Bau-Turbo: Mit der Brechstange im Drivers Seat

Einen symbolträchtigeren Termin hätte sie für ihren Onlineauftritt am 17. Oktober nicht wählen können: Gerade hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und der Wohnraumsicherung“, den sogenannten Bau-Turbo, verabschiedet. Bundesbauministerin Verena Hubertz kommt direkt aus dieser Sitzung, als das Webinar startet. Rund 2.500 kommunale Entscheider und Bauexperten haben sich für das digitale Informationsangebot des Ministeriums angemeldet, bei dem Hubertz Rede und Antwort zum Bau-Turbo steht. Die Botschaft der Ministerin: Der Bund unterstützt die Kommunen bei der Umsetzung der neuen Regeln. Damit soll dem Wohnraummangel entgegengewirkt und Bauprozesse sollen beschleunigt werden. Das Motto: „Heute zünden wir gemeinsam den Bau-Turbo.“ Für Hubertz ist es ein „emotionaler Tag“, wie sie sagt, immerhin hat soeben ihr „erstes Gesetz als neue Bauministerin“ die Länderkammer passiert. Der Bau-Turbo soll Verfahren vereinfachen und erlaubt daher bis zum 31. Dezember 2030 Abweichungen vom gängigen Bauplanungsrecht für den Bau von Wohngebäuden. Anstelle des bisherigen Bebauungsplanverfahrens, das etwa fünf Jahre dauert, kann die betroffene Kommune dem jeweiligen Bauvorhaben unter Anwendung des Bau-Turbos nun nach einer dreimonatigen Prüfung zustimmen. Plant sie eine Öffentlichkeitsbeteiligung ein, können es vier Monate sein. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn die Kommune innerhalb der Frist dem Bauvorhaben nicht widerspricht. Kommunen sitzen beim Bau-Turbo am SteuerOb die Kommune den Bau-Turbo anwendet, liegt also in ihrem Ermessen. Wichtig sei, so Hubertz bei der Online-Konferenz: „Die Gemeinde sitzt im Drivers Seat“, also auf dem Fahrersitz. Es gibt keine Entscheidung über ihren Kopf hinweg. Ohne die Lokalparlamente kann der Bau-Turbo nicht zünden. Denn die Entscheidung über seinen Einsatz fällt vor Ort. „Der Bau-Turbo ist nicht das Ende der Stadtplanung“, betont die Ministerin – das Gegenteil sei der Fall, er ermögliche vielmehr ein pragmatisches und unbürokratisches Vorgehen. Um das neue Gesetz, das durchaus Experimentiercharakter hat, zum Erfolg zu führen, sucht Hubertz daher gezielt den Dialog mit den Kommunen und den „Möglichmachern aus dem ganzen Land“. Der Bau-Turbo sei ein „mutiges“, innovatives Instrument, unterstreicht die Ministerin. Denn er bohre bürokratische Krusten auf. „Der Bau-Turbo ist die Brechstange, mit der wir weitreichend von planungsrechtlichen Vorgaben abweichen können.“ Er beschleunige Verfahren und kürze sie ab. Nach Berechnungen des Ministeriums könnte er so einen Verwaltungsaufwand in der Größenordnung von 1,7 Milliarden Euro einsparen. Bau-Turbo wird nicht alle Probleme lösenAber er ist kein Allheilmittel: „Der Bau-Turbo ist kein Hebel, den wir ziehen und dann fallen neue Wohnungen vom Himmel“, meint Hubertz in dem Webinar. Nach wie vor gebe es im Bausektor Hemmnisse. Etwa seien teils zu hohe Baukosten zu verzeichnen. Insofern sei der Bau-Turbo „das erste Puzzlestück“. Ihm müssten weitere Gesetzesnovellen folgen, um Bautätigkeiten zusätzlich zu beflügeln. Damit bis dahin der Bau-Turbo seine Wirkung entfalten könne, brauche es die Bereitschaft vor Ort, ihn auszuprobieren und einzusetzen. Dafür setzt das Ministerium ein sogenanntes Umsetzungslabor auf. Gemeint ist eine Reihe von Informations- und Dialogveranstaltungen in unterschiedlichen Formaten. Darin sollen vorbildliche Fallbeispiele erörtert werden. Das Umsetzungslabor zielt zum einen darauf ab, den Kommunen und Entscheidungsträgern eine Orientierung für die Anwendung des Bau-Turbos zu geben. Zum anderen dient es der Evaluation. Den Austausch über die Wirkweise des neuen Gesetzes, über modellhafte Projekte vor Ort, über bundeslandspezifische Besonderheiten des Kommunalrechts oder über mögliche strukturelle Fehler, auf die es gesetzgeberisch zu reagieren gilt, will die Ministerin ausdrücklich führen. Hubertz stellt Leitfaden bereitAuf diese Weise soll es eine Rückkopplung zwischen der Anwendungspraxis und der Bundesebene geben. Der Lernprozess spiegelt sich in einem Leitfaden wider, den das Ministerium als Handreichung ausgibt. Das „lebende Dokument“, so Hubertz, wird stets nach neuesten Erkenntnissen aktualisiert und ist online abrufbar. Mit dem Bau-Turbo öffne man einen „Instrumentenkasten“, der bestenfalls nicht nur der Beschleunigung des Wohnungsbaus dient, sondern auch für den Abbau von Bürokratie pilothaft ist. Ob man nach wie vor zu städtebaulich ausgewogenen Entscheidungen komme oder ob man beim Abkürzen der Prozesse nicht wichtige Standards und Errungenschaften vernachlässige, will in dem Webinar ein Teilnehmer wissen. Hubertz weist dies zurück. Schließlich sei es an den Kommunen und den lokalen Akteuren, in ihre jeweilige Entscheidung im Zusammenhang mit der Anwendung des Bau-Turbos städtebauliche Erwägungen einfließen zu lassen. Zudem entbinde der Bau-Turbo nicht davon, etwa Aspekte des Denkmalschutzes, des Brandschutzes, des Artenschutzes oder der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beachten. Auch gehe es nicht darum, die „grüne Wiese“ zuzubauen und Flächenkonkurrenzen einseitig zugunsten des Wohnungsbaus zu bescheiden. Vielmehr könne man dort, wo Gestaltungspielräume für Pragmatismus – zum Beispiel bei Aufstockungen, Bebauungen in zweiter Reihe oder Verdichtungen im Siedlungskontext – bestehen, diese besser nutzen. So könne der Bau-Turbo zum „Game-Changer für das Bauen in unserem Land“ werden.

Bau-Turbo: Mit der Brechstange im Drivers Seat

Weitere Artikel

Milliardenschwere Finanzierungslücke: KfW fordert neue Geldquellen für die Energiewende

Wie Kommunen mit KI Zeit und Geld sparen können

Aktuelle Ausgabe

Digitalisierung als Lebenselixier [05|2025]

Weitere Inhalte zum Thema

Milliardenschwere Finanzierungslücke: KfW fordert neue Geldquellen für die Energiewende

Wuppertal zählt mit: Sensoren machen Bewegungen von Passanten sichtbar

Sauberes Wasser, saubere Finanzen

News

E-Magazin

Events

Research

Ihr Nutzerkonto

Über uns

Partner

Mediadaten

FAQ

Kontakt

Bau-Turbo: Mit der Brechstange im Drivers Seat

Weitere Inhalte zum Thema

Ihr Feedback an #stadtvonmorgen