In der interkommunalen Kooperation finden Kommunen neue Perspektiven, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Beispiel: der Kreis Mettmann. Zum 1. Januar 2019 trat er dem Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) bei. Neben ihm sind die Kreise Kleve, Viersen und Wesel sowie die kreisfreien Städte Bottrop und Krefeld Verbandsmitglieder. Der Zweckverband organisiert deren IT. Über die Kreise richten sich die Dienstleistungen des KRZN auch an die kreisangehörigen Städte, insgesamt agieren so 44 kommunale Partner zusammen. Über die interkommunale Kooperation und die Gründe dafür, warum sich der Kreis Mettmann dem KRZN anschloss, spricht Christoph Waldhoff vom Organisationsamt, der mit dem Projekt betraut ist.
Im Zweckverband KRZN die Zukunft der kommunalen IT sichern
OBM: Herr Waldhoff, der Landkreis Mettmann hat seine komplette IT in den Zweckverband KRZN ausgelagert. Warum, was war der Anlass dafür?
Christoph Waldhoff: Hintergrund waren unter anderem die zunehmenden Geschwindigkeiten in der Digitalisierung und der technologischen Fortentwicklung. Wie viele anderen Kommunen standen wir vor der Frage, wie wir damit Schritt halten können. Es geht auch um Aspekte wie mobiles Arbeiten, Programmbeschaffung oder Programmierung – die vielfältigen Anforderungen, die damit einhergehen, sind nur schwer zu stemmen. Es ist zudem ein Organisationsthema für die ganze Verwaltung. Wir möchten dieser Drucksituation entgegenwirken und freier agieren. Dabei stand unsere Entscheidung für die Integration in den Zweckverband nie unter einem besonderen Finanzdruck oder unter einem Einspargebot. Wohl aber in der Zielstellung, durch neue Synergien mit anderen zum Beispiel individuelle Entwicklungskosten mindern zu können.
OBM: Welche Ziele verknüpfen Sie mit Ihrem Beitritt zum Zweckverband?
Christoph Waldhoff: Es geht darum, die Zukunftsfähigkeit der kommunalen IT zu sichern und die Geschwindigkeit der Digitalisierung zu beherrschen. Zudem treffen wir so auch eine Vorsorge im Hinblick auf den sich abzeichnenden Fachkräftemangel, was IT-Experten betrifft. Gemeinsam im Zweckverband treten wir beim Recruiting effizienter auf, als jede Kommune für sich. Zudem haben wir im Zweckverband eine bessere Möglichkeit, unsere digitale Entwicklung mit denen in anderen Kommunen zu vergleichen – wir gehen in eine gemeinsame kommunale Richtung, und zwar von der Beschaffung über den Einsatz bis hin zum Support von Technologie.
Per „Casting“ zum kommunalen Rechenzentrum

Christoph Waldhoff (Quelle: privat)
OBM: Welche Bereiche der kommunalen IT sind denn von der Migration betroffen?
Christoph Waldhoff: Als wir die Entscheidung trafen, unsere IT auszulagern, haben wir uns auch dazu entschlossen, dies möglichst konsequent zu tun. So wollten wir den Reibungen vorbeugen, die in einer Konkurrenzsituation zwischen den eigenen Abteilungen in der Verwaltung und den ausgelagerten Organisationseinheiten entstehen können. Der Zweckverband ist also ein Vollsortimenter, der nicht nur dazu in der Lage ist, alle unsere IT-Aufgaben abzubilden, sondern dessen Arbeitsweise auch unserer betrieblichen Kultur und Denkweise entspricht. Dies ist Grundlage für die Nachhaltigkeit unserer Entscheidung. So haben wir den Prozess der Suche umgekehrt und sozusagen ein „Casting“ veranstaltet. Zweckverbände konnten sich bei uns bewerben.
OBM: Das klingt, als gäbe es kommunale Rechenzentren wir Sand am Meer. Gibt es so viele potentielle „Kandidaten“?
Christoph Waldhoff: Wir haben im Umkreis von 100 Kilometern – die räumliche Nähe war ein Kriterium – tatsächlich genug solcher Anbieter. Das hängt mit den Besonderheiten der kommunalen IT-Landschaft in Nordrhein-Westfalen zusammen.
Zwischen Standardisierung und Flexibilität
OBM: Wie flexibel sind Sie denn nun beispielsweise beim Softwareeinsatz? Sind Sie nun dazu gezwungen, die Arbeitswelten komplett umzustellen und mit denen der anderen kommunalen Partner im Zweckverband zu vereinheitlichen?
Christoph Waldhoff: Grundsätzlich ist eine Konsolidierung aus Sicht des Zweckverbandes sinnvoll und effizient. Wir haben dieses Thema im Vorfeld abgewogen. Trotzdem besteht – gerade für uns als neuen Partner – eine gewisse Flexibilität. Doch in der Praxis ist an dieser Stelle das Problempotential begrenzt, da die Grundanwendungen im kommunalen Wesen ohnehin überschaubar sind. Und die Neuerungen werden einheitlich für alle Partner angeboten – zuletzt betraf dies etwa angesichts der Coronakrise ein Videokonferenzprogramm.
OBM: Sehen Sie interkommunale Kooperationen als einen Weg, die Digitalisierung stärker in die Fläche zu bringen?
Christoph Waldhoff: Durchaus. Ich halte sie aus vielerlei Hinsicht sogar für notwendig und untrennbar mit der Digitalisierung verbunden, wenn man nicht hintanstehen will. Aus eigener Erfahrung kann ich über die Probleme berichten, die Kommunen dabei haben, mit der Geschwindigkeit der Digitalisierung schrittzuhalten oder Fachkräfte für eigene IT-Abteilungen zu gewinnen. Umso wichtiger ist es, dass man sich größere Partner sucht oder sich zu größeren Einheiten verbündet. In unserem Landkreis befinden sich Städte in Größenordnungen von 20.000 bis 90.000 Einwohnern – diese könnten über unsere Integration in den Zweckverband an der Kooperation teilnehmen.
Interkommunale Kooperation bringt die Digitalisierung in die Fläche

Besiegelten 2019 die Integration des Landkreises Mettmann ins KRZN: Landrat Thomas Hendele (rechts) und Verbandsvorsteher Andreas Coenen. (Quelle: KRZN/Alois Müller)
OBM: Worauf kommt es bei der interkommunalen Kooperation zur Digitalisierung denn an?
Christoph Waldhoff: Aus unserer Sicht sind eine gemeinsame Betriebskultur und ein Klima des Vertrauens entscheidend. Dafür gilt es, das Kirchturmdenken zu überwinden und angesichts der hohen Geschwindigkeit der Digitalisierung zielorientiert zu handeln. Dies setzt voraus, dass die Verwaltung, ihre Mitarbeiter und die Politik sich zu dem Vorhaben – auch in seiner interkommunalen Dimension – bekennen. Zweitens darf nicht die alte Denke vorherrschen, dass mit dem Einsatz eines technischen Geräts zwingend eine Reduktion von Personalkosten einhergehen muss. Im Gegenteil erfordert die Digitalisierung stellenweise neue Personal und neues Knowhow. Erst in Folgeprozessen und mit der echten Integration von Verwaltungsleistungen in digitale Arbeitsformen ergeben sich nachvollziehbare Reduzierungen im Personalbedarf. Es ist wichtig, keine falschen Erwartungen an die Kooperation zu haben. Mit der Integration in den Zweckverband sparen wir zwar durchaus Ressourcen zum Beispiel für Parallelentwicklungen; und Anschaffungen sind im großen Rahmen natürlich günstiger. Aber es muss klar sein: Die Technik gibt es weiterhin nicht zum Nulltarif.
OBM: Wir wirkt sich die Beteiligung am Zweckverband denn auf das IT-Budget aus?
Christoph Waldhoff: Unser IT-Budget bleibt stabil. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen haben wir es auf vier Jahre eingefroren. Es bewegt sich auf dem damals aktuellen Niveau von rund acht Millionen Euro jährlich, zuzüglich inflations- und leistungsbedingter Steigerungen. Das bedeutet für uns eine gewisse Planungssicherheit. Grundsätzlich gilt es, für das Finanzielle eine Perspektive zu finden – dazu gehört eine Beantwortung der Frage, wie man überhaupt den Wert der Technik begreift. Wenn es der Anspruch ist, in Zukunft die Verwaltung komplett digital abzubilden, dann kann man beispielsweise technische Anschaffungen dafür nicht behandeln wie ein Verbrauchsgut, etwa eine Papierlieferung. Diesen Gedanken haben wir berücksichtigt. In unserer Verwaltung ist der Bereich „IT-Steuerung“ auch deshalb in der Kämmerei verortet. Er koordiniert interne IT-Anliegen und vertritt unseren Kreis in den Abstimmungen mit dem Zweckverband. Dadurch ergibt sich hier eine ideale Schnittstelle zwischen technologischen Aspekten, finanziellen Rahmenbedingungen und den Anforderungen des Beschaffungswesens.
OBM: Deutschlands öffentliche Stellen schauen derzeit auf das Onlinezugangsgesetz, dass sie dazu verpflichtet, den Bürgern ihre Services auch online anzubieten. Welche Rolle spielt dieses Gesetz bei Ihrem IT-Projekt?
Christoph Waldhoff: Für unser Projekt ist das Onlinezugangsgesetz nicht der bestimmende Faktor. Wir wollen unsere Digitalisierung beschleunigen und stabilisieren. Das betrifft nicht nur den Dialog mit den Bürgern, sondern auch die nachgelagerten Verwaltungsprozesse.
Kreis Mettmann
Der Kreis Mettmann hat rund 490.000 Einwohner. Zu seinen einwohnerstärksten Städten zählen Ratingen (rund 90.000 Einwohner), Velbert (rund 80.000) und Langenfeld (rund 60.000).