Maschinelles Lernen verändert die Art, Daten zu verarbeiten und zu kommunizieren. Künstliche Intelligenz (KI) kommt in Kommunen jedoch noch eher selten zur Anwendung. Das Start-up „LEAD Machine Learning“ kann auf erste Erfahrungen mit kommunalen Unternehmen zurückblicken. Im Gespräch mit #stadtvonmorgen erläutert Tim Schleicher, Gründer und CEO des Start-ups, seinen Ansatz.
Schleicher sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wir kommen um das Thema Künstliche Intelligenz nicht herum. Die USA und China sind uns weit voraus“. Angesichts des deutschen Rückstands nicht nur im Vergleich zu den großen KI-Nationen spart er nicht mit mahnenden Worten in Richtung der öffentlichen Verwaltung: „Bei uns trauen sich viele Organisationen nicht an KI heran.“ Nach den Erfahrungen mit Plattformen wie Facebook gebe es Vorbehalte gegen die massenhafte Verarbeitung von Daten mittels künstlicher Intelligenz.
Doch es gebe „wirklich greifbare, gesellschaftlich und organisatorisch mehrwertige Cases. KI kann uns helfen, unseren Alltag besser zu machen“, fasst er die Philosophie seines Unternehmens zusammen. Hinzu komme die Geschwindigkeit. Sein Team könne „KI-Projekte sehr schnell, innerhalb von drei bis vier Monaten“ umsetzen.
KI bringt Menschen und Prozesse zusammen
Das Berliner Start-up begann vor dreieinhalb Jahren erste KI-Projekte mit Industriekunden. Ein Stahlverarbeiter in Nordrhein-Westfalen wollte seine Produktionsprozesse schlanker organisieren und mit dem Vertrieb synchronisieren. Dann kam der Kontakt des Start-ups zur Berliner Stadtreinigung zustande, die eine bessere Tourenplanung im Sinne der Mitarbeiter erreichen wollte. In beiden Fällen hätten die Prozesse durch maschinelles Lernen verbessert werden können, berichtet Schleicher. „Wir haben ein Modell gebaut, das die Mitarbeiter gesund erhält, indem es sozusagen ein Matching macht zwischen Fahrer und Tour,“ fasst er das Projekt zusammen.
Um die Eignung der Fahrer für die Touren zu ermitteln, beschränkte sich das Team von „LEAD Machine Learning“ auf deren Angaben zur Zufriedenheit mit den jeweiligen Routen. Fehltage oder Gesundheitsdaten der Mitarbeiter, die ebenfalls Rückschlüsse auf die gesundheitlichen Auswirkungen der unterschiedlichen Touren gegeben hätten, waren nicht nötig. „Wir haben gemerkt, dass das Modell auch ohne von Krankheitstagen gut funktioniert. Es konnte die Matchings gut vorhersagen“, sagt Schleicher.
Start-ups geben Impulse für die Arbeitsweise
Das Feedback von Berlin Recycling, der beteiligten Tochtergesellschaft der Berliner Stadtreinigung, war entsprechend ermutigend. Es sei toll, mit Start-ups zusammenzuarbeiten, weil man einfach loslegen könne, zitiert Schleicher die Leiterin Logistik von Berlin Recycling, Bianka Rieder. Das liege auch an der Arbeitsweise des Start-ups, meint Schleicher: „Wir bringen Expertise mit und vielleicht auch eine Leichtigkeit, die öffentlichen Organisationen auch mal ganz gut tut.“
Eine große Herausforderung bei der Nutzung von KI ist nach den Erfahrungen von Schleicher das Herstellen des Verständnisses der Beteiligten: „KI ist etwas, das viel Erklärung bedarf.“ Am Anfang hätten sich die befragten Fahrer große Sorgen gemacht, dass sie sich mit einer positiven Bewertung der Touren zusätzliche Arbeit einhandeln würden. Schließlich konnten sie aber davon überzeugt werden, dass die Daten zur Verbesserung ihrer Situation genutzt werden. „Da muss man schon mal Brücken bauen“, sagt Schleicher. Man müsse erklären, warum man das mache, was das Ziel sei. „Ich freue mich deshalb über dieses Projekt. Da kann man sagen, das hilft den Leuten, die sind an Bord. Die Fahrer finden es gut, die Führungskräfte finden es gut“, resümiert Schleicher.
Fördertöpfe gemeinsam nutzen
Für neue Projekte sucht Schleicher insbesondere Kunden, die etwas bewegen wollen. Sein Team sei sehr stark davon getrieben, KI für die Gesellschaft zu nutzen. „Nur so kann ich mein Team halten. Die kriegen von überallher Anfragen mit deutlich höherem Gehalt. Da müssen wir schon sehr werteorientiert handeln“, sagt er.
Angesichts der aktuell angespannten Wirtschaftslage richtet Schleicher seinen Blick auf den öffentlichen Sektor: „Wir wollen uns intensiver mit den vorhandenen Förderangeboten beschäftigen. Viele Fördertöpfe sind bislang noch gar nicht ausgeschöpft“, stellt er fest. Er will sich gemeinsam mit Städten und anderen öffentlichen Partnern bewerben: „Die Kombination aus öffentlichem Sektor und Start-ups kann sehr spannend sein, denn aus dem öffentlichen Sektor kommt ja auch viel Stabilität.“