Was haben das hessische Comedyduo „Badesalz“, die Entertainer Felix Lobrecht und Tommi Schmitt sowie die TV-Talker Markus Lanz und Richard David Precht mit dem Oberbürgermeister von Wernigerode gemeinsam? Richtig: Sie alle produzieren einen Podcast. Für Tobias Kascha, erst seit wenigen Tagen Stadtoberhaupt, ist die Produktion seines neuen Podcasts nicht nur eine seiner ersten Amtshandlungen, sondern er ist damit auch einer der ersten deutschen Stadtlenker, die dieses Medium für sich entdecken. #stadtvonmorgen hat in seinen Podcast, der diese Woche Premiere hatte, reingehört.
Podcast-Idee stammt aus dem Wahlkampf
Dabei kommt die Startfolge zwar mit einem wenig überraschenden Claim („Der Wernigerode Podcast – Oberbürgermeister Tobias Kascha im Gespräch“) daher, dafür aber mit eigener Erkennungsmelodie und bemerkenswert professionell produziert. Er sei „ein bisschen aufgeregt“, meint Kascha zu Beginn der Sendung. Dann leitet er aber mit angenehm samtig-bassiger Radiomoderatorenstimme souverän durchs Programm.
Sein Podcast solle dazu dienen, „Gespräche“ zu führen – insbesondere mit Persönlichkeiten aus Stadt und Verwaltung. Es sei ihm eine „Herzensangelegenheit“, sagt Kascha: „Einfach mal locker darüber sprechen, was diese Menschen bewegt, was mich bewegt und was ich mir für Wernigerode vorstelle.“ So könnten die Bürger verfolgen, was ihn und die Stadt umtreibt – und das „beim Aufräumen, beim Autofahren oder bei allen anderen möglichen Dingen“. Es ist eine neue Art der Bürgerkommunikation. Das Format habe er aus dem Wahlkampf „mit ins Rathaus“ gebracht, erklärt Kascha. Alle 14 Tage will er auf Sendung gehen. Der Turnus ist ambitioniert: „Wir hoffen, dass wir das durchhalten.“
Tobias Kascha talkt mit Sarah Piper
Für die erste Podcast-Ausgabe hat sich der Oberbürgermeister Sarah Piper ans Mikrofon geholt. Denjenigen, die sich in der Wernigeröder Lokalpolitik nicht auskennen, sei gesagt, dass es sich um eine gesellschaftlich viel engagierte Wahlwernigeröderin mit charmantem französischen Akzent handelt. Für die SPD sitzt Piper im Stadtrat. In der Fraktion habe sie Kascha kennengelernt, berichtet sie rückblickend. Entsprechend vertraut spielt sie sich mit dem SPD-Oberbürgermeister die Bälle zu.
Von Piper erfahren die Hörer, welches Buch sie gerade liest, welches Reiseziel sie bevorzugt, dass sie gerne einmal Michelle Obama, der Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten, begegnen würde und, dass sie auf ihr Handy im Alltag so gar nicht verzichten mag. Vielleicht mögen diese Informationen für Wernigeröder interessant sein. An dieser Stelle sind aber immerhin schon sechseinhalb Minuten der halbstündigen Folge verstrichen, und so richtig ans lokalpolitisch Eingemachte ging es im Podcast bislang nicht.
Der Oberbürgermeister wird vom Gastgeber zum Befragten
Darauf wartet der Hörer vergeblich, denn im Folgenden schwankt die Podcast-Folge zwischen einer Selbstdarstellung des Oberbürgermeisters und einem Sammelsurium städtischer Themen. Kascha spricht von „zwei aufregenden Wochen“, die er neu im Amt ist, von einem „Wechselbad der Gefühle“. Einer 102 Jahre alten Bürgerin habe er zum Geburtstag gratuliert, eine Ausstellung eröffnet und dann die Bewältigung eines Großbrands mit über 600 Einsatzkräften der Feuerwehr mitgemanagt. Piper: „Da hast Du gleich wirklich vieles meistern müssen als Oberbürgermeister.“
Als Piper den Stadtchef auf seine politischen Ziele anspricht („Welche Schwerpunkte möchtest Du setzen in Deinem Amt?“), wirkt das schon ziemlich geskriptet. Kascha referiert daraufhin seine „fünf Ws“ aus dem Wahlkampf: Wald, Wohnen, Wirtschaft, Wertschätzung und Wir. Dann sind da natürlich die aktuellen Themen wie Energiekrise und Corona. So wird der Oberbürgermeister im eigenen Podcast vom Gastgeber zum Befragten, was konzeptionell ein wenig hakt.
Piper spricht über die Rolle von Frauen in der Lokalpolitik
Endlich kommt Piper mit einem Sachthema zu Wort, und der Hörer erfährt, wofür sie eigentlich steht. Als Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule Harz und Stadträtin spricht sie über Vereinbarkeit von Familie und politischem Engagement. Sie weist auf die schwache Präsenz von Frauen in der Lokalpolitik hin. „Frauen haben die gleiche Expertise und Kompetenzen wie Männer, daher müssen sie sich nicht kleinmachen. Sie sollen einfach zeigen, was die draufhaben“, sagt sie. Das war’s aber auch schon zum Thema, das eine intensivere Auseinandersetzung verdient hätte.
Diese Szene offenbart die Schwäche der ersten Podcast-Folge: Das Gespräch geht an nur wenigen Stellen über Smalltalk hinaus und hat keinen klaren inhaltlichen Fokus. Gibt es in der Wernigeröder Lokalpolitik denn nichts, worüber es sich lohnen würde, hitzig zu diskutieren? Zudem fehlt es an Reibung: Anstelle der Begegnung zweier sich vertrauter Vertreter der SPD böte ein Aufeinandertreffen politischer Kontrahenten doch ein weitaus größeres Spannungspotential.
Kascha beschreitet neue Wege der Bürgerkommunikation
Letztlich ist Kascha „zufrieden mit der ersten Folge“. Das kann er durchaus sein. Denn wenn der Podcast auch noch entwicklungsfähig ist, mit seinem Ansatz lotet der Oberbürgermeister pionierhaft die Möglichkeiten eines neuen Formats für die Bürgerkommunikation aus. Gerade in Zeiten, in denen Zeitungsverlage nicht selten mit Städten über die Grenzen kommunaler Informationsarbeit in klassischen Strukturen streiten, kann das Format des Podcasts im Internet neue, zeitgemäße Kommunikationsfenster öffnen. Kascha zeigt eindrucksvoll, welch großes Potential und welche Nahbarkeit darin liegen.