Der digitale Wandel zum Nutzen der Menschen

Das ÖPNV-Ticket mit dem Smartphone buchen, online Amtsgeschäfte erledigen oder mit digitaler Navigation den Weg durch die Stadt finden: „In der Stadt trifft die Digitalisierung auf das Leben der Menschen und verändert unseren Alltag“, sagte der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer, als er 2019 den Startschuss für 13 Smart-City-Modellprojekte gab. Für die Förderkulisse „Modellprojekte Smart Cities“, die nach dem Regierungswechsel 2021 vom Innen- ins Bauministerium übergegangen ist, stehen insgesamt 820 Millionen Euro zur Verfügung. Mit den drei Staffeln der Jahre 2019, 2020 und 2021 werden über einen mehrjährigen Zeitraum insgesamt 73 Modellprojekte vom Bund über die KfW gefördert. Es geht darum, die Städte smarter zu machen. Die ersten Ergebnisse werden nun greifbar.„Modellprojekte Smart Cities“ mit ersten ErgebnissenDie Modellprojekte sollen zeigen, „wie der digitale Wandel einer Stadt zum Nutzen der Menschen vor Ort gestaltet werden kann“, sagte Minister Seehofer damals. Da nur eine begrenzte Anzahl kommunaler Pioniere gefördert wird, ist die Skalierbarkeit der Entwicklungsergebnisse und deren Übertragbarkeit auf andere Kommunen von Beginn ein wichtiger Faktor bei der Förderung – Seehofer sprach vom „Wissenstransfer“. Es sollten sich neue Perspektiven im Bereich der Stadtentwicklung und der digitalen Daseinsvorsorge auftun. Um den Austausch zwischen den Modellkommunen zu gewährleisten und darüber hinaus deren gewonnene Erkenntnisse nachhaltig zu sichern, wurde 2021 eine Koordinierungs- und Transferstelle eingerichtet.Die kann mittlerweile erste Ergebnisse vorweisen. Auf der Webseite www.smart-city-dialog.de ist ein sogenannter „Wissensspeicher“ angelegt. Der gibt ein Abbild der smarten Errungenschaften, die im Kontext der Modellprojekte entwickelt wurden. Hier sind unter anderem wegweisende, in den Modellkommunen implementierte Smart-City-Strategien für die Stadtentwicklung abgelegt. Außerdem bildet der Wissensspeicher erste verfügbare Softwareanwendungen ab. Die dort auffindbaren digitalen Lösungen stehen für das Spektrum urbaner Hausforderungen, denen die Städte entgegensehen. Sie widmen sich etwa der Klimaanpassung, der Verkehrssteuerung, der Bürgerbeteiligung oder der Stadtplanung.Vom Wassermanagement bis zur VerkehrssteuerungAus der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover kommt etwa ein sensorengestütztes System zum urbanen Hitzeschutz und zum Wassermanagement. Klimasensoren sammeln Daten zu Niederschlagsmengen oder der Trockenheit des Bodens, zur Temperatur, zur Sonneneinstrahlung oder zur Luftfeuchtigkeit. Auf diese Weise kann eine smart gesteuerte Zisterne, die Regenwasser sammelt, Bewässerungsintervalle beeinflussen. Es geht es darum, das Schwammstadtkonzept in der Stadt digital optimiert umzusetzen. An Regentagen wird Regenwasser gesammelt und an Hitzetagen oder bei Trockenheit wird dieses Wasser zur Kühlung oder zur Bewässerung genutzt. Das soll auch die urbane Aufenthaltsqualität in Hannovers Quartieren verbessern.Das nordrhein-westfälische Münster setzt im Zusammenhang mit dem Modellprojekt unter anderem auf die Digitalisierung im Bereich der Verkehrssteuerung. Ein Grüne-Welle-Assistent, der in Echtzeit mit den Ampelanlagen korrespondiert, ist ein augenfälliges Beispiel dafür. Er zeigt den Fahrradfahrern an LED-Displays Informationen zur nächsten Ampelschaltung an, sodass die Radfahrer ihr Tempo danach ausrichten und in einer „grünen Welle“ fahren können. Derweil hat die brandenburgische Stadt Bad Belzig eine Open-Source-basierte App zur Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern entwickelt. Auf der App sind wichtige Stadtinformationen wie Müllabfuhrtermine, Veranstaltungshinweise, Beteiligungsangebote oder Zugänge zu Verwaltungsdienstleistungen abrufbar. Das Angebot soll erweitert werden.Verstetigung und Verbreitung der Innovationen Spricht über die Smart City: Michael Huch. (Quelle: DLR)Damit die Ergebnisse des Förderprogramms nachhaltig wirken, ist in vielen Fällen eine stetige Aktualisierung und Weiterentwicklung der hervorgebrachten Innovationen notwendig. Dies ist eine der Herausforderungen, denen sich die Koordinationsstelle widmet. „Es geht auch um Verstetigung“, sagt Michael Huch, Leiter der Transferstelle. Denn was projektorientiert gefördert ist, braucht, um langfristig einsetzbar zu sein, eine entsprechende Finanz- und Ressourcenbasis. Entwickelte Software muss aktualisiert werden, Softwarecodes müssen gepflegt werden, Plattformen müssen betrieben und Geschäftsmodelle dafür geformt werden. Darüber hinaus gilt es, die digitalen Erfindungen in lokal teils unterschiedliche, bestehende Systeme einzubetten und Schnittstellen zu überwinden. Neben dem Wissenstransfer und der Verbreitung der Innovationen will die Transferstelle den Austausch darüber in entsprechenden Formaten beflügeln.Wie hilfreich einige der Lösungen für den Verwaltungsalltag sind, zeigt ein Raumbuchungstool, das das schleswig-holsteinische Amt Süderbrarup entworfen hat. Es sei ein „versteckter Hit“ unter den Smart-City-Erfindungen, meint Huch. Denn die Nachfrage danach aus anderen Kommunen sei besonders groß, offenbar treffe die Lösung einen Bedarf. Dabei handelt es sich um eine recht pragmatische Lösung. Es geht um eine Buchungsplattform für kommunale Ressourcen, vorwiegend Räume, aber auch Gerätschaften oder Kurse, die verwaltungsintern oder an der Schnittstelle zwischen Bürgern und Verwaltung vergeben werden.Interkommunale Kooperation für die DigitalisierungDass die Modellprojekte in den smarten Städten sogar zu struktureller Progression führen, zeigt ein Beispiel aus Hamburg, das in eine interkommunale Kooperation mündet. Die Hansestadt hat ein Tool zur digitalen Bürgerbeteiligung entwickelt, mit dem sich Themen der Raumplanung geodatenbasiert darstellen lassen. So können Planungsszenarien visualisiert und veranschaulicht werden. Das Tool fließt auch in das Projekt „Connected Urban Twins“ (CUT) ein. Hierin arbeiten die Städte Hamburg, Leipzig und München interkommunal an einem übergreifenden DIN-Standard für einen „urban Twin“, einen digitalen Zwilling, also ein datenbasiertes, digitales Abbild der Stadt. Mit dem digitalen Zwilling können beispielsweise Planungen modelliert werden. Die Simulation kann nicht nur bauliche, sondern etwa auch sozialräumliche Parameter hinsichtlich der Stadtbevölkerung einbeziehen. Standardisiert kann der digitale Stadtzwilling zum gängigen Planungstool in Verwaltungen und zur Grundlage urbaner Datenplattformen samt Bürgerbeteiligung werden.Eine interkommunale Zusammenarbeit wie die der Städte Hamburg, Leipzig und München im Projekt CUT sei wegweisend, meint Huch. Denn was eine Stadt pilothaft entwickelt, könne schließlich auch für andere Städte eine Antwort auf ähnlich gelagerte Herausforderungen vor Ort geben und müsse folglich dort nicht noch einmal parallel erarbeitet werden. Insofern schafft die Transferstelle Netzwerkstrukturen und organisiert Communities, in denen sich die Modellkommunen austauschen und ihre Ansätze gemeinsam weiterentwickeln. Kommunen, die nicht in der Förderkulisse sind, können so ebenfalls Zugänge zu den Innovatoren finden. So soll eine Eigendynamik entstehen, die die in den Modellprojekten erarbeiteten Anwendungen über den Förderzeitraum hinaus erhält.Modellprojekte Smart Cities: Übertragung in die BreiteDabei geht es aber nicht nur um die Verbreitung der Innovationen in Richtung ohnehin digitalaffiner Städte, sondern insbesondere auch um eine Beflügelung der Digitalisierung im gesamten Bundesgebiet. Den 73 Modellprojekten stehen unter den rund 11.000 deutschen Kommunen kleine Gemeinden, die ehrenamtlich geführt sind, gegenüber. Dass diese ebenfalls an der Digitalisierung teilhaben können, ist ein Erfolgskriterium für eine strukturelle Neuerung der digitalen Daseinsvorsorge in der smarten Kommune. Denn auch dort gilt es, wie Seehofer es sagte, den digitalen Wandel zum Nutzen der Menschen zu gestalten. Info Dieser Artikel stammt aus dem E-Magazin von #stadtvonmorgen, Ausgabe 2024/6. Hier geht’s zum Archiv.

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