„Verlässlich, machbar und bezahlbar“

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Mit Blick auf das deutsche Klimaziel, bis 2045 die Klimaneutralität zu erreichen, sind mehr als zwei Drittel (67 Prozent) der kommunalen Unternehmen skeptisch. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen schätzen sie die Zielerreichung als unrealistisch ein. Es sind vor allem die hohen Kosten für Transformationsprozesse wie die Energiewende, die sie als hinderlich erachten. Dies geht aus einer Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) hervor. Der Verband hat vom 6. bis 21. Februar die Geschäftsführer seiner 1.584 Mitgliedsunternehmen hinsichtlich des Klimaneutralitätsziels befragt. 536 beteiligten sich an der Umfrage.

Mehr Schwung für die Energiewende

Von der Skepsis seiner Mitgliedsunternehmen leitet Verbandspräsident Ulf Kämpfer einen Appell an die Bundesregierung ab. „Unser Land braucht neuen Schwung für die Energiewende“, sagt der Oberbürgermeister von Kiel. Die Energiewende sei „elementar für Klimaschutz und eine resiliente nationale Versorgungssicherheit“. Unter anderem arbeiten die Städte und ihre kommunalen Unternehmen derzeit an der Wärmeplanung, um die Wärmeversorgung vor Ort zu entkarbonisieren und regenerativ zu gestalten.

Das habe auch eine geostrategische Bedeutung: „Wir müssen die Abhängigkeiten vom Import fossiler Energien aus dem Ausland weiter reduzieren“, meint Kämpfer. Aber: „Klimaneutralität gelingt nur, wenn wir die Kosten senken und die Prozesse der Energiewende besser aufeinander abstimmen.“ Insbesondere bei den Kosten der Energiewende herrsche dringender Handlungsbedarf, um weiterhin die Akzeptanz zu sichern. Die neue Bundesregierung müsse „das Fundament für alternative Finanzierungsformen legen, zum Beispiel für einen Energiewendefonds“.

Hohe Kosten, unklare Finanzierung

Mehr als die Hälfte der auf die VKU-Umfrage antwortenden Geschäftsführer (51 Prozent) gaben an, dass zum Erreichen der Klimaneutralität dringend die Finanzierung zu klären sei und durch neue Konzepte erleichtert werden müsse. Wichtige Anliegen sind ihnen auch die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren (44 Prozent) sowie der Einbezug der kommunalen Praxis im Sinne eines „Realitätschecks“ bei richtungsweisenden Entscheidungen und in Gesetzgebungsverfahren (47 Prozent).

Laut VKU-Umfrage finden sich die größten Investitionsbedarfe im Bereich des Ausbaus der Stromnetze für die Energie- und Wärmewende. Dies gaben 66 Prozent der Geschäftsführer kommunaler Unternehmen an. Zudem müsse in die Fernwärmenetze für die Wärmewende (50 Prozent) investiert werden. Weitere größere Investitionsnotwendigkeiten sehen die kommunalen Unternehmen beim Ausbau und Erhalt der Trinkwasserversorgung sowie der Abwasserentsorgung.  

Preisstabilität bei der Energieversorgung

„Von einer neuen Bundesregierung wünschen sich kommunale Unternehmen mehr Verlässlichkeit, Realitätssinn, aber weniger Bürokratie“, sagt Kämpfer. Es sei an der Bundespolitik, „dafür Sorge zu tragen, dass die Energiewende verlässlich, machbar und bezahlbar wird“. Dazu gehöre auch Preisstabilität bei der Energieversorgung. „Unser Land braucht bezahlbare Energiepreise“, so Kämpfer.

Der Bund könne hier kurzfristig mit der Absenkung der Stromsteuer für alle und Zuschüssen zu den Übertragungsnetzentgelten entlastend steuern. „Wichtig ist auch, langfristig wirkende Maßnahmen zu ergreifen“, unterstreicht Kämpfer. „Amortisationskonten sind ein gutes Instrument, um die Kosten für den Netzausbau zeitlich zu strecken. Und wenn der Staat bereit zu Garantien und Bürgschaften wäre, könnte er das Risiko von Investitionen in die Energiewende senken. Damit könnte der Staat dem Energiewendefonds den Weg bereiten, der kein Steuergeld, sondern privates Kapital mobilisieren soll.“

Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.