Zu den drängendsten Herausforderungen, die die deutschen Städte zu bewältigen haben, zählt zuvorderst die Bewältigung der Coronakrise. Für die Zukunft sehen die Oberbürgermeister allerdings in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität und Digitalisierung die größten Aufgaben auf sich zukommen. Auch der Strukturwandel in Innenstädten zeichnet sich vielerorts als Zukunftsthema ab. Dieses Stimmungsbild gibt das heute veröffentlichte OB-Barometer. Jährlich führt das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) diese Umfrage unter Oberbürgermeistern durch.
Themen der OBM: Coronakrise, Klimawandel, Mobilitätswende
Das diesjährige OB-Barometer ist geprägt von der Coronakrise: Für 69 Prozent der befragten Oberbürgermeister gehören Coronamaßnahmen zu den aktuell wichtigsten Aufgaben, die sie in ihrer Stadt lösen. Gleichzeitig gewinnt der Kampf gegen den Klimawandel für die Oberbürgermeister an Gewicht. 45 Prozent zählen den Klimaschutz zu ihren wichtigsten Aufgaben. Dies korrespondiert mit der wachsenden Präsenz des Themas in der gesellschaftlichen Debatte sowie in den Städten: 2019 maßen noch weniger als zehn Prozent der OBM dem Klimaschutz eine solche Wichtigkeit bei.
Mit dem Streben nach Nachhaltigkeit verknüpft ist die Frage nach einer zukunftsfähigen Mobilität. Entsprechend bewerten 36 Prozent der OBM den Aspekt Mobilität als wichtig. Ebenfalls bleibt die Digitalisierung zur Smart City (34 Prozent) stabil auf den vorderen Rängen der aktuellen Stadtthemen. „Die spannende Frage, ob Corona das Thema Klimaschutz in den Hintergrund drängt oder für eine zusätzliche Sensibilisierung sorgt, scheint in den deutschen Städten entschieden. Die Oberbürgermeister wollen ihre Stadt klimagerecht und mit einer angepassten Mobilität in die Zukunft entwickeln“, sagt Difu-Institutsleiter Carsten Kühl (Foto oben).
Den Bedeutungszuwachs des Klimaschutzes seit 2019 führen die Stadtforscher jedoch nicht nur auf dessen zunehmende Relevanz im öffentlichen Diskurs zurück, die sich in den Städten unter anderem an Demonstrationen der Bewegung „Fridays For Future“ zeigt. Sie sehen diesen Zuwachs durchaus auch im Kontext von Corona.
Im OB-Barometer heißt es: „Man könnte sogar vermuten, dass durch die Coronapandemie zwei Phänomene ins Bewusstsein der kommunal Verantwortlichen gerückt sind, die für den Umgang mit der Coronakrise ebenso bedeutsam sind wie für den Umgang mit dem Klimawandel: Resilienz und Vulnerabilität von Kommunen, im Hinblick auf kommunale Infrastrukturen, aber auch im Hinblick auf verschiedene Bevölkerungsgruppen, die von den krisenhaften Entwicklungen besonders betroffen sein können.“
Innenstadtentwicklung gewinnt an Bedeutung als Zukunftsthema
Was die Zukunft angeht, gehen die Oberbürgermeister offenbar eher von einem Abflachen der Coronakrise aus. Sie schätzen den Klimaschutz (53 Prozent), die Mobilität (50 Prozent) und die Digitalisierung (37 Prozent) weiterhin als die Arbeitsfelder ein, die für die Städte zukünftig an Bedeutung gewinnen. Gleichwohl zeigen sich auch in dieser Statistik die Auswirkungen von Corona: Zu den vorderen Zukunftsthemen zählt nämlich auch der Bereich der Innenstadtentwicklung mit 34 Prozent. Im Vorjahr priorisierten diesen nur rund zehn Prozent der Oberbürgermeister.
Diesen Sprung erklären die Stadtforscher damit, dass durch die Coronakrise die Transformation vieler Innenstädte an Dynamik gewinnt. Vielerorts haben Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister, die bislang das Bild der Zentren prägen, Existenznöte. Dies bedroht die Attraktivität der Innenstädte, in vielen findet ein Strukturwandel statt. „Innenstädte stehen damit vor einem gewaltigen Umbruch. Das empfinden die Oberbürgermeister insofern als eine große Herausforderung“, heißt es im OB-Barometer.
Städtetaghauptgeschäftsführer Helmut Dedy verknüpft das OB-Barometer daher mit den Forderungen des kommunalen Spitzenverbands nach einem sich auf 2,5 Milliarden Euro belaufenden „Förderprogramm Innenstadt“. Die Städte arbeiteten an neuen Konzepten für Innenstädte und Stadtteilzentren, sagt Dedy: „Wir wollen mehr Platz für Begegnung, Grün, Kultur, Sport, Handwerk und Wohnen. Damit das gelingt, brauchen wir ein Förderprogramm Innenstadt des Bundes.“
Was die Rahmenbedingungen für städtisches Handeln betrifft, wünschen sich die Oberbürgermeister laut OB-Barometer überdies von Ländern, Bund und der EU Verbesserungen insbesondere für die Bereiche der Digitalisierung (71 Prozent), der Finanzen (67 Prozent), des Wohnens (57 Prozent), der Mobilität (53 Prozent) und des Klimaschutzes (47 Prozent).
OB-Barometer: Stimmungsbild aus den Städten
Mit seinem OB-Barometer gibt das Difu jährlich ein Stimmungsbild aus den deutschen Städten ab. In die Umfrage einbezogen sind Städte ab 50.000 Einwohnern. Sie wird vom Deutschen Städtetag und dem Deutscher Städte- und Gemeindebund unterstützt. An der aktuellen Umfrage haben 137 von 189 angesprochenen Oberbürgermeistern – also 72,5 Prozent – teilgenommen. Sie fand zu Jahresbeginn in den Monaten Januar und Februar 2021 statt. Sie wurde vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap durchgeführt.
Weitere Infos und das OB-Barometer zum Download gibt es hier: https://difu.de/presse/pressemitteilungen/2021-05-19/ob-barometer-2021-klimaschutz-und-mobilitaet-sind-fuer-staedte-immer-wichtiger.