen, Krefeld und Bremen. Für Stuttgart mit rund 630.000 Einwohnern ergibt sich auf Basis der Studie „Net-zero Stuttgart“ die grobe Kalkulation, dass das Erreichen der Klimaneutralität 2035 die gesamte Stadtgesellschaft – also nicht nur die Stadtverwaltung – rund elf Milliarden Euro kosten könnte. Letztlich ließen sich einige Kosten durch folgende Einsparungen wieder ausgleichen, meint die Studie.
In ähnlicher Weise prognostiziert Essen (Foto oben) den Gesamtaufwand für die Klimaneutralität der 580.000-Einwohner-Stadt mit 13 Milliarden Euro. Krefeld mit rund 230.000 Einwohnern bezieht sich auf ein Klimagutachten und geht von 16,2 Milliarden Euro aus – ebenfalls als Gesamtsumme und nicht auf kommunale Maßnahmen beschränkt. Im Abschlussbericht der Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ vom Dezember 2021 ist auf dem Weg zur Klimaneutralität von einem Finanzbedarf der öffentlichen Hand für Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen in Höhe von rund acht Milliarden Euro als einmaligen Investitionskosten die Rede. Hinzu kämen circa 200 bis 430 Millionen Euro als dauerhafte Betriebskosten. Das Land Bremen – also die Städte Bremen und Bremerhaven – hat rund 680.000 Einwohner. Bezogen auf die Einwohnerzahl tun sich beim Prognosevergleich zwischen den Städten also große Spannen auf.
Städte hinsichtlich Zielerreichung unsicher
Vermutlich trägt der unklare Finanzierungspfad dazu bei, dass sich selbst viele der Kommunen, die sich ambitionierte Klimaneutralitätsziele gesteckt haben, unsicher sind, ob sie diese überhaupt erreichen können. Auf #stadtvonmorgen-Nachfrage geben nur acht Städte (20 Prozent) an, dass sie „fest davon ausgehen“, ihr Ziel zu erreichen. Elf Städte (27,5 Prozent) gehen davon aus, dass sie es „wahrscheinlich“ erreichen.
Fünf Städte (12,5 Prozent) erwarten, dass sie „große Schritte zur Klimaneutralität vorankommen, das gesteckte Ziel aber nicht ganz erreichen“. Eine Stadt (2,5 Prozent) meint von vorneherein, dass sie ihr Ziel „nicht erreicht“. Eine gewisse Unsicherheit zeigt sich auch darin, dass 15 Städte (37,5 Prozent) auf die Frage der Zielerreichung keine der genannten Optionen für zutreffend erachten und die Frage nicht oder nur mit relativierenden Ausführungen beantworten.
Klimaumfrage zeigt: die Arbeitsfelder sind klar
Demgegenüber sind die Arbeitsfelder für das Reduzieren von CO2-Emissionen aus Sicht der Städte klar. Wenn auch mit unterschiedlicher Priorisierung nennen nahezu alle 40 befragten Städte die Energie- und Stromwende, die Wärmewende und die Mobilitätswende sowie den Gebäudesektor als für die Transformation zur Klimaneutralität maßgebliche Bereiche.
Was die Energiewende betrifft, geht es aus kommunaler Sicht demnach unter anderem um den Einsatz erneuerbarer Energien in der Stromproduktion und -versorgung. Im Bereich der Wärmewende setzen die Städte verstärkt auf die Dekarbonisierung der Produktion und die koordinierte Versorgung über Wärmenetze. Zudem widmen sie sich der kommunalen Wärmeplanung. Für die Mobilitätswende fokussieren sie laut #stadtvonmorgen-Klimaumfrage unter anderem die Förderung des Umweltverbunds und des ÖPNV sowie der Elektromobilität. Darüber hinaus sehen sie im Gebäudesektor große CO2-Einsparpotenziale. Kommunen können hier im eigenen Gebäudebestand sowie mit Bauvorgaben steuern. Für alle Bereiche ist das Engagement kommunaler Unternehmen, insbesondere der Stadtwerke, entscheidend.
Neben diesen zentralen Stellschrauben für den Klimaschutz verweisen die Städte in der #stadtvonmorgen-Klimaumfrage häufig außerdem auf das Zusammenspiel von Verwaltung, Politik, örtlicher Wirtschaft und Stadtgesellschaft. In diesem Zusammenwirken verstehen sich die Städte als Moderatoren und Treiber eines gesamtgesellschaftlichen Prozesses mit dem Ziel der Klimaneutralität. Dabei kommen unter anderem Themen wie die Entwicklung regionaler Wasserstoffstrategien oder die Umsetzung klimafreundlicher Quartierskonzepte auf. Das Arbeitsspektrum reicht bis hin zu einer kommunalen Bildungsarbeit, die den Fokus auf Aspekte des Lebensstils, der Ernährung und des Konsums richtet.