Stadtwerke nutzen Gaskraftwerke zunehmend als Brückentechnologie. Doch die wenigsten Kraftwerke dürften als nachhaltige Finanzanlage gelten.

Die EU-Kommission hat Ende Dezember 2021 vorgeschlagen, Erdgas für eine Übergangszeit als nachhaltige Energiequelle anzuerkennen. Die damit betriebenen Kraftwerke müssten aber bis 2035 mit Gas aus erneuerbaren Quellen betrieben werden oder geringere Emissionen aufweisen, erklärt die Kommission in einer Pressemitteilung. Insbesondere die Obergrenze für Emissionen und die Vorgaben zum Umstieg auf grünen Wasserstoff stellen für Stadtwerke jedoch hohe Hürden dar.

VKU will Emissionsvorgaben entschärfen

Entsprechend kritisch sieht der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) die Vorschläge. Zwar sei die Aufnahme von Erdgas als nachhaltige Energieform zu begrüßen, heißt es in einem Thesenpapier. Die Vorgaben seien jedoch zu restriktiv. VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing mahnt: „Die im Entwurf festgelegten Grenzwerte für Treibhausgasemissionen sind so restriktiv, dass selbst die modernsten Gaskraftwerke sie nicht einhalten können.“ (Das VKU-Thesenpapier zu Gaskraftwerken in der EU-Taxonomie ist auf der VKU-Seite zu finden.)

Die Vorgaben der EU-Kommission für die Emissionswerte liegen bei 550 Kilogramm CO2-Äquivalent je Kilowatt Gesamtleistung. Der VKU schlägt dagegen eine Grenze von 820 Kilogramm vor. Ferner verlangt der Entwurf einen Umstellungsfahrplan zu erneuerbaren Energieträgern wie Wasserstoff. Ab 2026 muss deren Anteil 30 Prozent erreichen, 2030 sind es 55 Prozent. Bis 2036 muss die Umstellung komplett erfolgt sein.

Neue Gaskraftwerke verfehlen Vorgaben

Die Stadtwerke Kiel planen den kompletten Umstieg auf Wasserstoff erst für das Jahr 2040. Das erdgasbetriebene Küstenkraftwerk ersetzt bereits jetzt ein Kohlekraftwerk und ist für die Umrüstung auf Wasserstoff vorbereitet. „Mit unserem Küstenkraftwerk, derzeit Europas modernstes Gasmotorenheizkraftwerk, sparen wir seit der Inbetriebnahme Ende 2019 schon rund eine Million Tonnen CO2 pro Jahr ein. Das sind rund 70 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zum stillgelegten, kohlebasierten Vorgängerkraftwerk“, sagt Frank Meier, Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Kiel AG.

Die Stadtwerke Leipzig wollen Ende 2022 ein neues Gasturbinenkraftwerk in Betrieb nehmen. Auch diese Anlage ersetzt ein Kohlekraftwerk und ist für den Umstieg auf Wasserstoff vorgesehen. Karsten Rogall, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke, hatte bei einem Baustellenbesuch mit VKU-Geschäftsführer Liebing im August noch einen „verlässlichen gesetzlichen Rahmen und Zusagen für die notwendige Anschubförderung“ eingefordert. Ob die neue EU-Taxonomie das Kraftwerk als nachhaltiges Investment einstuft, ist noch offen.

VKU sieht Ausbauziele in Gefahr

In seinem Positionspapier zur Taxonomie für Gas spricht sich der VKU für praktikable Taxonomie-Kriterien aus. Mit der voranschreitenden Etablierung von Nachhaltigkeitsanforderungen in der Finanzwelt sei es sonst zweifelhaft, ob eine ausreichende Zahl von Anlagen gebaut würde. Derzeit seien weniger als 4 Gigawatt Gesamtleistung im Bau. Zur Absicherung der Energiewende seien aber zwischen 15 und 40 Gigawatt Netto-Zubau bis 2030 erforderlich.

gunther.schilling@faz-bm.de

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