„Wir sind nicht als Vision entstanden, wir sind aus der Not entstanden“, sagt Andreas Lange. Nach der Jahrtausendwende steckte die mecklenburg-vorpommerische Landeshauptstadt Schwerin in finanziellen Turbulenzen. Um gegenzusteuern, beschloss sie, den Weg der Privatisierung einzuschlagen und Anteile ihrer Schweriner Abfallentsorgungs- und Straßenreinigungsgesellschaft (SAS), deren Geschäftsbetrieb damals stagnierte, zu verkaufen. Es war der Schritt in eine ÖPP, eine öffentlich-private Partnerschaft. Neben der Stadt, die 51 Prozent an der GmbH hält, ist das Entsorgungsunternehmen Remondis an der SAS beteiligt. Heute ist Lange Geschäftsführer der SAS. Nicht nur im haushalterischen Sinn, sondern auch hinsichtlich der Gebührenstabilität und der Entsorgungsqualität habe sich der Schritt in die ÖPP ausgezahlt, meint Lange.
ÖPP für mehr Effizienz in der Daseinsvorsorge

Beim Deutschen Kämmerertag, der Anfang September in Berlin stattfand, diskutierte Lange gemeinsam mit Landrat Michael Sack aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald und Johannes Einig, Geschäftsführer der kommunalnahen Entsorgungsunternehmens AHE im Ruhrgebiet, die Rolle von ÖPP. Sie sprachen vor dem Hintergrund der aktuellen kommunalen Finanzkrise, die die Fachkonferenz bestimmte. Dabei weist Sack allerdings die Vorstellung, dass Finanznot für eine ÖPP anlassgebend sein muss, zurück. Im Gegenteil sei es für Kommunen grundsätzlich angezeigt, laufend zu evaluieren, wie sie ihre Aufgaben am effizientesten erledigen können. In diese Überlegungen sollten ÖPP-Lösungen einbezogen werden.
„Wir müssen aus beiden Welten das Beste nehmen“ – aus dem öffentlichen Kosmos und dem privatwirtschaftlichen Sektor, unterstreicht Sack. Dies gelte unabhängig von den Notwendigkeiten, die akute Finanzengpässe auslösen. Es gelte, verlässliche Partner zu finden, mit denen sich schlagkräftige Strukturen der Daseinsvorsorge aufbauen lassen. In die Kooperation könne die Kommune nicht nur ihren öffentlichen Auftrag als „Grundauslastung“ einbringen, sondern auch durch ihre staatliche Solidität, ihre lokale Verwurzelung und das in sie gesetzte Vertrauen der Bevölkerung stabilisierend wirken. Der kommunale Partner gebe dem Geschäftsmodell Planungssicherheit. „Der private Partner bringt dabei die operative Effizienz mit“, erklärt Sack.
„Unterschiedliche Welten, die aufeinanderprallen“
Oft könnten private Unternehmen bei marktbezogenen Themen, etwa was Konjunkturzyklen oder saisonale Schwankungen betrifft, flexibler agieren. Zudem brächten sie ab einer gewissen Größe in Fragen von Kostenstrukturen und Beschaffungen Einsparpotenziale mit. Gehe es darum, Geschäftsfelder auszudehnen und für das jeweilige Unternehmen Wachstumschancen zu erkennen, seien sie ebenfalls Treiber. Darüber hinaus seien ihre operative Expertise, marktwirtschaftliche Kompetenz und Fachlichkeit nicht zuletzt in der teils von politischen Wünschen geprägten Gremienarbeit ein nicht zu unterschätzendes Gewicht, um zukunftsorientierte Entscheidungen fundiert zu treffen.
Ähnlich sieht es Lange. Anfängliche Skepsis hinsichtlich des ÖPP-Modells in Schwerin – etwa aus der Belegschaft oder hinsichtlich der kommunalen Steuerungshoheit – hätten sich rasch aufgelöst. Die SAS verzeichnet ein Wachstum, die Mitarbeiterzahl ist gestiegen. Als Mehrheitseignerin verfügt die Kommune über strategische Hoheit. Es gibt einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat. Im operativen Tagesgeschäft spielt Remondis seine Kompetenz aus. Die Geschäftsführung ist doppelt besetzt – mit Geschäftsführer seitens der Stadt und einem seitens Remondis. Wichtige Entscheidungen werden auf der Gesellschafterebene gefällt, was laut Lange Prozesse beschleunigt. Gerade wurde die 20-jährige Zusammenarbeit nach europaweiter Ausschreibung um 15 Jahre verlängert. „Es sind unterschiedliche Welten, die aufeinanderprallen“, sagt Lange über die ÖPP. „Aber in dem Moment, in dem man sich näher kennt, gemeinsame Lösungen erarbeitet und mit der Brille des anderen sieht, können solche Modelle sehr erfolgreich werden.“
Andreas Erb ist Redakteur im Public Sector des F.A.Z.-Fachverlags. Für die Plattform #stadtvonmorgen berichtet er über urbane Transformationsprozesse, die Stadtgesellschaft und die internationale Perspektive der Stadt. Seit 1998 ist der Kulturwissenschaftler als Journalist und Autor in verschiedenen Funktionen tätig, seit 2017 als Redakteur im F.A.Z.-Fachverlag.

