Die polnischen Pläne für den Tagebau Turow sorgen für Streit im deutsch-tschechisch-polnischen Grenzgebiet. Die deutsche Stadt Zittau hat hinsichtlich der aus ihrer Sicht unzureichend durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Während die Tschechische Republik vor dem Europäischen Gerichtshof klagt und das Gericht für Turow einen vorläufigen Abbaustopp verfügt hat, ist die Position der Bundesregierung diesbezüglich noch unklar. Sie hat bis zum 10. Juni Zeit, als sogenannter Streithelfer der tschechischen Klage beizutreten.
Tagebau Turow: Zittau befürchtet Auswirkungen auf die Stadt
Hintergrund der internationalen Differenzen sind die Pläne Polens, die Laufzeit des Tagebaus Turow zu verlängern. Die Stadt Zittau befürchtet davon Auswirkungen unter anderem in den Bereichen der Feinstaub- und der Lärmbelastung sowie einen Grundwasserverlust und damit einhergehend Bodenbewegungen. Die könnten zu Schäden an Gebäuden und der urbanen Infrastruktur auch auf deutscher Seite führen.
Eine diesbezügliche Umweltverträglichkeitsprüfung habe im Zusammenhang mit dem Vorhaben nicht oder nur unzureichend stattgefunden, bemängelt die Stadt. Daher hatte Zittau einen einstimmigen Stadtratsbeschluss herbeigeführt und auf dieser Basis Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Ebenso bat Oberbürgermeister Thomas Zenker den Freistaat Sachsen und die Bundesregierung um Hilfe.
Turow: Tschechien bewirkt vorläufigen Ausbaustopp
Doch nicht nur in Zittau, sondern auch auf tschechischer Seite blickt man argwöhnisch auf das polnische Vorhaben. Die Region Liberec beschwerte sich ebenfalls auf europäischer Ebene. Zudem strengt die tschechische Regierung eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof an. Der hat am 21. Mai per einstweiliger Verfügung vorläufig einen sofortigen Abbaustopp für den Tagebau Turow verhängt.
„Ich gratuliere vor allem der tschechischen Regierung. Sie hat sich auf Bitten der Region Liberec erfolgreich für ihre Bürger eingesetzt“, sagt Zenker dazu. Der Oberbürgermeister hofft, dass diese vorläufige Entscheidung des Gerichts nun auch den Freistaat Sachsen und die Bundesregierung zum Handeln bringt.
Umweltverträglichkeitsprüfung: Auswirkungen von Turow unklar
Die Argumente Tschechiens spiegelten im Grunde die Befürchtungen der Stadt wider. Die Stadt meldete aufgrund aus ihrer Sicht nicht erfüllter Anforderungen und ungeklärter Fragen aus der Umweltverträglichkeitsprüfung Bedenken an dem Vorhaben an. Aber: „Wir haben darauf keinerlei Reaktion erhalten“, kritisiert der Oberbürgermeister in einer Pressemeldung vom 29. April das polnische Vorgehen.
„Aber nicht nur das, sondern das polnische Umweltministerium hat auch darüber hinaus mit Hilfe eines polnischen Gesetzes eine Verlängerung bis 2026 genehmigt.“ Mittlerweile wurde außerdem verkündet, dass der Tagebau sogar bis 2044 fortgeführt und erweitert werden soll. Die Stadt stellt infrage, dass das polnische Vorgehen im Einklang mit europäischem Recht steht.
Grundlegende Aspekte seien nicht geklärt. Bislang seien schwerwiegende Bergbaufolgen wie Bodenbewegungen nicht einmal adäquat thematisiert worden. Zudem bemängelt die Stadt „Verfahrensfehler“ und „Fehlinformationen“. Ihre Aufforderungen zu mehr Information und ihr Widerspruch seien im Verfahren ignoriert worden. „Wir haben hier einen schwerwiegenden Eingriff in die Landschaft und die Bodenstabilität. Mit Blick auf die Karte kann man erkennen, dass davon vor allem deutsche und tschechische Nachbarn betroffen sind“, sagt Zenker.
Zenker befürchtet negative Effekte auf die Grenzregion
Dabei befürchtet er von dem polnischen Vorgehen negative Effekte auf die gesamte Grenzregion. Als mögliche Perspektive werde für die Region Zgorzelec diskutiert, mit Hilfe des Europäischen Just Transition Funds einen Strukturwandel einzuleiten, der zusammen mit dem der Lausitz eine erfolgreiche Transformation schaffen könnte. Dies werde aktuell jedoch von polnischer Seite noch verhindert, da dafür die Laufzeit von Turow verkürzt werden müsste.
„In Turow sollen noch mehr als zwei Jahrzehnte enormer Aufwand für den Braunkohleabbau und damit erhebliche Folgen für die gesamte Dreiländerregion in Kauf genommen werden. Zahlreiche Experten zweifeln nicht nur den Sinn, sondern auch die Wirtschaftlichkeit an“, meint Zenker und fragt: „Wenn Polen die Europäischen Klimaschutzziele derart untergräbt, warum sollten dann überhaupt europäische Mittel aus dem Just Transition Funds in die Region fließen?“